Ich bin Lehrer an einer Berufsschule, bilde Erzieher_Innen aus und an unserer Schule für das Projekt "Lernen mit digitalen Medien" verantwortlich. Ich betreibe also Erwachsenenbildung und kann mich mit meinen Erfahrungen auch nur darauf beziehen.
Meine Haltung zu dem Thema:
- Digitale Medien sind in unseren Alltag weitgehend integriert und bestimmen maßgeblich die Art und Weise mit, wie wir unser (soziales) Leben gestalten. Spätestens mit Alexa und Co. sind wir 24/7 von digitalen Medien umstellt. Der Smartphonebesitz bei Jugendlichen liegt laut aktueller JIM-Studie bereits bei 98% und bei 8-10 Jährigen laut KIM-Studie irgendwo bei 70-80%. Tendenz natürlich steigend.
- Für die selbstbewusste und selbstgesteuerte Teilhabe an der Gesellschaft ist eine kritisch-fundierte Nutzung digitaler Medien heutzutage notwendig. Ich sehe kein vernünftiges Argument, welches dagegen spräche, Medienkompetenz heutzutage zu einer Kernkompetenz zu erklären.
- Es gibt ausgearbeitete Modelle von Medienkompetenz, z.B.:
https://ormedien.nline.nibis.de/nibis.php?menid=119
- Zur Medienkompetenz gehören nicht lediglich Anwendungsskills, sondern vor allem auch Reflexions- und Beurteilungsfähigkeit. (Medienkritik, Medienethik etc.)
- Schule ist als staatliche Pflichtveranstaltung die Institution, die Medienkompetenzentwicklung mit der größten Breitenwirkung anregen kann. Ich halte überhaupt nichts davon, digitale Medien aus Schulen heraus zu halten. Wo sonst sollten Kinder und Jugendliche Medienkompetenz erwerben? Wer spricht mit Kindern und Jugendlich z.B. über Datenschutz, wenn nicht kompetente Lehrkräfte?
Meine Erfahrungen zum Thema:
- Für uns Lehrkräfte ist das Ganze weitgehend Neuland. Wir stehen gerade am Anfang, die Medienkompetenzen sowie die didaktischen und methodischen Ideen zu entwickeln, um Medienkompetenz überhaupt mit Impulsen und durch intensive Begleitung und Beratung anregen zu können.
- Da alle was vom Kuchen abhaben wollen, gibt es mittlerweile so viele Angebote und Tools im Bereich des Lernens mit digitalen Medien, dass man diese auch als interessierte Lehrkraft kaum überblicken kann. Leider sind viele Tools totaler Schrott und pädagogisch im Mindesten bedenklich. Das schreckt viele Lehrkräfte leider ab bzw. vermittelt ein falsches Bild vom pädagogischen Potential digitaler Medien (ja, gibt es tatsächlich! Ich schwör!)
- Digitale Medien werden von vielen Lehrkräften so kritisch beäugt, dass man diese lieber aus der Schule raushalten möchte. Überhaupt ist der Gedanke von Schule als Schonraum, in den wir möglichst wenig von der "gefährlichen" Gesellschaft reinlassen, m.E. noch sehr verbreitet. Letztendlich wird dieser Gedanke aber dann dysfunktional, wenn die Schüler mit dem Smartphone unterm Tisch Zugang zu allem haben, was das WWW anbietet. Die Macht des Kulturfilters haben wir heute einfach nicht mehr.
- Überhaupt ist das alte Frontalunterrichtsthema sehr verbreitet. Die Lehrkraft filtert aus der Kultur für die Altersstufe zumutbare Inhalte, fungiert im Unterricht als Distributor dieser Inhalte (Zettel verteilen) und organisiert bis ins Kleinste die Art und Weise, wie Kinder und Jugendliche diese Inhalte lernen.
- Man kauft sich immer auch IT-Unternehmen mit in die Schule ein. Das ist m.E. aber etwas, was man akzeptieren muss. Wir arbeiten bei uns mit einem BYOD-Konzept. Das kann man zumindest in der Erwachsenenbildung so machen.
Beste Grüße!