Was mir der Diskussion hier etwas zu kurz kommt ist auch der Gedanke der informationellen Selbstbestimmung. Dazu muss man das in der News beschriebene Szenario gedanklich etwas weiterspinnen und sich mal überlegen, was alles passieren könnte, wenn ein Internet-Provider die absolute Entscheidungsfreiheit hat, wem er welchen Inhalt für wieviel Geld übermittelt.
Bisher wurde ja meist nur Fall beschrieben, dass Streamingdienste geschröpft werden sollen, da sie mehr Bandbreite als andere Dienste belegen - also ein rein technisches Argument. Was aber, wenn beispielsweise bestimmte Inhalte (damit meine ich Inhalte im Sinne von Informationen, z.B. Meinungen, Nachrichten, etc.) durch einen Provider künstlich gebremst werden, um unliebsame Inhalte vor Internetnutzern zu verstecken? Wir sind es gewohnt, dass wir uns über bestimmte Sachverhalte im Internet frei informieren können, z.B. über Wikipedia, wo verhältnis unvoreingenommene Texte stehen. Wer würde für Wikipedia zahlen, wenn Provider von Webseitenbetreibern eine Extragebühr verlangen, damit ihre Seitenaufrufe geroutet werden? Man stelle sich nur mal vor, vor der Internetzeit hätte jeder Buchautor an Bibliotheken Gebühren zahlen müssen, damit sein Buch dort im Regal steht und der Öffentlichkeit zugänglich ist. Da bekommt das Wort "alternativlos" plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
Das gesamte Internet verliert durch den Verlust der Netzneutralität auch massiv an Transparenz. Warum lädt Seite x bei mir so langsam, bei meinem Nachbarn aber so schnell? Warum kann ich Seite y nicht mehr erreichen? Wir sehen irgendwann nicht mehr das, was wir sehen können, sondern was wir sehen sollen.
Natürlich sind das nur Gedankenexperimente und die aktuelle Regelung verbietet es (wenn ich das richtig verstanden habe), dass für unterschiedliche semantische Inhalte eine unterschiedliche Gebühr verlangt werden darf - also dass z.B. die Telekom für eine telekomkritische Seite für die gleiche Leistung einfach das zehnfache an Gebühren verlangen darf. Das ganze kann sich aber schnell und leicht ändern, sodass die gesetzlichen Zugeständnisse nach und nach kommen - die typische Salamitaktik eben.
Ich hoffe, dass alle die bisher "den Aufschrei nicht verstehen" konnten, nun etwas angeregt sind und vielleicht die Probleme sehen, die sich in Zukunft aus einer mangelnden Netzneutralität sehr schnell ergeben können.
tl;dr:
Die Netzneutralität widerspricht der informatiellen Selbstbestimmung, spätestens dann, wenn nicht nur nach verbrauchter Bandbreite, sondern auch nach Inhalten selbst bezahlt werden muss.