Kanzleien hebeln Anti-Abmahngesetz aus
Um Massenabmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen einzudämmen, hatte die alte Bundesregierung im Sommer entschieden, die Kosten von Abmahnungen zu deckeln. Seit dem 9. Oktober gilt das Gesetz, doch keine zwei Wochen nach Inkrafttreten ist absehbar, dass Abmahnkanzleien die Vorgaben aushebeln wollen.
Diese sehen vor, den Streitwert bei einer ersten Abmahnung wegen einer einfacher Urheberrechtsverletzungen auf 1.000 Euro zu begrenzen, so dass die Abmahnkosten bei nur rund 150 Euro liegen. Nun berichtet der IT-Fachanwalt Thomas Stadler in seinem Blog Internet-Law, dass auf Abmahnungen spezialisierte Kanzleien die Kostendeckelung umgehen würden, indem reduzierte Anwaltskosten mit erhöhten Schadensersatzforderungen verrechnet werden – letztere fallen nicht unter die Streitwertgrenze.
Bei Filesharing-Abmahnungen hätte etwa die Kanzlei Waldorf Frommer früher in vielen Fällen 506 Euro Anwaltskosten sowie 450 Euro Schadensersatz geltend gemacht. Die Gesamtforderungen an den Abgemahnten beliefen sich also auf 956 Euro. Abmahnungen, die Stadler vorliegen und sich nach den neuen Vorschriften richten, enthalten Schadensersatzforderungen von 600 Euro, während die Anwaltskosten 215 Euro betragen – zusammen 815 Euro. Die Abmahnkosten haben sich also um 141 Euro reduziert, liegen aufgrund der Schadensersatzforderungen aber immer noch über den im Gesetz anvisierten rund 155 Euro.
Dass selbst die Anwaltskosten mit 215 Euro diese Summe übersteigen, hängt ebenfalls mit den Schadensersatzforderungen zusammen. Die 600 Euro werden von der Kanzlei auf den gedeckelten Streitwert von 1.000 Euro aufgeschlagen, um die Anwaltskosten zu berechnen.
Umstritten war das Anti-Abmahngesetz ohnehin. Nach Ansicht von Stadler zeichne sich mit den ersten Abmahnungen ab, dass es in der Praxis offenbar nicht geeignet ist, um „die Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing einzudämmen“. Eine etwas optimistischere Sicht hat man bei der Interessen-Gemeinschaft gegen den Abmahnwahn, die ebenfalls über entsprechende Abmahnungen berichtete. Diese würden nicht im Sinne des Gesetzgebers erfolgen, dementsprechend besteht die Chance, dass Gerichte dieser Praxis ein Ende setzen.