Die Weisswurstwerdung der Sekundärtugenden
Von diesem Land geht kein Krieg mehr aus. Darauf kann man stolz sein. Aber warum ist das so? Wieso steigt man als aufrechter Deutscher den kecken Nachbarländern nicht mal wieder auf´s Dach?
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Ein Grund ist ein Ventil, eine tiefbraune Düse, die immer mal wieder etwas, wider jeden Verstand abläßt, dem dumpfen Dunst ein Freikommen ermöglicht: Bayern. Dieses stramme Bundesland, dessen Hymne es an Schlagfertigkeit und Imposanz getrost mit dem Horst Wessel Lied aufnehmen kann. Nicht, daß ich an dieser Stelle falsch verstanden werde: Ich werde mich hüten, hier auch nur den Hauch einer inhaltlichen Kongruenz herbeizureden. Allein die Allmacht des volkstümlichen Zusammenschweißens eint diese Glanzstücke schlechtester Musik. In Bayern wird Identität noch großgeschrieben.
Da hat dieser unsägliche Larifari-Multikulti-Verunsicherungsmechanismus, der das nationale Gemüt aus der Spur spuckt keine Chance. Da steht man in aller Frühe auf, begrüßt den Morgen mit der Forderung den Allmächtigen zu grüßen und wirft sich in seinen ledernen Lendenschurz oder das geschmacklose Zirkuszelt, aus dem die Glocken verführerisch herausluken. Danach geht’s fei zur Arbeit. Zumeist irgendetwas Tiefanständigem, wie etwa dem Gebrauchtwagenverkauf an dusselige Ossis oder einer staatlich subventionierten Schlafstelle irgendeines unnützen Amtes. Um Zwölfe bescherts einem das erste Maß. Danach ein Nickerchen, um den Radi und die Hefe zu verdauen.
Ein kurzes Aufbäumen des süddeutschen Darmes kündigt den Feierabend an, der zünftig beim Musikantenstadl mit Gaudileiter Moik und Jungmädeljungfer Reiber vor der Flimmerkiste eucharistiert wird. In Bayern wird rein goa nix dem Zufall überlassen, die autokratische Allmacht, hat Strukturen entstehen lassen, die nimmer zu stürzen sein werden.
Früher wurden Plattköpfe, die in hügeliger Umgebung wohnten von ihren Superlativen regiert. Franz Josef Strauss, der uns neben einem navratilovaschen Töchterchen auch eine Vielzahl gottgegebener Niederlagen hinterlassen hat, war mehr als die Fleischwerdung des bayerischen Stammhirns. Er war es, der den Weg für die rechtschaffende Paradoxie bereitet hat, die heutzutage als die ultima ratio in seinem Königreich angesehen wird. Er hat mit seinen Busenfreunden aus der Ostzone Milliönchen verschoben und rhetorisch ihre Verklappung auf hoher See gefordert.
Er hat Poolhersteller gegen eine Planschbeckenermäßigung sämtliche Steuern erlassen und für die Rechte des kleinen Mannes ( auch: die Rechten der kleinen Männer ) auf der Straße herumgeschrien, daß einem schwindlig wurde. Für diese imposanten Leistungen hat ihn sein Wahlvolk geliebt – Unsinn: vergöttert. Neue Zeiten, neuer Mann. Edmund Stoiber, dieser anämische, habichtgesichtige Studienrat hat nichts mit dem pöbelnden Klops gemein. Er ist das Gegenteil aller dionysischer Dampflokomotiven, die in der CSU den Rülpstakt vorgaben. Er ist die Weißwurstwerdung der Sekundärtugenden. Ein Saupreuß erster Güte halt. Er hat nicht nur einen Stock im Arsch, er ist die versteinerte Streitaxt ohne Taktgefühl, ohne naturgegebenen Rhythmus.
Die Bayern sehen in Stoiber nicht das wassertrinkende Weichei, das auf dem Oktoberfest stocknüchtern durch die Leberzirrhosen stöckelt. Mal ehrlich: Neben ihm sieht der sympathische Herr Ude ja wirklich krachledernd aus. Das Stoiber ganz allein die Einheit zustande gebracht hat, ist auch klar.
Niemand tritt so sehr für die schändlich im Osten zurückgelassenen deutschen Volkssplitter ein. Sudetenland ist nicht verloren, solange die Bayern an dem Irrglauben festhalten, sie hätten den Krieg gewonnen und wären nur in einer überlangen Zeitschleife aus »Verstehen Sie Spaß?«-Wiederholungen gefangen. Nur Edmund Stoiber ist es zu verdanken, das Bayern als modernes Land apollinisch-schillernd dasteht. Einem Streibl hätte niemand geglaubt, daß er das Wort Notebook ohne langjährigen Logopädiekursus über die Weißbierlippen bringt. Die Bayern selber können oftmals ein Laptop nicht vom Radi-Bretterl unterscheiden. Nur: Sie glauben, daß ihr graumeliertes Alphawölfchen ( mit Dank an Herrn Pfeiffer ) dazu sehr wohl in der Lage ist. Jeder traut ihm doch eine durchmasturbierte, keimfreie Internetchatnacht eher zu, als den fleischlichen Vollzug seiner ehelichen Pflichten. Schwupps, da haben wir den Spagat geschafft; zwischen hirnzellenvernichtendem Kulturfestwahnsinn und zukunftsweisendem Silicon Valley Getue.
Der gemeine Bayer weiß: Wenn der Euro kommt, dann bekomme ich nur die Hälfte von meinem Geld.
Klare Rechnung: ein Euro etwa zwei Mark. Daran gibt es nichts zu mäkeln, ganz logisch, total durchdacht. Keine Sau kann den Bayern ihre Wahrheiten madig machen. Weißbier macht schlank, Benzin schont die Umwelt und Atomkraft ist gut für die geistige Entwicklung des Kleinkindes. Eben drum wollen ja auch die Linken einem, bei fast allem, den Spaß verderben. Die eigenen Gauner san die Amigos und die anderen die terroristischen Steinewerfer, die Deutschland seiner letzten Charakterzüge berauben wollen. Welche da wären: Saufen bis zum Umfallen, spontanes Ausländerverbrennen, Autofahren bis kein Baum mehr steht, Spanferkelfressen bis der Darm explodiert und im Kühlwassersee der Atomkraftwerke schwimmen bis der Kropf auf 7erBMW-Größe angeschwollen ist. Herr Stoiber muß sich allein auf diese Weisheiten besinnen. Freie Fahrt für freie Bürger, die D-Mark für alle ( oder zumindest ein 1:1 Wechselkurs, wie ihn die Ossis für ihr Alugeld bekommen haben ), Abschaffung der Steuern auf Genußmittel und als Geschenk Atomkraftwerkbausätze an alle Kindergartenkinder.
Aber seien wir nicht undankbar. Wo wären wir denn, wenn sich die national frömmelnde Volksseele nicht irgendwo entladen könnte? Wo der Mensch noch Tier, der Alkoholiker noch Vorbild sein darf? Wir bedürfen eines ledergesichtigen Trommlers, der beherzt, aber nicht zu emotional, auf der Klaviatur der Possenpolemik spielt. Die Zeit war reif für Edmund Stoiber. Ein Peter Gauweiler ist nicht mehr glaubwürdig, weil er den bayerischen Tölpeln zu sehr ähnelt. Diese wissen, wenn sie morgens in den Spiegel gucken, daß sie nach der letzten Bierzeltnacht wieder um zehn Jahre gealtert sind und, daß mit ihnen kein Bundesland zu regieren ist.
Danke Edmund Stoiber, danke für die Einheit, die Erfindung des Notebooks, der Entdeckung der Ölvorkommen und - last but not least - danke für den Weltfrieden.
Zu funden bei
http://www.geschwafel.de/