Tuxman
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(Ja, das ist ein langer Beitrag, und ja, er ist von mir.)
Der Zauber der Piratenpartei ist verflogen. Aber woran liegt das?
Es liege daran, dass die Partei zerstritten sei, trompeten die Medien herum; gemessen wird das an knapper Kommunikation auf Twitter und daran, dass Selbstdarsteller wie die treibenden Kräfte in der Piratenpartei Berlin sich zu akzeptieren weigern, dass sie in einer basisdemokratischen Partei grundsätzlich erst mal eine Nummer zu ziehen haben, bevor sie die Klappe aufreißen. (Christopher Lauer geht selbst mir als Nichtberliner gehörig auf die Nerven, und ich distanziere mich präventiv von jeder seiner vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen politischen und persönlichen Äußerungen.)
Aber die Piratenpartei ist gar nicht so sehr zerstritten, wie es gern kommuniziert wird. Richtig ist, dass mit dem Verzicht auf Fraktionszwang und der Sache mit der Basisdemokratie auch jedes Mitglied der Partei nicht nur das Recht erhält, anderer Meinung als die Mehrheit zu sein, sondern auch die implizite Pflicht, das deutlich mitzuteilen, um an der Mehrheitsmeinung eventuell argumentativ etwas ändern zu können. Die Präsentation als transparente Partei hebt innerparteiliche Querelen natürlich deutlicher hervor als solche in einer stocksteifen Altpartei wie der CDU; man glaube jedoch nur nicht, dass in diesen Parteien nur Menschen zu finden sind, die nie ausfallend werden, ihren Vorständen nach dem Mund reden und abends brav ihr Tellerchen leerfuttern. Ausnahmen werden jedoch schlicht nicht gefragt. Es ist so furchtbar einfach, den Zerfall der Piratenpartei zu begründen, wenn man ein so genannter "Journalist" ist: Man schaut kurz den Lauf der Dinge an und notiert alles, was anders ist als bei klassischen Parteien. Das ist dann der Grund. (Dass die Piratenpartei auf Parteitagen keine Delegationen, sondern ausschließlich Mitglieder, kennt, verstehen sie aber auch nach bald sieben Jahren noch nicht.) Natürlich brüllen sich Piraten auf Twitter mehr an als Mitglieder von CDU, SPD und Grünen. Die haben nämlich alle kein Twitter.
Wenn man aber selbst in das Geschehen in der Partei involviert ist, wenn man gar seit Jahren ihre Entwicklung aktiv mitverfolgt und teilweise -gestaltet hat, stellt man ganz andere Dinge fest.
Ein Rückblick: Im Jahr 2009, während der "Zensursula"-Debatte, machte die Piratenpartei quasi aus dem Nichts einen großen Sprung nach vorn. Sie ging auf die Straße und erklärte auch der politisch wenig interessierten älteren Generation, warum Internetsperren nicht nur bedeuten, dass die Kinder keine Pornos mehr gucken können. Der Erfolg wurde zur Legende. Die Piratenpartei festigte ihr Profil als Partei für das digitale Zeitalter und bestand in der Öffentlichkeit darauf, dass sie an der Einordnung im klassischen politischen Spektrum ("links" und "rechts") ebenso wenig Interesse hat wie daran, auf alles eine umfassende Antwort geben zu können. Piraten seien Nerds, hieß es damals, denen es darum gehe, Deutschland auf das Dasein in einer globalisierten, digital vernetzten Welt vorzubereiten. Das Ziel der Piratenpartei sei es, überflüssig zu werden. Ich habe den Eindruck, dieses Ziel verfolgt sie inzwischen auf dem falschen Weg.
In der Präambel des Parteiprogramms der Piratenpartei Deutschland steht bis heute:
Das ist mittlerweile eine glatte Lüge.
Mit der großen Eintrittswelle 2009, die auch mich in die Parteipolitik spülte, wurde der bis dahin überschaubare Kreis von Leuten, die sich zu einem beachtlichen Teil seit Jahren kannten, zum Zufluchtsort von Menschen aus allen möglichen politischen Strömungen, von "ganz weit links" bis "ganz weit rechts". Das rief die Medien auf den Plan, die sich das Phänomen Piratenpartei in der direkten Folge mal genauer ansehen wollten. Diese Medien waren bis dahin hohl daherplappernde Blitzbirnen von CDU, SPD, Grünen, F.D.P. und PDS/Linke gewohnt, die auf alles eine wenig fundierte Antwort zu geben wussten. Angela Merkel hat diese Technik später perfektioniert, indem sie für alles eine gemeinsame Lösung finden wollte. So blieb es nicht aus, dass die Piratenpartei immer wieder gefragt wurde, was sie zur Eurokrise, zur Atomenergie, zu EU-Bananennormen oder ähnlich relevanten politischen Alltagsfragen beizutragen wisse. Die elegante Antwort, das sei für Piraten schlicht nicht von Bedeutung, wurde bald fallen gelassen, da irgendjemand der Idee verfallen war, es sei irgendwie von Belang, was klassische Medien, die nach inhaltsfreien Phrasen und nicht nach politisch bedeutsamen Überzeugungen lechzen, über einen progressiven Politikstil schreiben.
So begannen die Probleme.
Ein Vollprogramm wuchs heran. Das ausgereifte und beispiellos erfolgreiche Kernprogramm, das zwar keine fünf Prozent im Bundestag, aber doch zumindest die Verhinderung der Internetsperren erreichen konnte, wurde erweitert. Unter den Erweiterungen waren nicht nur verständliche Inhalte wie Bildungspolitik (im Sinne von Bildung als Voraussetzung für Medienkompetenz und Teilhabe am digitalen Miteinander), sondern auch populäre Aussagen wie etwa zur Umweltpolitik mit Schwerpunkt auf dem Atomausstieg, bis dahin den Grünen vorbehalten, sowie ein ziemlich merkwürdiger Abschnitt über Migration, in dem sinngemäß steht, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass kein Volk per se expansorische Absichten hege (da kannte jemand die USA noch nicht), und die Piratenpartei setze sich gemeinsam gegen Rassismus ein. Mit diesen Erweiterungen verlor die Piratenpartei ihr bis dahin klares, einmaliges Profil als fokussierter Kämpfer für die Reformen, die Deutschland internettauglich machen sollten, und gab sich stattdessen nur allzu gern der bequemen Beliebigkeit hin.
Im Jahr 2009 fiel es mir noch leicht, auf die Frage, wofür die Piratenpartei eigentlich stehe, eine klare Antwort zu geben. Heute ist das nicht mehr ganz so einfach. Die Piratenpartei steht nicht mehr für etwas (nämlich für ein reformiertes Urheberrecht und unbegrenzte digitale Kommunikation), sie steht vor allem gegen etwas; gegen Atomkraft, gegen Nazis, gegen Zeitreisen und vor allem gegen sich selbst. Dass es in der Partei Arbeitsgemeinschaften gibt, die alternative Programmentwürfe ausarbeiten, sei ehrenhalber erwähnt; die Erfolgsaussichten sehe ich jedoch inzwischen als recht gering ein. Die Piratenpartei ist jetzt irgendwie links, irgendwie für Umweltschutz und irgendwie für mehr Bürgerrechte. Also eigentlich wie die Grünen. Ich erwähnte es ja schon mehrfach:
Apropos Zeitreisen: Zu den running gags in der Piratenpartei gehörte es immer, dass man auf den ständigen Ernst auch mal verzichten konnte. Anträge für Zeitreisen wurden gestellt, Anträge für Gummibäume an Deutschlands Straßen sollten den Politikbetrieb satirisch aufs Korn nehmen. Der "Gummibaum-Antrag" wurde im Jahr 2012 auf einem Parteitag mit der Begründung, es sei nicht auszudenken, was die Medien dann von uns hielten, wenn wir Spaßanträge annähmen, abgelehnt. Ja, warum auch Spaß haben? Das ist alles ernste Politik hier, Spaß haben könnt ihr auch woanders, Kinder! Wären die Gründer der Piratenpartei Deutschland bereits tot, sie rotierten vermutlich im Grabe.
Das ist eine der beiden großen Schwierigkeiten in der Piratenpartei.
Während sich die Piratenpartei Deutschland also mit Aussagen zur Euro- und Europapolitik, zu Wind- und Atomkraft und zu Migration und kultureller Vielfalt bei den Medien anbiedert, statt die mediale Aufmerksamkeit dafür zu nutzen, darauf hinzuweisen, dass jeden Tag ein Stück des freien Internets stirbt, zerstört die Telekom die Netzneutralität. Das W3C führt DRM, also eine Lizenzverwaltung für Webinhalte, in den HTML5-Standard ein. Der einstige Vorbildkonzern Google macht seine offenen Schnittstellen zu. Gegen die Telekom wurde immerhin aktiv demonstriert. Die Piratenpartei schrieb ein paar entschlossene Pressemitteilungen dazu und beschloss sozusagen in einem Nebensatz, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, dass die Forderung nach unbedingter Netzneutralität nun offizielle Parteiposition ist, und damit war der Fall für sie erledigt.
Moment, die Piratenpartei macht also doch noch was mit Internet? Ja! Dies ist die zweite große Schwierigkeit in der Piratenpartei, sie hat mit der ersten zu tun: Das mit der Netzneutralität kam in euren, Medien, Berichten kaum vor - ihr wart tagelang damit beschäftigt, Johannes Ponaders Nachfolgerin Katharina Nocun zum neuen Gesicht der Piraten zu ernennen. Das nämlich ist, was für euch von Relevanz ist: Gesichter. Ihr wollt hofiert werden. Ihr wollt nicht nachdenken. Ihr wollt nicht verstehen. Ihr wollt keine progressiven Ansätze. Ihr wollt euch nicht anpassen, ihr wollt, dass die Welt sich euch anpasst. Ihr wolltet, dass die Piratenpartei ihr Profil aufgibt, weil euch das zu anstrengend war, und jetzt, da sie es getan hat, blökt ihr herum, dass sie ihren Charme verloren hat. Und ihr Blindfische von der Presse glaubt immer noch, das Problem der Piratenpartei wäre irgendwelcher Zwist im Bundesvorstand?
Ich hatte im Dezember 2012 einigermaßen ausführlich geschrieben, warum ich die Piratenpartei nicht in den deutschen Bundestag wählen werde. Seitdem hat sich manches verändert; leider nicht immer zum Besseren.
Wo bleibt eigentlich die Revolution?
Der Zauber der Piratenpartei ist verflogen. Aber woran liegt das?
Es liege daran, dass die Partei zerstritten sei, trompeten die Medien herum; gemessen wird das an knapper Kommunikation auf Twitter und daran, dass Selbstdarsteller wie die treibenden Kräfte in der Piratenpartei Berlin sich zu akzeptieren weigern, dass sie in einer basisdemokratischen Partei grundsätzlich erst mal eine Nummer zu ziehen haben, bevor sie die Klappe aufreißen. (Christopher Lauer geht selbst mir als Nichtberliner gehörig auf die Nerven, und ich distanziere mich präventiv von jeder seiner vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen politischen und persönlichen Äußerungen.)
Aber die Piratenpartei ist gar nicht so sehr zerstritten, wie es gern kommuniziert wird. Richtig ist, dass mit dem Verzicht auf Fraktionszwang und der Sache mit der Basisdemokratie auch jedes Mitglied der Partei nicht nur das Recht erhält, anderer Meinung als die Mehrheit zu sein, sondern auch die implizite Pflicht, das deutlich mitzuteilen, um an der Mehrheitsmeinung eventuell argumentativ etwas ändern zu können. Die Präsentation als transparente Partei hebt innerparteiliche Querelen natürlich deutlicher hervor als solche in einer stocksteifen Altpartei wie der CDU; man glaube jedoch nur nicht, dass in diesen Parteien nur Menschen zu finden sind, die nie ausfallend werden, ihren Vorständen nach dem Mund reden und abends brav ihr Tellerchen leerfuttern. Ausnahmen werden jedoch schlicht nicht gefragt. Es ist so furchtbar einfach, den Zerfall der Piratenpartei zu begründen, wenn man ein so genannter "Journalist" ist: Man schaut kurz den Lauf der Dinge an und notiert alles, was anders ist als bei klassischen Parteien. Das ist dann der Grund. (Dass die Piratenpartei auf Parteitagen keine Delegationen, sondern ausschließlich Mitglieder, kennt, verstehen sie aber auch nach bald sieben Jahren noch nicht.) Natürlich brüllen sich Piraten auf Twitter mehr an als Mitglieder von CDU, SPD und Grünen. Die haben nämlich alle kein Twitter.
Wenn man aber selbst in das Geschehen in der Partei involviert ist, wenn man gar seit Jahren ihre Entwicklung aktiv mitverfolgt und teilweise -gestaltet hat, stellt man ganz andere Dinge fest.
Ein Rückblick: Im Jahr 2009, während der "Zensursula"-Debatte, machte die Piratenpartei quasi aus dem Nichts einen großen Sprung nach vorn. Sie ging auf die Straße und erklärte auch der politisch wenig interessierten älteren Generation, warum Internetsperren nicht nur bedeuten, dass die Kinder keine Pornos mehr gucken können. Der Erfolg wurde zur Legende. Die Piratenpartei festigte ihr Profil als Partei für das digitale Zeitalter und bestand in der Öffentlichkeit darauf, dass sie an der Einordnung im klassischen politischen Spektrum ("links" und "rechts") ebenso wenig Interesse hat wie daran, auf alles eine umfassende Antwort geben zu können. Piraten seien Nerds, hieß es damals, denen es darum gehe, Deutschland auf das Dasein in einer globalisierten, digital vernetzten Welt vorzubereiten. Das Ziel der Piratenpartei sei es, überflüssig zu werden. Ich habe den Eindruck, dieses Ziel verfolgt sie inzwischen auf dem falschen Weg.
In der Präambel des Parteiprogramms der Piratenpartei Deutschland steht bis heute:
Die Piratenpartei will sich auf die im Programm genannten Themen konzentrieren, da wir nur so die Möglichkeit sehen, diese wichtigen Forderungen in Zukunft durchzusetzen. Gleichzeitig glauben wir, dass diese Themen für Bürger aus dem gesamten traditionellen politischen Spektrum unterstützenswert sind, und dass eine Positionierung in diesem Spektrum uns in unserem gemeinsamen Streben nach Wahrung der Privatsphäre und Freiheit für Wissen und Kultur hinderlich sein würde.
Das ist mittlerweile eine glatte Lüge.
Mit der großen Eintrittswelle 2009, die auch mich in die Parteipolitik spülte, wurde der bis dahin überschaubare Kreis von Leuten, die sich zu einem beachtlichen Teil seit Jahren kannten, zum Zufluchtsort von Menschen aus allen möglichen politischen Strömungen, von "ganz weit links" bis "ganz weit rechts". Das rief die Medien auf den Plan, die sich das Phänomen Piratenpartei in der direkten Folge mal genauer ansehen wollten. Diese Medien waren bis dahin hohl daherplappernde Blitzbirnen von CDU, SPD, Grünen, F.D.P. und PDS/Linke gewohnt, die auf alles eine wenig fundierte Antwort zu geben wussten. Angela Merkel hat diese Technik später perfektioniert, indem sie für alles eine gemeinsame Lösung finden wollte. So blieb es nicht aus, dass die Piratenpartei immer wieder gefragt wurde, was sie zur Eurokrise, zur Atomenergie, zu EU-Bananennormen oder ähnlich relevanten politischen Alltagsfragen beizutragen wisse. Die elegante Antwort, das sei für Piraten schlicht nicht von Bedeutung, wurde bald fallen gelassen, da irgendjemand der Idee verfallen war, es sei irgendwie von Belang, was klassische Medien, die nach inhaltsfreien Phrasen und nicht nach politisch bedeutsamen Überzeugungen lechzen, über einen progressiven Politikstil schreiben.
So begannen die Probleme.
Ein Vollprogramm wuchs heran. Das ausgereifte und beispiellos erfolgreiche Kernprogramm, das zwar keine fünf Prozent im Bundestag, aber doch zumindest die Verhinderung der Internetsperren erreichen konnte, wurde erweitert. Unter den Erweiterungen waren nicht nur verständliche Inhalte wie Bildungspolitik (im Sinne von Bildung als Voraussetzung für Medienkompetenz und Teilhabe am digitalen Miteinander), sondern auch populäre Aussagen wie etwa zur Umweltpolitik mit Schwerpunkt auf dem Atomausstieg, bis dahin den Grünen vorbehalten, sowie ein ziemlich merkwürdiger Abschnitt über Migration, in dem sinngemäß steht, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass kein Volk per se expansorische Absichten hege (da kannte jemand die USA noch nicht), und die Piratenpartei setze sich gemeinsam gegen Rassismus ein. Mit diesen Erweiterungen verlor die Piratenpartei ihr bis dahin klares, einmaliges Profil als fokussierter Kämpfer für die Reformen, die Deutschland internettauglich machen sollten, und gab sich stattdessen nur allzu gern der bequemen Beliebigkeit hin.
Im Jahr 2009 fiel es mir noch leicht, auf die Frage, wofür die Piratenpartei eigentlich stehe, eine klare Antwort zu geben. Heute ist das nicht mehr ganz so einfach. Die Piratenpartei steht nicht mehr für etwas (nämlich für ein reformiertes Urheberrecht und unbegrenzte digitale Kommunikation), sie steht vor allem gegen etwas; gegen Atomkraft, gegen Nazis, gegen Zeitreisen und vor allem gegen sich selbst. Dass es in der Partei Arbeitsgemeinschaften gibt, die alternative Programmentwürfe ausarbeiten, sei ehrenhalber erwähnt; die Erfolgsaussichten sehe ich jedoch inzwischen als recht gering ein. Die Piratenpartei ist jetzt irgendwie links, irgendwie für Umweltschutz und irgendwie für mehr Bürgerrechte. Also eigentlich wie die Grünen. Ich erwähnte es ja schon mehrfach:
Kein zurechnungsfähiger Bürger (...) wählt ausgerechnet die Piratenpartei, die auf dem Papier mit Transparenz, Internetfreiheit und digitalen Bürgerrechten wirbt, nur wegen ihrer tollen Umwelt-, Finanz-, Sozial- oder Bildungspolitik.
Apropos Zeitreisen: Zu den running gags in der Piratenpartei gehörte es immer, dass man auf den ständigen Ernst auch mal verzichten konnte. Anträge für Zeitreisen wurden gestellt, Anträge für Gummibäume an Deutschlands Straßen sollten den Politikbetrieb satirisch aufs Korn nehmen. Der "Gummibaum-Antrag" wurde im Jahr 2012 auf einem Parteitag mit der Begründung, es sei nicht auszudenken, was die Medien dann von uns hielten, wenn wir Spaßanträge annähmen, abgelehnt. Ja, warum auch Spaß haben? Das ist alles ernste Politik hier, Spaß haben könnt ihr auch woanders, Kinder! Wären die Gründer der Piratenpartei Deutschland bereits tot, sie rotierten vermutlich im Grabe.
Das ist eine der beiden großen Schwierigkeiten in der Piratenpartei.
Während sich die Piratenpartei Deutschland also mit Aussagen zur Euro- und Europapolitik, zu Wind- und Atomkraft und zu Migration und kultureller Vielfalt bei den Medien anbiedert, statt die mediale Aufmerksamkeit dafür zu nutzen, darauf hinzuweisen, dass jeden Tag ein Stück des freien Internets stirbt, zerstört die Telekom die Netzneutralität. Das W3C führt DRM, also eine Lizenzverwaltung für Webinhalte, in den HTML5-Standard ein. Der einstige Vorbildkonzern Google macht seine offenen Schnittstellen zu. Gegen die Telekom wurde immerhin aktiv demonstriert. Die Piratenpartei schrieb ein paar entschlossene Pressemitteilungen dazu und beschloss sozusagen in einem Nebensatz, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, dass die Forderung nach unbedingter Netzneutralität nun offizielle Parteiposition ist, und damit war der Fall für sie erledigt.
Moment, die Piratenpartei macht also doch noch was mit Internet? Ja! Dies ist die zweite große Schwierigkeit in der Piratenpartei, sie hat mit der ersten zu tun: Das mit der Netzneutralität kam in euren, Medien, Berichten kaum vor - ihr wart tagelang damit beschäftigt, Johannes Ponaders Nachfolgerin Katharina Nocun zum neuen Gesicht der Piraten zu ernennen. Das nämlich ist, was für euch von Relevanz ist: Gesichter. Ihr wollt hofiert werden. Ihr wollt nicht nachdenken. Ihr wollt nicht verstehen. Ihr wollt keine progressiven Ansätze. Ihr wollt euch nicht anpassen, ihr wollt, dass die Welt sich euch anpasst. Ihr wolltet, dass die Piratenpartei ihr Profil aufgibt, weil euch das zu anstrengend war, und jetzt, da sie es getan hat, blökt ihr herum, dass sie ihren Charme verloren hat. Und ihr Blindfische von der Presse glaubt immer noch, das Problem der Piratenpartei wäre irgendwelcher Zwist im Bundesvorstand?
Ich hatte im Dezember 2012 einigermaßen ausführlich geschrieben, warum ich die Piratenpartei nicht in den deutschen Bundestag wählen werde. Seitdem hat sich manches verändert; leider nicht immer zum Besseren.
Wo bleibt eigentlich die Revolution?