Worauf gründet sich denn der Anstieg des "Wertes" und sein eventueller Rückfall? Und warum wird das dann Krise genannt, wenn sich am de facto-Wert nichts verändert? Wer gewinnt und wer verliert mit sowas?
Ausgangspunkt USA: Eine Familie meint, sie müsse sich ein Haus kaufen, hat aber nicht das nötige Kleingeld. Das ist nicht ungewöhnlich und so wird ein Kredit aufgenommen, um sich das Grundstück und das Haus zulegen zu können.
In Deutschland und anderswo ist es üblich, dass man vor der Bank die Hosen herunterlassen muss, bevor man einen größeren Kreditbetrag bekommt. Für den Hausbau wird in der Regel (aber nicht immer) ein gewisses Eigenkapital vorausgesetzt, z. B. 20-25 Prozent der benötigten Gesamtsumme. Außerdem prüft die Bank, wie es um die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers bestellt ist. Wie viel verdient er? Ist sein Einkommen nachhaltig? Wie viel kann er monatlich zurückzahlen?
In den USA kamen diese Prüfungen viel zu kurz bzw. wurden einfach weggelassen. Das war riskant und unseriös, gründete sich allerdings auf die Hoffnung, dass die Häuserpreise dauerhaft steigen, was zunächst auch der Fall war. Eine Familie kauft also ein Haus für z. B. 200.000 US-Dollar. Sie hat kein Eigenkapital und somit 200.000 Dollar Schulden, aber auch das Haus als Sicherheit zu bieten. Wenn die Preise für Häuser deutlich steigen, ist dasselbe Haus nach zehn Jahren nicht wie üblich nur noch 180.000 Dollar wert, sondern vielleicht 240.000 Dollar. Für die Bank, die den Kredit vergeben hat, bedeutet das eine zusätzliche Sicherheit in Form einer zusätzlichen Deckung ihrer Forderungen.
Dieses System wurde allerdings völlig überdreht und überreizt. Man räumt den Kunden z. B. eine längere tilgungsfreie Zeit ein, aber irgendwann sind nun einmal die ersten Raten fällig. Wenn dann auch noch die Zinsen steigen, kommt es zum Kollaps. In vielen Neubau-Siedlungen stehen deshalb 50-70 Prozent der Häuser mittlerweile wieder zum Verkauf, weil sich die Häuslebauer finanziell übernommen haben.
Wo ist das Geld hin? Der Kredit der Bank steht in Form des Hauses auf dem gekauften Grundstück. Das Geld ist z. B. an die Handwerker geflossen, die das Haus gebaut haben. Die Bank, die den Kredit vergeben hat, würde im Falle einer Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden normalerweise das Haus versteigern. Doch die fallenden Grundstücks- und Häuserpreise machen ihr einen Strich durch die Rechnung.
Die Banken haben sich – clever wie sie sind – im Vorfeld abgesichert. Sie haben ihre Forderungen aus den Hauskrediten in neue Pakete geschnürt und weiterverkauft. Das ist nicht ungewöhnlich und passiert auch in anderen Branchen. Person A hat eine Forderung gegenüber Person B und verkauft diese Forderung weiter an Person C. Person A hat dann sofort ihr Geld und C wendet sich beizeiten an B, um die Forderung einzutreiben.
In die Röhre schauen diejenigen, die sich zum Kauf der Forderungen entschlossen haben. Das lag nicht daran, dass sie allesamt blöd waren, sondern weil die Rating-Agenturen die Forderungen als Spitzenklasse und bombensicher (AAA) bewertet haben, obwohl sie nur unterdurchschnittlich sicher waren, man kann auch sagen: stark risikobehaftet.
Die Subprime-Derivate wurden also fleißig angeboten und gekauft (Geld gegen Papiere), aber die Forderungen waren im Zuge der Immobilienkrise plötzlich kaum noch etwas wert. Eine Bank, die solche Derivate in ihrer Bilanz als Forderung stehen hatte, musste deren Wert auf den aktuellen Kurs herunterstufen. Und plötzlich hatte man z. B. nicht mehr 10 Mrd. Euro bzw. Dollar an Forderungen, sondern nur noch 2. Mrd. Euro bzw. Dollar. Das kann einem schon mal das Genick brechen.
Es wurden also Kredite vergeben, die anschließend nicht zurückgezahlt werden konnten. Das Geld ist immer noch im Umlauf. Es fließt nur nicht an den Kreditgeber bzw. an den aktuellen Inhaber der Forderung zurück. Aus seiner Sicht ist es eine Geld-„Vernichtung“, genauer gesagt eine Vernichtung seiner Vermögenswerte.
Außerdem hat der Bauboom die Konjunktur (nicht nur in den USA) belebt. Die Aktienkurse vieler Unternehmen stiegen. Da konnte man eine Menge Geld verdienen. Im August 2007 gingen die ersten Banken in den USA in den Konkurs, weitere Warnsignale gab es Anfang 2008 und im Frühjahr. Wer die Entwicklung verfolgt hatte, stieg frühzeitig aus und realisierte seine Gewinne, etwa durch Aktienverkäufe. Einige Spekulanten sahen die Turbulenzen kommen und wetteten bereits auf fallenden Kurse. Die "Verlierer" dagegen sahen nicht hin und kauften auch noch im Sommer Aktien, weil sie glaubten, der Boom würde noch lange andauern. Sie haben sich verzockt und würden Geld verlieren, wenn sie ihre Aktien zu den aktuell niedrigen Kursen verkaufen würden. Aber das müssen sich ja nicht machen.