Es gibt immer zwei Seiten der Medaille.
Ja, Kopien sind nicht legal(!)
Jedoch ist die Art und Weise, mit der die Industrie gegen Raubkopien vorgeht sicherlich nicht geeignet, um Raubkopien einzuschränken. Bei all den Repressalien, die ein einfacher Bürger/Kunde befürchten muss, wenn er eine Software/Film/Musik kauft wundert es mich nicht, dass manche Leute zu Kopien greifen.
Hinzu kommt, dass Industrie, was die Durchsetzung ihrer Ziele angeht, äusserst unsympathisch vorgeht. Es ist kein Wunder, dass manche Leute von Content-Mafia sprechen und ich kann durchaus die Sichtweise von Leuten sehen, die nicht bereit sind unter solchen Bedingung zum ehrlichen Kunden zu werden. Dahinter verbirgt sich bei vielen auch ein gewisser Gerechtigkeitssinn und eine Moral (auch wenn diese nicht mit den aktuellen Gesetzen konform geht), die ich nachvollziehen kann. Um dieses Gegenargument vorweg zu nehmen: Nur weil etwas gesetzlich vorgeschrieben ist, bedeutet dies nicht, dass es moralisch richtig ist.
Ein paar Beispiele:
(1) Einschränkungen
GHad hat es oben schon mit seinem Schaubild gezeigt. Während ein Pirat, der einen kopierten Film schaut, ein gecracktes Spiel spielt oder eine mp3 auf seinem iPod hört nichts weiter tun muss als das entsprechende Medium zu starten sieht sich der ehrliche Kunde mit einer Vielzahl von Einschränkungen konfrontiert:
Audio CDs lassen sich oftmals nicht auf jedem CD Player abspielen. Audio CDs lassen sich oftmal nicht ohne vergleichsweise großen Aufwand in mp3s umwandeln, so dass ich sie auch auf meinem iPod abspielen kann.
Es gibt Kopierschütze, die mir vorschreiben (wollen) was ich sonst für Software auf meinem Rechner installiert haben darf. Diverse Kopierschütze müllen das System unverhältnismässig stark zu und lassen sich anschliessend nicht mehr sauber entfernen. Manche Spiele erfordern mittlerweile eine ständige Verdingung zum Internet, nerven mit zahlreichen Plattformen die im Hintergrund laufen müssen (Steam, GamesForWindows, Ubisoft Network(?)....), die - wenn man schonmal dabei ist - auch munter meine Daten abgreifen und z.T. weiterverkaufen. Spiele lassen sich nur begrenzt oft installieren (und bereits ein Hardwarewechsel erzwingt eine weitere Aktivierung) und zum Spielen muss zwangsweise die Disc im Laufwerk liegen. Filme nerven mit minutenlanger Werbung, Trailern, Einblendern, die sich nicht überspringen lassen. mp3's sind mit DRM verseucht und lassen sich ebenfalls nicht unbeschränkt auf allen Geräten nutzen die man besitzt, obwohl man sie legal erworben hat.
Wohingegen der Pirat nichts von alledem mitbekommt.
(2) Die Preisgestaltung
Ich will hier nicht bewerten wie teuer/billig eine Software sein muss. Aber einen Hinweis auf die Denkweise der Industrie liefern alternative Vertriebswege wie Downloads. Software und mp3's, die über digitalem Weg vertrieben werden kosten - obwohl die Produktion/Vertrieb erheblich weniger Geld kostet - das selbe Geld wie die "vollständigen" Retailboxen. Moralisch richtig und als guter Kaufanreiz wäre es sicherlich, wenn die Industrie die Kosteneinsparungen (Produktionskosten, Dritthändler...) an den Kunden weitergeben würde. Passieren tut dies freilich nicht. Hinzu kommen weitere Einschränkungen wie unmöglicher weiterverkauf. Da wundert es mich nicht, dass sich viele potentielle Kunden verarscht fühlen. Digitaler Download wäre sicherlich eine gute Sache, wenn beide Seiten davon profitieren. Der Anbieter erhöht seine Verkäufe und senkt seine Kosten, währen der Kunde einen (gerechtfertigten!) Preisvorteil erhält. Momentan profitiert aber nur eine Seite von den Downloads: Die Industrie.
Und um doch mal auf die Preise zurückzukommen, die scheinbar möglich sind: In GB sind Videospiele z.T. 50% oder noch mehr günstiger. Ein Aliens vs. Predator kostet dort neu bei Amazon ~21 Euro (18 Pfund), während man bei uns 49€ bezahlt. Auch in den USA sind die Preise erheblich niedriger, da viele Hersteller ihren US Preis meist 1:1 in Euro umwandeln. Von den Preisen in China und Russland muss man kaum reden. Warum zahlen wir also in Europa soviel Geld, wenn es doch scheinbar auch wesentlich günstiger geht, womit der Kaufanreiz steigen würde. Ich bezweifel ernsthaft, dass die Industrie ihre Produkte in China unter den Produktionskosten verkauft, weil dass so nette Menschen sind. Auch dort machen sie rentable Gewinne. Nein, stattdessen muss ich hier in Deutschland das doppelte bis dreifache für einen Steamdownload ausgeben wie der Brite für seine Retail-Box. Es geht hier auch um eine gewisse Fairness gegenüber dem Kunden. Ich habe nicht das Gefühl, dass man mich als Kunden fair behandelt und das ärgert mich. Für 17-25 Euro würde ich mir sicherlich 3 - 4x soviele Spiele kaufen wie momentan, denn es gibt mehr als genug, was mich interessiert.
(3) Geschäftsgebahren vieler Hersteller
Vorallem die Spielehersteller sind ungemein kreativ damit, ihren Kunden mit technischem Mitteln noch mehr Geld abzuschröpfen als bisher schon. Bekam man vor 10 Jahren für seine 80 Mark ein paar CD's mit dem Spiel drauf und damit war die Sache erledigt sieht es heute doch wohl eher so aus:
Die Hersteller streichen Features des Spiels (LAN Modus, Dedicated Server...) die früher selbstverständlich waren, zwingen die Spieler so auf die Online-Plattformen der Hersteller (die früher nicht nötig waren), verlangen dafür teilweise Geld(!) und stellen nach einigen Jahren wenn der Nachfolger in den Startlöchern steht die Server ab und machen das Spiel damit unbrauchbar. Die Hersteller gehen extrem gegen den Gebrauchtmarkt vor und versuchen durch Accountbindung, AGB etc. mein Recht auf Weiterverkauf einzuschränken oder ganz zu behindern. Die absolute Spitze der Unverschämtheit ist momentan
Socom: U.S. Navy Seals Fireteam Bravo, dessen Multiplayermodus nur per DLC aktiviert werden kann und dadurch nicht weiterverkauft werden kann. Wer das Spiel gebraucht kauft muss 20 Dollar an den Hersteller abdrücken für Onlinespiele. Solch einem Hersteller kann man nur die Insolvenz wünschen.
Von Dingen wie DLC die zum Release fertig sind (Sprich: Levels aus der fertigen Version herausnehmen und extra verkaufen) will ich jetzt gar nicht erst anfangen. Auch nicht davon, dass solche Dinge wie Mappacks und Bonusmissionen vor einigen Jahren selbstverständlich (und kostenlos!) waren. Heute will man uns für 3 Multiplayermaps oder eine Bonusmission jeweils 10 Euro aus der Tasche ziehen.
Die Dreistigkeit der Hersteller kennt scheinbar keine Grenzen. Opel könnte ja mal versuchen, Ersatzteile nur noch an Neuwagen-Käufer zu verkaufen und unter der Hand verkaufte Ersatzteile als "illegal" deklarieren. Oder sie sollten ein Lenkradschloss entwickeln, welches Accountgebunden an den Originalbesitzer ist und sich beim Weiterverkauf nicht mehr lösen lässt, wenn man nicht von Opel eine Lizenz für 5000€ kauft. Ich wette der Verbraucherschutz wäre hocherfreut und die Absatzzahlen von neuen Opel-Wagen würde enorm steigen. Natürlich ist Opel nicht in der Lage, soetwas durchzusetzen und deswegen versuchen sie es nicht. Die Softwareindustrie IST leider aufgrund der Beschaffenheit der Produkte in der Lage soetwas zu tun und da die Gier scheinbar keine Grenzen kennt versuchen sie es auch. Ich bin überrascht, woher plötzlich die Verwunderung kommt, dass der Kunde sich soetwas nicht bieten lassen möchte.
(4) Herangehensweise an das Problem "Kopie"
Ebenfalls völlig unangemessen ist die Art und Weise, mit der Politik und Industrie zusammenarbeiten und nicht nur das Vertrauen der Bürger in Demokratie und Moral erschüttern, sondern auch dafür sorgen, dass manch einer sich denkt: "Diesen Leuten schmeiß ich nicht auch noch mein Geld in den Rachen". Von Knebelverträgen hinter verschlossenen Türen, "Three-Strikes-Gesetzen", Datenschutzvergehen bis hin zu unsäglichen Wortschöpfungen wie "Raubkopie" ist alles dabei. Während der ehrliche Kunde immer weiter seinen Rechten beschnitten wird (Datenschutz, Weiterverkauf, Accountbindung, abgeschaltete Multiplayer-Server...) nehmen sich die Hersteller immer mehr Freiheiten heraus um ihre Interessen zu wahren oder schlicht um dem Kunden auf jedem möglichen und unmöglichen Weg noch mehr Geld herauszupressen.
Unverständlich ist auch, warum man z.B. auf Brenner, Rohlinge, Drucker.... eine Gebühr bezahlt, welche nach einem Schlüssel an die Industrie geht um Urheberrechtsverletzungen auszugleichen. Das ist richtig: Sobald man einen Rohling kauft zahlt man dafür, dass man etwas illegal brennen könnte. Ob man es tut oder nicht sei völlig dahingestellt: Man zahlt trotzdem. D.h. wir zahlen alle eine Abgabe, weil wir pauschal verdächtig werden zu kopieren. Kopieren dürfen wir aber trotzdem nicht und wenn wir dabei erwischt werden wird es erst richtig teuer. Und Handlanger dabei ist der deutsche Staat. Nach dieser Logik könnte ich morgen Kindergeld beantragen. Ich habe zwar kein Kind, aber das Gerät, um eines zu machen. Oder aber man knüpft jedem Autofahrer monatlich Geld ab für seine Geschwindigkeitsübertretungen und sein Falschparken. Ob man tatsächlich zu schnell fährt und falsch parkt interessiert nicht: Man könnte.
Viele Leute ärgern sich auch über die Art und Weise, wie die Industrie mit Zahlen jongliert und Lobbyarbeit betreibt. Die angeblichen Millionenschäden, welche Filesharing und Co. produzieren existieren nicht. Ja, Raubkopien schaden der Industrie, aber bei weiten nicht in dem Ausmaß, dass suggeriert werden soll. Nicht jede Kopie wäre zwangsläufig ein Kauf gewesen. Wie schon jemand sagte: Viele Teenies, die sich ihre Spiele saugen könnten sie nicht bezahlen und d.h. sie würden nicht zum Kunden werden und erzeugen demnach auch keinen Schaden. Weder beim Produzenten,
noch beim Zweischenhändler. Ja, illegal ist es trotzdem. Aber das Argument "Wenn man etwas nicht bezahlen kann, kann man es auch nicht benutzen" zieht hier nicht. Ein Videospiel ist kein Produkt. Beim kopieren geht kein tatsächlicher Warenwert verloren, wenn das Produkt ohne Kopieren nicht gekauft worden wäre. Hier ist eine klare Differenzierung in der Diskussion nötig. Unsachliche Phrasendrescherei wie Raubkopierer bringen uns kein Stück weiter und sorgen nun wirklich nicht zur Versachlichung. Nicht umsonst haben viele den Begriff mittlerweile zu "Raubmordkopierer" persifliert.
Werbespots wie "Raubkopierer sind Verbrecher und wandern 5 Jahre in's Kittchen" tragen sicher auch nicht zum Image der Industrie bei und stoßen nicht zu unrecht auf Unverständnis, wenn man sich mal vor Augen hält, was manch einer für Köperverletzung, Totschlag oder Vergewaltigung erhält. Hier wird auch das Vertrauen in den Staat und die Demokratie erschüttert.
Kopien sind und bleiben illegal.
Jedoch: Solange die Industrie glaubt, mit unattraktiven Produkten, Lobbyarbeit, Repressalien, Untergrabung der Freiheit und kompromissloser Gewinnmaximierung Raubkopien einzuschränken, solange wird dies nicht gelingen. Die Industrie muss aufhören, den Kunden als Feind zu betrachten, sondern ihm etwas anbieten, für das er auch bereit ist, Geld auszugeben. Qualität setzt sich durch und Qualität wird auch gekauft. Vielleicht sollte die Industrie ihre Energie lieber darin stecken, hochqualitative, attraktive Produkte zu entwickeln, anstatt sie dazu für verschwenden, halbgare Produkte mit kostspieligen Sicherungssystemen an den Mann zu bringen. Und sie sollte aufhören, sich über die Kaufsmoral der Kunden zu beschweren, wenn sie selbst zu unmoralischen Mitteln wie den hier genannten greifen, bei denen sich der Kunde zurecht auf den Arm genommen führt.
Von der Gesetzesseite ist die Industrie zweifellos im Recht. Ich kann aber durchaus die Sichtweise der Leute verstehen, die sich dieses Gebahren nicht mehr bieten lassen wollen. Meinen Sinn für Gerechtigkeit und Fairness sprechen die Mittel und Wege der Industrie auch nicht an. Es gibt immer zwei Seiten und wen mir jemand weiss machen möchte, die Welt wäre schwarz/weiß, dann werde ich plötzlich ganz schnell ganz aufmerksam.