Android wird langsam zur geschlossenen Plattform
Obwohl als quelloffenes Open-Source-Projekt gestartet wandelt Google Android Schritt für Schritt in ein geschlossenes System um. Denn verglichen mit der Situation zu Beginn des Android Open Source Project im November 2007 hat sich die Situation für den Konzern grundlegend gewandelt.
Ursprünglich als Antwort auf Apples erstes iPhone konzipiert sollte Android lediglich sicherstellen, dass Google-Dienste auch auf mobilen Geräten, die das Unternehmen als Schlüssel zum Desktop betrachtet habe, weiterhin genutzt würden, heißt es in einer entsprechenden Analyse von Ars Technica. Mit einem Marktanteil von nunmehr fast 80 Prozent würde das Betriebssystem aufgrund seiner Verbreitung auf andere Art und Weise wertvoll. Die Installationsbasis sorgt laut dem Bericht für eine unüberschaubare Anzahl Apps, die auf allen Android-basierten Geräten lauffähig sind. Nicht alle nutzen jedoch Google-Dienste; Amazons Kindle-Umgebung schottet sich vollständig ab – und in der Möglichkeit eines Wettbewerbers, der das Grundkonzept auf Open-Source-Basis als eigenes System wesentlich weiterentwickelt, sieht Ars Technica die größte Gefahr für Google.
Dem wirke der Konzern allerdings auf breiter Front entgegen. Denn lediglich das Android Open Source Project (AOSP) ist tatsächlich quelloffen, während die Google-Apps wie Gmail, Maps oder YouTube nicht frei verfügbar sind. In letztere Kategorie sortiert der Konzern immer mehr Basisfunktionen als neue Apps ein: Funktionen des AOSP werden zugunsten der Google-Apps mit gleichem Umfang nicht weiterentwickelt, heißt es. Suche und Kalender wurden auf diese Weise bereits zu geschlossener Software, der Nachrichten-Dienst (SMS) wird es bald durch die Integration in Google Hangouts. Zudem gibt es Anzeichen für den Wegfall der Galerie, die ab Android 4.4 vermutlich „Google Photos“ heißen wird.
Ein auf AOSP-Android basierendes System müsste daher zahlreiche Basisfunktionen neu entwickeln. Die Erfolgschancen eines solchen Unterfangens reduziert Google auf mehreren Wegen. Die Google-Apps, Gmail, Maps, Now, YouTube und Play Store müssen als Komplettpaket lizensiert werden, was den „Kompatibilitätscheck“ des Konzerns voraussetzt. Dieser wird von Mitgliedern der „Open Handset Alliance“ (OHA) jedoch einfacher bestanden, schreibt Ars Technica. Zudem würden die Bestimmungen der Organisation die Produktion von nicht durch Google genehmigter Geräte verbieten. Während Acer deshalb jüngst einen chinesischen Android-Ableger fallen ließ um nicht von Google-Diensten ausgeschlossen zu werden, kann Amazon Kindle-Geräte nicht bei großen OEMs fertigen lassen. Intern heißt es bei Google, die OHA sei „ein Knüppel um OEMs dazu zu bringen zu tun was wir wollen“. Offiziell geht es dem Unternehmen aber nur darum, Kompatibiltätsproblemen durch Diversifizierung der Plattform vorzubeugen.
Das zugrunde liegende Problem der maßlosen Attraktivität der Google-Dienste, welche die Entwicklung von Alternativen verhindern, wird durch die APIs des Konzerns verstärkt. Diese können für ein breites Spektrum von Anwendungen unter anderem für Karten-, Cloud-, und Push-Funktionen, aber auch Spiele genutzt werden. Für Entwickler sind sie bei großem Funktionsumfang einfach zu nutzen und sogar zu Apples iOS, nicht jedoch zu AOSP-Android-Varianten kompatibel. Dies macht eine Portierung für Rand-Betriebssysteme, die wie Amazon solche Funktionen zu emulieren versuchen, durch den hohen Testaufwand und die kleine Zielgruppe hochgradig unattraktiv. Dies bindet selbst Konzerne wie Samsung, die für viele Google-Apps eine Alternative vorinstallieren, an das Unternehmen – auf den App-Store und die durch den Wegfall der API-gebundenen Infrastruktur etwa für Karten und Cloud kann derzeit niemand verzichten. Da Google auf derartige Absichten allergisch reagiert, hat ein Bruch zudem umfassende und dauerhafte Konsequenzen.
Aber auch gegen derartige Tendenzen scheint eine Lösung gefunden. Mit der zweiten Generation Tablets sowie dem in den nächsten Wochen erwarteten Nexus-5-Smartphone hat man längst ein weiteres Standbein geschaffen. Die Geräte erfreuen sich nicht nur dank günstiger Preise steigender Beliebtheit, sondern werden auch sofort mit neuen Versionen versorgt, während Konkurrenten wie Samsung ihre Updates durch die Integration eigener Apps stets anpassen müssen und daher nur stark verzögerte und vergleichsweise kurzzeitige Softwarepflege offerieren.