Herrlich, ein Thread ohne den typischen Marken- und Philosophiekrieg
Bei mir ist das gar nicht so genau zu beschreiben. Ich habe als Kind eine Kamera mit
Pocketfilm bekommen. Zumindest zwischen die Finger. So im Nachhinein ist das gar nicht mehr so leicht herauszufinden wie gut oder schlecht das damals war, ich fand wohl einfach den Prozess interessant, mit diesem Apparat Motive von "Echt" auf Film auf Papier zu bekommen. Die elterliche uralt-Canonet durfte ich nicht verwenden; die hat irgendwann den Geist aufgegeben, dafür hatten wir dann jede Menge billige analoge Autofokus-Kameras mit grauenhaften Ergebnissen, egal wie es vor und hinter der Kamera aussah. Die Dinger waren was, mit dem man im Urlaub fotografiert hat und sich danach beim Bilder abholen wieder daran erinnern konnte. Meine Eltern hatten dann irgendwann eine Canon EOS 5000, ich habe zum 12. Geburtstag eine
Olympus µ-II bekommen. Das war wahrscheinlich die erste Kamera, mit der ich auch mal schöne Bilder machen konnte; Die funktioniert heute noch, allerdings ist das mit dem Verschluss ein Glücksspiel was rauskommt. Aber mich haben halt auch andere Dinge interessiert, zu der Zeit hauptsächlich halt hauptsächlich Musik, Computerspiele und Case Modding. Dann kam
Pure Pwnage - und jede Menge Spiele-Musik-Fun-Videos - die Zeit zwischen Battlefield 1942, Counterstrike 1.6 und kurz vor YouTube. Die Möglichkeit, Bewegung, Ton und Ablauf zusammen zu schneiden hat mich auf einmal über Wochenenden und Ferien an den PC gefesselt, bei anderen lief die Tauschbörse, bei mir das Video-Rendering. Dabei kamen einige SEHR legendäre Videos raus - die nie für das Internet, sondern nur für den Freundeskreis gedacht waren. Das ging so lange, bis ein Vollhorst es geschafft hat, mir den Firewire-Port der Kamera zu töten.
Die nächste Kamera war dann eine Nikon Coolpix S10, ein sehr cooles Teil mit der Fähigkeit zum enormen Zoomen, Filmen und fotografieren inklusive echter Makrofunktion. Gekauft vom ersten Gehalt als Werkstudent. Leider hat sich das mit dem Filmen gegen jede Kompatibilitätsliste als inkompatibel mit meinem Schnittprogramm herausgestellt, aber mit dem Fotografieren - den Moment möglichst treffend einfangen mich da gepackt hat.
Was aber geiler war, war die EOS 400D, die aufgrund des Studiums meiner Schwester angeschafft wurde. Das Thema vorher war einfach, dass jede Kamera, die wir bzw. ich hatte kaum Möglichkeiten für manuelle Einstellungen geboten hat und so eine 400D mit Kitobjektiv halt auch relativ unflexibel ist.
Themen, die mich immer interessiert haben waren Vögel, Langzeitbelichtung und eben "den Moment einfangen". Interpretation statt Inszenierung. Und das ist weder mit einer 400D mit Kitobjektiv noch mit einer S10 so richtig möglich. Die Motivation hält sich dann in Grenzen - und dann gab es die Tour nach Venedig 2009, die einer meiner Cousins, zu dem Zeitpunkt schon Berufsfotograf, organisiert hat. Einige Wochen vorher konnte ich bei meinen Eltern noch ein Tamron 18-200 durchsetzen, im Nachhinein das wohl schlechteste Objektiv, welches ich je auf der Kamera hatte. Ich glaube über die ganze Tour sind VIELLEICHT 5-6 mittelmäßige Fotos herausgekommen. Der entscheidende Moment war wohl eher, dass ein anderer Fotograf (wie ich nachher erfahren habe lokaler Pressefotograf) mit seine 1D mit Lensbaby Composer in die Hand gedrückt hat - ich war zwar VOLLKOMMEN überfordert, aber dieses Objektiv hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. So im großen und ganzen habe ich zwar hauptsächlich "dokumentiert" aber so wirklich ambitioniert war ich bis zu dem Zeitpunkt halt kaum, vor allem weil sowas wie meine Wunschmotive halt nicht umsetzbar waren.
Viereinhalb Jahre weiter, einige Monate nach einer katastrophal gescheiterten Beziehung hab ich mich zusammengerissen und die Steuererklärung für die ersten drei Jahre mit fester Arbeit nachgemacht. Resultat war, dass ich mal nachdenken könnte, mit eine "ordentliche" Spiegelreflexkamera zuzulegen. Gekauft wurde eine 700D, das EF-S 18-200 IS und ein EF 50 1.8. Von da an war die Kamera fast mein täglicher Begleiter, dazu kam nicht nur die Möglichkeit RAW zu fotografieren und mit Lightroom zu bearbeiten, sondern auch Flickr - welches im Gegensatz zu Fotocommunity.de (wo ich anno 2003 wohl schon um die 10 Jahre angemeldet war) deutlich mehr Inspiration geboten hat. Dazu kam das Forum hier, welches mich mit den Wettbewerben ebenfalls motiviert hat (auch wenn ich selten was eingeschickt habe). Dazu kamen Objektive wie das Lensbaby Composer Pro, das Tamron 17-50 2.8, das EF 70-200 4.0 IS, ein Systemblitz und das Tamron 90mm VC - mit anderen Worten: Ich hatte langsam das Budget um mir das Equipment zu leisten. Und ich habe beim Fotografieren einen Grund gefunden aus der Bude zu kommen, unter Leute und mich auch kreativ mit dem Thema zu beschäftigen. Das ganze hat mich definitiv aus meiner Komfortzone befördert.
Ich glaube die Zeit zwischen 2013 und 2017 war totale Foto-Verrücktheit angesagt. Nicht nur ich, sondern auch zwei meiner besten Freunde haben mit Fotografie (allerdings Analog) angefangen. Nebenwirkung dessen, aus der Komfortzone zu kommen: Ende 2014 habe ich ein Event fotografiert und dadurch meine heutige Frau kennengelernt.
Seit dem ist es bei mir allerdings etwas ruhiger geworden. Die ursprüngliche Technik ist weg, bei mir liegen eine EOS M3, eine 80D und eine 6D im Schrank, eine ganze Reihe von verschiedenen Objektiven zwischen 10mm und 600mm, dazu kommen noch einige Analogkameras, jede Menge Filter und Zubehör, dazu Videoequipment zwischen Drohne, Actioncam und Gimbalcam (Osmo Pocket).
Ich habe derzeit vor allem ein gewaltiges "Backlog"-Problem. Das ist gerade abschreckend gewaltig und mehr fotografieren bedeutet, diesen Backlog noch zu vergrößern. An sich kein Problem, allerdings bin ich vor anderthalb Jahren ziemlich in den beruflichen Burnout geschlittert. Ich rede mir ein, dass ich irgendwie noch dran vorbei gekommen wäre, aber im Nachhinein betrachtet war das letzte Jahr bei meinem alten Arbeitgeber die reinste Hölle. Jetzt wo ich das schreibe merke ich ziemlich gut, dass ich immer dann "kreative Phasen" habe, wenn ich ausgeglichen bin - vielleicht gleicht mich das "rausgehen" und mit offenen Augen durch die Welt gehen ja auch aus.