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Liebe Community,
wie viele von euch durch das Verfolgen von Netzpolitik-News hier und anderswo vermutlich mitbekommen haben, steht die Europäische Union kurz vor Verabschiedung einer Urheberrechtsreform. Während die meisten Bestandteile der Reform als sinnvoll gelten, bedroht #Artikel13 das ComputerBase-Forum sowie andere Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten im Speziellen und die Meinungsfreiheit sowie den Datenschutz im Allgemeinen. Worum geht es?
Aktuell sieht die Gesetzeslage noch wie folgt aus: Wenn wir als Betreiber des ComputerBase-Forums darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass ein Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begangen hat (zum Beispiel weil er einen Text, ein Bild oder eine sonstige Datei unerlaubt in das ComputerBase-Forum kopiert oder „hochgeladen“ hat), dann müssen wir darauf binnen 24 Stunden reagieren – überlicherweise durch Löschung des jeweiligen Inhalts („Notice and Takedown“). Nur wenn wir diese Frist verstreichen lassen, können wir für die Urheberrechtsverletzung eines Nutzers belangt werden.
Der umstrittene Artikel 13 (PDF) würde kommerzielle Online-Plattformen wie das ComputerBase-Forum sofort für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte verantwortlich machen und sie effektiv zur Einführung von Uploadfiltern zwingen, die wiederum aus mehreren Gründen hochproblematisch sind. Doch der Reihe nach.
In einem ersten Schritt würde Artikel 13 uns dazu verpflichten, uns für alle potenziell in das ComputerBase-Forum eingestellten/hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalte vorab um Lizenzen zu bemühen. Weil man im ComputerBase-Forum beliebige – wenn auch nur relativ kleine – Dateien hochladen kann, hieße das irrsinnigerweise, dass wir uns für effektiv alle weltweit existierenden Texte, Bilder, Videos und sonstige Dateien um Lizenzen bemühen müssten. Schon nur für Texte wäre das unrealistisch. (Hier merkt man sehr deutlich, dass beim Entwurf der Richtlinie offenbar der Konflikt zwischen der GEMA und YouTube im Vordergrund stand, bei dem es für YouTube nur wenige Ansprechpartner in Form von Verwertungsgesellschaften gibt und es nur um einen bestimmten Inhaltstyp, nämlich Audio- und Video-Dateien, geht. Es gibt aber gar nicht für alle Bereiche Verwertungsgesellschaften. Und selbst wenn, dann in der Regel mit geografischen Einschränkungen.)
Dass es im relativ streng moderierten ComputerBase-Forum zwar viele urheberrechtlich geschützte Inhalte gibt (jeder nicht allzu kurze/triviale Forumbeitrag erreicht die dafür erforderliche Schöpfungshöhe), aber es nicht zu Urheberrechtsverletzungen in nennenswertem Umfang kommt, spielt für die Anwendbarkeit von Artikel 13 übrigens keine Rolle: Er gilt schlicht für alle kommerziellen Online-Plattformen mit großen Mengen urheberrechtlich geschützter nutzergenerierter Inhalte.
Sich vorab Lizenzen zu besorgen ist in unserem Fall also unrealistisch. Artikel 13 besagt nun weiter, dass wenn ein Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begeht und wir keine solche Lizenz nachweisen können, dann wir als Plattform sofort (also ohne 24-Stunden-Frist) für diese Urheberrechtsverletzung belangt werden können. Es sei denn, wir könnten unter anderem nachweisen, dass wir mit einem Uploadfilter das Einstellen/Hochladen von Inhalten unterbinden, deren digitalen Fingerabdruck uns Rechteinhaber zur Verfügung gestellt haben. (Das Wort „Uploadfilter“ taucht in der Richtlinie zwar nicht auf, sondern wird nur umschrieben, aber das ändert faktisch nichts.) (Zwar weckt das Wort „Upload“ eine Assoziation mit Datei-Uploads, aber alle nicht allzu kurzen/trivialen Forumbeiträge sind genauso urheberrechtlich geschützt und fallen daher genauso unter die Regelung.)
Uploadfilter sind aus mehreren Gründen problematisch:
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber fasst es gut zusammen: „Wenn die EU der Auffassung ist, dass Plattformbetreiber auch ohne Uploadfilter ihrer neuen Verantwortung sinnvoll nachkommen können, muss sie dies klar darlegen. Ich bin insofern auf die angekündigte Handlungsempfehlung der Kommission sehr gespannt. Andernfalls müssen die Pläne aus datenschutzrechtlicher Sicht noch einmal grundlegend überarbeitet werden.“
Die drei in Artikel 13 vorhandenen Ausnahmekriterien für kleine und mittelgroße Plattformen (< 10 Millionen Euro Jahresumsatz, < 5 Millionen Nutzer pro Monat, < 3 Jahre alt) haben praktisch keine Relevanz, denn eine Plattform müsste nicht eine, sondern alle drei Kriterien erfüllen, um von Uploadfiltern verschont zu bleiben. Plattformen, die älter als 3 Jahre sind, fallen also ganz unabhängig von ihrer Größe aus dieser Ausnahmeregelung raus und werden zu Uploadfiltern gezwungen. Wenn es die Intention der Befürworter von Artikel 13 ist, nur große Plattformen wie Facebook und YouTube zu treffen, wird dieses Ziel verfehlt (was das Vorhaben, wie oben erläutert, aber insgesamt kaum besser machen würde).
Die einzige Hürde, die die Urheberrechtsreform noch nehmen muss, ist die Ende März stattfindende letzte Abstimmung im EU-Parlament. Dessen 751 Abgeordnete wurden direkt vom Volk gewählt und möchten bei der Europawahl im Mai wiedergewählt werden. Insbesondere in der konservativen CDU bzw. EVP um Axel Voss, aber auch unter einigen Abgeordneten von SPD und Grünen, findet die Kritik an Artikel 13 bislang kaum Gehör. Wenn genügend Abgeordnete zu dem Schluss kommen, dass #Artikel13 ein wichtiges Wahlkampfthema ist, könnte sie das zum Überdenken ihrer Position bewegen. Nicht die EU an sich ist das Problem, sondern bestimmte Abgeordnete und Parteien sind sich der Tragweite von Artikel 13 offenbar nicht bewusst.
Was können wir tun?
Das ComputerBase-Team
Update 14.3.: Offener Brief „Foren gegen Upload-Filter“ an die Abgeordneten des EU-Parlaments (PDF).
Update 19.3.: Offener Brief von 130 Unternehmen an die Abgeordneten des EU-Parlaments (PDF).
Update 21.3.: Wir schalten das ComputerBase-Forum heute zwar nicht ab, möchten aber noch einmal auf den europaweiten Demo-Tag am 23. März aufmerksam machen. #Blackout21 #SaveYourInternet
Update 22.3.: Wir haben Teile dieser Ankündigung deutlich überarbeitet, damit klarer wird, was Artikel 13 speziell für Foren wie das ComputerBase-Forum bedeuten würde.
Update 23.3.: Heute haben in Deutschland und Europa über 100.000 Menschen gegen die Urheberrechtsreform – und insbesondere Artikel 13 – demonstriert. Was die inhaltliche Auseinandersetzung mit Artikel 13 angeht, können wir ein Streitgespräch zwischen dem GEMA Chef-Justiziar Tobias Holzmüller und Rechtsanwalt Christian Solmecke empfehlen.
Update: 26.3.: Das EU-Parlament hat die Urheberrechtsrichtlinie durchgewunken.
Liebe Community,
wie viele von euch durch das Verfolgen von Netzpolitik-News hier und anderswo vermutlich mitbekommen haben, steht die Europäische Union kurz vor Verabschiedung einer Urheberrechtsreform. Während die meisten Bestandteile der Reform als sinnvoll gelten, bedroht #Artikel13 das ComputerBase-Forum sowie andere Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten im Speziellen und die Meinungsfreiheit sowie den Datenschutz im Allgemeinen. Worum geht es?
Aktuell sieht die Gesetzeslage noch wie folgt aus: Wenn wir als Betreiber des ComputerBase-Forums darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass ein Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begangen hat (zum Beispiel weil er einen Text, ein Bild oder eine sonstige Datei unerlaubt in das ComputerBase-Forum kopiert oder „hochgeladen“ hat), dann müssen wir darauf binnen 24 Stunden reagieren – überlicherweise durch Löschung des jeweiligen Inhalts („Notice and Takedown“). Nur wenn wir diese Frist verstreichen lassen, können wir für die Urheberrechtsverletzung eines Nutzers belangt werden.
Der umstrittene Artikel 13 (PDF) würde kommerzielle Online-Plattformen wie das ComputerBase-Forum sofort für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte verantwortlich machen und sie effektiv zur Einführung von Uploadfiltern zwingen, die wiederum aus mehreren Gründen hochproblematisch sind. Doch der Reihe nach.
In einem ersten Schritt würde Artikel 13 uns dazu verpflichten, uns für alle potenziell in das ComputerBase-Forum eingestellten/hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalte vorab um Lizenzen zu bemühen. Weil man im ComputerBase-Forum beliebige – wenn auch nur relativ kleine – Dateien hochladen kann, hieße das irrsinnigerweise, dass wir uns für effektiv alle weltweit existierenden Texte, Bilder, Videos und sonstige Dateien um Lizenzen bemühen müssten. Schon nur für Texte wäre das unrealistisch. (Hier merkt man sehr deutlich, dass beim Entwurf der Richtlinie offenbar der Konflikt zwischen der GEMA und YouTube im Vordergrund stand, bei dem es für YouTube nur wenige Ansprechpartner in Form von Verwertungsgesellschaften gibt und es nur um einen bestimmten Inhaltstyp, nämlich Audio- und Video-Dateien, geht. Es gibt aber gar nicht für alle Bereiche Verwertungsgesellschaften. Und selbst wenn, dann in der Regel mit geografischen Einschränkungen.)
Dass es im relativ streng moderierten ComputerBase-Forum zwar viele urheberrechtlich geschützte Inhalte gibt (jeder nicht allzu kurze/triviale Forumbeitrag erreicht die dafür erforderliche Schöpfungshöhe), aber es nicht zu Urheberrechtsverletzungen in nennenswertem Umfang kommt, spielt für die Anwendbarkeit von Artikel 13 übrigens keine Rolle: Er gilt schlicht für alle kommerziellen Online-Plattformen mit großen Mengen urheberrechtlich geschützter nutzergenerierter Inhalte.
Sich vorab Lizenzen zu besorgen ist in unserem Fall also unrealistisch. Artikel 13 besagt nun weiter, dass wenn ein Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begeht und wir keine solche Lizenz nachweisen können, dann wir als Plattform sofort (also ohne 24-Stunden-Frist) für diese Urheberrechtsverletzung belangt werden können. Es sei denn, wir könnten unter anderem nachweisen, dass wir mit einem Uploadfilter das Einstellen/Hochladen von Inhalten unterbinden, deren digitalen Fingerabdruck uns Rechteinhaber zur Verfügung gestellt haben. (Das Wort „Uploadfilter“ taucht in der Richtlinie zwar nicht auf, sondern wird nur umschrieben, aber das ändert faktisch nichts.) (Zwar weckt das Wort „Upload“ eine Assoziation mit Datei-Uploads, aber alle nicht allzu kurzen/trivialen Forumbeiträge sind genauso urheberrechtlich geschützt und fallen daher genauso unter die Regelung.)
Uploadfilter sind aus mehreren Gründen problematisch:
- Meinungsfreiheit und Fehleranfälligkeit: Uploadfilter sind ein technisch weitgehend ungelöstes Problem. „Content-ID“ von YouTube kann nur mit Audio/Video umgehen und trifft immer wieder falsche Entscheidungen. Insbesondere die Frage, was Parodie ist und was nicht, beschäftigt monatelang Gerichte und kann nicht von einer Künstlichen Intelligenz entschieden werden. Wenn die GEMA die Unterscheidung zwischen Original und Parodie auf eine Komplexitätsstufe mit einer simplen Einparkhilfe stellt, ist das einfach nur naiv.
- Aufwand/Kosten: Der erforderliche Aufwand, um solche Uploadfilter zu entwickeln und zu betreiben, übersteigt die Kapazitäten von ComputerBase und anderen kleinen und mittelgroßen Online-Plattformen bei weitem (insbesondere dann, wenn es nicht nur um einen Textabgleich, sondern auch um Mustererkennung in Bildern und Videos geht). Vermutlich wären nur Internetgiganten wie Facebook und Google dazu in der Lage, deren Uploadfilter-Service dann von den anderen Online-Plattformen genutzt (und vermutlich bezahlt) werden müsste. Eventuell müssten Foren schließen.
- Datenschutz: Es wäre aus Datenschutzgründen höchst bedenklich, wenn ohnehin schon als „Datenkraken“ bezeichnete Unternehmen wie Facebook und Google auch noch alle Daten anderer Online-Plattformen frei Haus geliefert bekämen.
- Zensur: Die Betreiber von Uploadfilter-Diensten bekämen eine enorme Macht darüber, was im ComputerBase-Forum und anderswo gesagt werden darf und was nicht. Und wenn erstmal jede nennenswerte Online-Plattform Uploadfilter eingeführt hat, ist damit die Infrastruktur für Zensur geschaffen.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber fasst es gut zusammen: „Wenn die EU der Auffassung ist, dass Plattformbetreiber auch ohne Uploadfilter ihrer neuen Verantwortung sinnvoll nachkommen können, muss sie dies klar darlegen. Ich bin insofern auf die angekündigte Handlungsempfehlung der Kommission sehr gespannt. Andernfalls müssen die Pläne aus datenschutzrechtlicher Sicht noch einmal grundlegend überarbeitet werden.“
Die drei in Artikel 13 vorhandenen Ausnahmekriterien für kleine und mittelgroße Plattformen (< 10 Millionen Euro Jahresumsatz, < 5 Millionen Nutzer pro Monat, < 3 Jahre alt) haben praktisch keine Relevanz, denn eine Plattform müsste nicht eine, sondern alle drei Kriterien erfüllen, um von Uploadfiltern verschont zu bleiben. Plattformen, die älter als 3 Jahre sind, fallen also ganz unabhängig von ihrer Größe aus dieser Ausnahmeregelung raus und werden zu Uploadfiltern gezwungen. Wenn es die Intention der Befürworter von Artikel 13 ist, nur große Plattformen wie Facebook und YouTube zu treffen, wird dieses Ziel verfehlt (was das Vorhaben, wie oben erläutert, aber insgesamt kaum besser machen würde).
Die einzige Hürde, die die Urheberrechtsreform noch nehmen muss, ist die Ende März stattfindende letzte Abstimmung im EU-Parlament. Dessen 751 Abgeordnete wurden direkt vom Volk gewählt und möchten bei der Europawahl im Mai wiedergewählt werden. Insbesondere in der konservativen CDU bzw. EVP um Axel Voss, aber auch unter einigen Abgeordneten von SPD und Grünen, findet die Kritik an Artikel 13 bislang kaum Gehör. Wenn genügend Abgeordnete zu dem Schluss kommen, dass #Artikel13 ein wichtiges Wahlkampfthema ist, könnte sie das zum Überdenken ihrer Position bewegen. Nicht die EU an sich ist das Problem, sondern bestimmte Abgeordnete und Parteien sind sich der Tragweite von Artikel 13 offenbar nicht bewusst.
Was können wir tun?
- Einen kleinen Beitrag kann man durch Unterzeichnen der Petition leisten.
- Welche deutschen EU-Abgeordneten konkret noch umgestimmt werden müssen, wie man Kontakt aufnimmt und wie man dabei am geschicktesten vorgeht, erfährt man auf den Websites #SaveYourInternet, Save the Internet und Pledge 2019. Speziell Foren wie das ComputerBase-Forum betreffende Informationen und Formulierungshilfen findet man auch auf der Website Foren gegen Upload-Filter.
- Damit der Protest nicht nur virtuell existiert, finden Demonstrationen statt: Am 2. März 2019 (also diesen Samstag) gibt es in Berlin die Demo Berlin gegen 13 und am 23. März folgen europaweite Demonstrationen. (Bereits vor knapp zwei Wochen fand in Köln eine kurzfristig organisierte Demo gegen Artikel 13 statt.)
Das ComputerBase-Team
Update 14.3.: Offener Brief „Foren gegen Upload-Filter“ an die Abgeordneten des EU-Parlaments (PDF).
Update 19.3.: Offener Brief von 130 Unternehmen an die Abgeordneten des EU-Parlaments (PDF).
Update 21.3.: Wir schalten das ComputerBase-Forum heute zwar nicht ab, möchten aber noch einmal auf den europaweiten Demo-Tag am 23. März aufmerksam machen. #Blackout21 #SaveYourInternet
Update 22.3.: Wir haben Teile dieser Ankündigung deutlich überarbeitet, damit klarer wird, was Artikel 13 speziell für Foren wie das ComputerBase-Forum bedeuten würde.
Update 23.3.: Heute haben in Deutschland und Europa über 100.000 Menschen gegen die Urheberrechtsreform – und insbesondere Artikel 13 – demonstriert. Was die inhaltliche Auseinandersetzung mit Artikel 13 angeht, können wir ein Streitgespräch zwischen dem GEMA Chef-Justiziar Tobias Holzmüller und Rechtsanwalt Christian Solmecke empfehlen.
Update: 26.3.: Das EU-Parlament hat die Urheberrechtsrichtlinie durchgewunken.
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