Civilization VII angespielt: Das neue Civ hinterlässt im Hands-on große Vorfreude
Auf der Gamescom konnte ComputerBase das neue Civilization VII rund zwei Stunden lang anspielen und hinter verschlossenen Türen mit den Entwicklern sprechen. Die Änderungen zum Vorgänger fallen sehr umfangreich aus, Civ bleibt im Hands-on aber trotzdem unverkennbar Civ: Der erste Eindruck ist sehr positiv.
Firaxis traut sich was
Wenige Monate nach der Ankündigung zum Summer Game Fest prescht Firaxis zur Gamescom mit einem ersten Gameplay-Trailer hervor. Das kurze Video zeigt vorwiegend bekannte Inhalte mit neuem Anstrich; das neue Spiel sieht auf den ersten Blick nach einem Civilization-VI-Remake aus.
Kurz darauf belehrt ein Showcase-Event eines besseren: Nein, die Entwickler spielen nicht auf Nummer Sicher; sie haben sich an einige große Änderungen und Umbrüche getraut. Partien werden in Zeitalter unterteilt, in denen Spieler die Kontrolle über verschiedene Zivilisationen übernehmen, Anführer sind frei wählbar, das Diplomatie-System wurde komplett überarbeitet, Handwerker sowie Barbaren sind raus und Städte haben keine klassischen Distrikte mehr.
Aber das, was sie im Rahmen der gezeigten 20 Minuten Gameplay nicht thematisiert haben, bleibt dann doch sicher gleich, oder? Nein, dämmert es bereits in den ersten Runden der Hands-on-Session: Kaum eine Mechanik bleibt unangetastet, Änderungen und gänzlich neue Features lauern hinter jedem Busch. Skepsis und Panik sind aber nach den ersten Erfahrungen in Civilization VII aber unangebracht: Das, was Firaxis da ersonnen hat, ist trotzdem ein vollwertiges und in Tradition der bisherigen Reihe stehendes Civilization, das beim Anspielen sehr viel Spaß gemacht hat.
Die drei Fundamente von Civilization
Ohnehin beschwichtigen die Entwickler: Seit jeher verfolge Firaxis das Ziel, bei einem neuen Ableger einer Serie rund ein Drittel der Inhalte beizubehalten, ein weiteres Drittel abzuändern und ein letztes Drittel gänzlich neu zu denken. Auch bei Civilization VII sei das der Fall. Und das Team erklärt weiter: Das Fundament eines jeden Civilization seien drei Grundlagen, die ohnehin als unantastbar gelten. Die Rede ist von strategischer und sukzessive ergründbarer Tiefe, historischer Immersion durch eine akkurate Repräsentation von Figuren, Sprachen und Einheiten und narrativem Potenzial mit einer epischen Reise durch die Weltgeschichte. In Civ VII sei das alles mit dabei, so Firaxis.
Nichtsdestoweniger habe die frühe Entwicklung des Spiels mit der Frage begonnen, was grundlegend geändert werden könne. Einen ersten Prototyp habe Sid Meyer dem Entwicklerteam kurz vor Ausbruch der Pandemie präsentiert; die Arbeiten am neuen Civilization laufen also schon rund vier Jahre. Schon damals lautete die Zielsetzung: Civ VII solle in allen Phasen einer Partie gleich viel Spaß machen, sich dynamischer anfühlen und außerdem insbesondere im späteren Verlauf des Spiels weniger Mikromanagement abverlangen, sprich weniger nervig sein.
Was soll wieso und wie geändert werden?
Firaxis habe gemerkt, dass viele Spieler insbesondere im Early Game viel Spaß haben, die allerwenigsten Partien aber zu Ende gespielt werden. Das mag mit dem Blick auf die Spielzeit einer Civ-Partie nicht unbedingt verwundern, habe aber noch andere Gründe, so Creative Director Ed Beach im Gespräch mit ComputerBase. Eine typische Civ-VI-Partie gehe im Laufe der Zeit immer weiter in die Breite und verlagere damit einhergehend den anteiligen Zeitbedarf einer einzelnen Runde immer mehr auf repetitives Mikromanagement, während große strategische Entscheidungen auf einer Makro-Ebene kaum noch möglich seien. Und das fordere seinen Tribut beim Spielspaß, erklärt er. Mit hunderten Stunden Spielzeit in Civ VI fühle ich mich angesprochen.
Bei Civilization VII habe Firaxis daher von vornherein das Ziel gehabt, die Komplexitätsbreite über den gesamten Verlauf einer Partie konstant zu halten und daher Mikromanagement abzubauen. Die klar strukturierte Unterteilung in die drei Zeitalter Antike, Entdeckung und Moderne erlaube darüber hinaus eine höhere Komplexitätstiefe, weil beim Gameplay gezielt auf die Besonderheiten der jeweiligen Epochen und Zivilisationen eingegangen werden könne, so die Schlussfolgerung. Außerdem solle es sich runder anfühlen, auch nur eine oder zwei dieser Zeitalter zu spielen. Tatsächlich seien die drei Epochen ein Stück weit modular, so Beach – hier gäbe es also viel Spielraum für spätere Ergänzungen. Eine spätere Erweiterung mit einer Postmoderne als viertes Zeitalter sei beispielsweise absolut im Rahmen des Vorstellbaren, erklärt er auf Nachfrage.
Modulare Zeitalter sind die neue Kernmechanik
Im Rahmen der Vorstellung und der Hands-on-Möglichkeit auf der Gamescom lagen jedoch wenig verwunderlich das allgemeine System des Zeitalterwechsels und das erste Zeitalter Antike im Fokus. Firaxis erklärt, dass die Geschichte mit Blick auf historische Zivilisationen in Schichten aufgebaut sei. Wer beispielsweise in einer alten europäischen Stadt unterwegs sei, würde merken, dass zwischen oder unter der gegenwärtigen Bebauung oftmals Spuren mittelalterlicher Zivilisationen zu finden sind. Und wer noch tiefer schaue, finde häufig Zeugnisse des Alten Roms.
Worauf die Entwickler mit dieser Geschichtsstunde hinaus wollen: Die allerwenigsten Zivilisationen lassen sich von 4.000 v. Chr. bis in die Gegenwart in einer linearen und geographisch konstanten Entwicklung nachvollziehen. Die Civilization-Reihe habe diese Entwicklung bislang versucht zu forcieren, das habe seit jeher seltsame Blüten getrieben. Die Vereinigten Staaten von Amerika während der Errichtung der großen Pyramiden von Gizeh zu spielen sei ebenso absurd wie die Maya mit Atom-U-Booten. Es gehöre stattdessen zur Tatsache der Weltgeschichte, dass Zivilisationen erst aufkommen, dann prosperieren und letztlich niedergehen. Und dieser Zyklus sei nicht nur hinsichtlich potenzieller Gameplay-Mechaniken sehr ergiebig, sondern löse auf einen Schlag auch viele typische Balancing-Probleme der Civilization-Reihe.
Paarung von Zivilisation und Zeitaltern erlaubt mehr Tiefe
Was ist damit konkret gemeint? Bisher war es stets so, dass bestimmte Zivilisationen ihr volles Potenzial meist nur in einer zeitlich begrenzten Phase des Spiels entfalten konnten. Die Boni der alten Zivilisationen beispielsweise waren im End Game oft nutzlos, wohingegen Amerika ewig auf seine spezielle Einheit warten musste. Auch übergreifend, also auf das gesamte Spiel bezogen, gingen damit Limitierungen einher. Wenn aber sichergestellt ist, dass beispielsweise das Römische Reich nur in der Antike spielbar ist, kann die Zivilisation ganz konkret auf die Herausforderungen eben jener Epoche zugeschnitten werden. Und auch die Widersacher passen zwangsläufig in diesen Kontext; Balancing, historische Intensität und damit die Immersion gewinnen also.
Andersherum müssen die grundlegenden Gameplay-Mechaniken der Antike nicht auf Zivilisationen Rücksicht nehmen, die in der Antike eigentlich gar nichts verloren haben. Eine jede Zivilisation hat in Civ VII eigene Attribute, Ausrichtungsbäume, Infrastruktur-Gebäude respektive Modernisierungen und einzigartige zivile sowie militärische Einheiten. Die Unterteilung in drei abgeschlossene Zeitalter erlaubt es zudem, ausgewählte Aspekte des Spiels je nach Epoche in ganz verschiedene Gameplay-Mechaniken zu gießen. Beispielsweise wird die Weltkarte größer, die unabhängigen Parteien entwickeln sich und der Handel soll in allen drei Epochen anders funktionieren, erklärt Firaxis, ins Detail gehen wollen die Entwickler da aber noch nicht.
Vermächtnisse beim Aufeinanderstapeln der Zivilisationen
Des Weiteren erlaubt die Gliederung Zwischenziele. Jedes Zeitalter biete vier verschiedene Vermächtnis-Pfade, die als Etappe zum Gesamtsieg zu verstehen sind. Diese Pfade sind entlang der Themengebiete Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Kultur orientiert und Spieler können aktiv darauf hinarbeiten – von Diplomatie- und Religionssieg ist zumindest bislang und in der Antike nicht die Rede. Wenn eine Zivilisation einen der Pfade absolviert, bietet das im nachfolgenden Zeitalter starke Boni und schaltet mitunter gänzlich neue Optionen frei – unter anderem in Hinsicht auf die Wahl der nächsten Zivilisation, die gewissen Regeln unterliegt.
Diese Entscheidung steht an, wenn eine große Krise die gegenwärtig gespielte Zivilisation dem Untergang geweiht und damit das Ende eines Zeitalters eingeläutet hat. Firaxis zieht hier mehrmals den Untergang des Römischen Reiches als Musterbeispiel heran. Spieler sollen individuell entscheiden können, welche Tugenden und Errungenschaften ihres Reiches überdauern sollen. Basierend auf der historischen geographischen Nähe zu anderen Zivilisation, den modernisierten Ressourcenvorkommen und Entscheidungen im Spielverlauf stehen verschiedene Nachfolgezivilisationen zur Auswahl; willkürlich kann die Entscheidung also nicht getroffen werden. Auch der gewählte Anführer eines Spielers spielt hierbei eine Rolle.
Keine Sorge, keine Willkür
Apropos Anführer: Diese lassen sich beim Start einer Partie einmalig wählen, sind aber konsequenterweise nicht mehr auf ihre historische Zivilisation beschränkt. Es ist also durchaus möglich, mit Pharaonin Hatschepsut im Römischen Reich zu starten. KI-Mitspieler allerdings werden Anführer und Zivilisation stets so wählen, dass die historische Immersion nach Möglichkeit gewahrt wird. Das gilt auch für die Übergänge in neue Zeitalter; hier werden die NPC-Reiche stets bodenständige Entwicklungen durchlaufen und Kombinationen wählen, die historisch nachvollziehbar erscheinen.
Bei diesen Mechaniken mag zunächst Skepsis aufkommen, auf Nachfrage wissen die Entwickler diese jedoch auszuräumen. Einerseits, so Firaxis, sei es nicht so, dass mit dem Zeitalter-System kein kohärentes Spiel mehr möglich sei. Die vorherige Zivilisation werde beim Wechsel zu einer neuen nicht vollständig verworfen; stattdessen baue die neue auf dem Fundament der bisherigen Entwicklung auf. Auch hier sei die gestapelte Torte die passende Analogie. Außerdem werde es mitunter Zivilisationen geben, die in allen drei Zeitaltern vertreten sind – beispielsweise bei Japan sei das gut denkbar.