Dr. MaRV schrieb:
Wie man jetzt dem Justizsystem oder eine UNI die Schuld zuschieben kann ist für mich nicht nachvollziehbar.
Im Fall von Aaron Swartz gibt es aber einige Unstimmigkeiten. Die Grundlage für 35 Jahre Gefängnis und die Geldstrafe stellt der
Computer Fraud and Abuse Act. Aaron Swartz wird vorgeworfen, 4 Millionen Dokumente aus
https://en.wikipedia.org/wiki/JSTOR, einer wissenschaftlichen Datenbank, unbefugt heruntergeladen zu haben, mit der Absicht, diese später zu verbreiten.
Der CFAA ist eine strafrechtliche Gesetzgebung, Swartz hatte eine Urheberrechtsverletzung begangen, die zum einen garnicht vom CFAA gedeckt wird, zum anderen ein zivilrechtliches Vergehen ist. Darüber hinaus gibt es Gutachten, dass das unbefugte Eindringen und Hacken des JSTOR, was überhaupt die Grundlage für die Anwendbarkeit des CFAA wäre, garnicht stattgefunden hat. Swartz habe ohne das Überwinden von Sicherheitsmechanismen einfach die Dokumente herunterladen können. (
Artikel zum Gutachten)
Darüber hinaus wurde die Anwendbarkeit des CFAA von einem Berufungsgericht (9th Court of Appeals) in Frage gestellt, ein Antrag auf Verlegung der Verhandlung aus Massachusetts an den Supreme Court
aber vom US Justizministerium abgelehnt.
Der zuständigen Staatsanwältin im Fall Swartz, Carmen Ortiz wird vorgeworfen, den Fall in Hinsicht einer potentiellen Karrierentwicklung unnötig hart verfolgt zu haben: "stealing is stealing, whether you use a computer command or a crowbar, and whether you take documents, data or dollars." (
Link)
Die Beweislage ist grade bei der Annahme, Swartz habe die Dokumente zum alleinigen Zweck einer Weiterverbreitung zum eigenen Profit heruntergeladen, dünn.
Ich denke, es ist sicherlich nicht richtig, der Justiz blind den Schwarzen Kater in die Schuhe zu schieben. Auf der anderen Seite ist es falsch, den Suizid von Swartz als "feigen Ausweg" aus der Sache zu bezeichnen. Differenziert betrachtet, ergibt der Fall (noch) kein klares Bild. Es gibt viele Ungereimtheiten, die darauf hindeuten, dass man hier versucht hat, ein hartes Grundsatzurteil zu erzwingen. Zivilrechtlich gesehen hat Swartz dem JSTOR einen Schaden zugefügt, aber ob er wirklich die Straftaten begangen hat, die ihm 35 Jahre im Gefängnis eingebracht hätten, mag fraglich sein.
Das Problem ist nun, dass ein Selbstmord in unserer Gesellschaft einem Schuldeingeständnis gleichkommt. Die Menschen haben den Eindruck, er habe es getan, weil er sich schuldig fühlte und der langen Zeit im Gefängnis entgehen wollte. Swartz soll depressiv gewesen sein, was natürlich auch nicht als alleinige Erklärung herhalten kann.
Die Kombination aus Depression, Stress aus der Strafverfolgung und das Gefühl, der Justiz nicht gewachsen zu sein, kann aber grausame Gefühle und Gedanken in einem Menschen auslösen. Überleben ist ein grundlegender Instinkt eines Menschen, und es gehört sehr viel dazu, dass der Wunsch nach dem Tod stärker wird, als der Überlebensinstinkt. Wenn ein Mensch sich dazu entscheidet, so aus dem Leben zu gehen, dann kann man das mit Feigheit alleine nicht erklären.