Genies der Neuzeit: zwischen Generalist und Spezialist

@ thrillkill

FaK hat es diesem Satz gut beschrieben:
"selbst innerhalb einer wissenschaft beschäftigen sich "genies" heute meist nur noch mit teildisziplinen. eine ganz wissenschaft zu überblicken ist vielleicht noch möglich, mehrere wissenschaften aber auf keinen fall."
Ich weiß nicht, ob du schon mal einen Einblick in die naturwissenschaftliche Forschung bekommen hast. Dann wüsstest du, wie extrem ins Detail man hier geht. Da beschäftigt sich teilweise ein ganzer Lehrstuhl nur mit ein, zwei Proteinen (und was mit diesen zusammenhängt). Und glaub mir, das Wissen dass man dazu braucht ist wirklich enorm (und jetzt untersucht man aber nur wirklich einem Bruchteil von einem Fachgebiete einer Wissenschaft).
Von daher bin ich überzeugt, dass es zumindest in diesem Bereich (in dem ich einen Einblick habe) kein Universalgenie geben wird (woher soll es auch die Zeit nehmen, sich auch gut in komplett anderen Gebieten zu forschen und sich so ins Detail zu informieren, wie es aber nötig ist, um etwas in einer adäquaten Weise zu beherrschen?).
Nicht umsonst gibt es immer weitere Spezialisierungen und Spezialisten für Dinge, die vor 50 Jahren noch ein kleiner Unterbereich einer Berufsgruppe war (schau mal in den Bereich der Medizin. Da wimmelt es vor Spezialisten).
Und die interdisziplinären Studiengänge dienen als Bindeglied. Sie vermitteln sozusagen zwischen den Experten der einzelnen Fachgebiete/Wissenschaften.
 
Achja, es fehlen heutzutage vor allem Erfinder-Genies!

Das Wissen ist da, jedoch die Technologien die darauf aufbauen nicht unbedingt.

Das vermisse ich wirklich. Große Erfindergeister, deren Erfindungen soviel Potential haben, dass sie das Leben der meisten Menschen beeinflussen werden.

Das Wissen zu erlangen ist das Eine, es dann zu verwerten ist das Andere.

Nanotechnologie, Molekularbiologie Erfindungen der Neuzeit?
Gewiss, wenn es um Buzzwörter geht.

Damals verstand man nicht so viel, aber man hat es einfach gemacht, sodass es funktioniert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, habe Einblicke in die Forschung.
Ich verstehe die Argumentation und stimme euch auch zu, die Welt spezialisiert sich immer mehr, das war ja die Frage im Eingangspost aber wissenschaftliche Revolutionen sind doch eher selten das Resultat von
Forschung und Entwicklung ins Detail, sondern in viele Fällen gerade geprägt durch ein Denken, abseits vom bekannten Schema, was sich gerade durch die Kritik und Widerlegung von altbekanntem ausgezeichnet hat.
Hätte Einstein Newtons Theorie unhinterfragt angenommen wäre er nicht weiter gekommen. Hätten Niels Bohr und wie sie alle hießen das Aktio-Reaktio Modell hingenommen, gäbe es heute keinen wissenschaftlichen Zufall. Das ist weniger Spezialisierung, sondern das Einnehmen einer neuen Perspektive.

Ist jahrzehnte lange technische Weiterentwicklung wirklich eine "Genieleistung"? Oder doch nicht eher geprägt durch Fleiß und erlerntes Wissen und weniger durch Kreativität und schöpfersische Fähigkeit?

Wenn man die Wissenschaftlichen Teildisziplinen als feste Gebilde nimmt, begeht man aus meiner Sicht einen Fehler.
Die soziologische Systemtheorie hat zB entscheidende Elemente aus der Biologie und Kybernetik. Das sind Dinge, die vom Prinzip ohne Studium dieser Fächer verstanden werden können.
 
SSJ schrieb:
Achja, es fehlen heutzutage vor allem Erfinder-Genies!
[...]
Das Wissen zu erlangen ist das Eine, es dann zu verwerten ist das Andere.

tja, das ist wirklich ein problem. aber betrachten wir mal folgende situationen:

1. ich erlange das wissen wie man die einheit rad/achse baut. jetzt brauche ich, im extremfall, nur ein schweizer taschenmesser und einen geeigneten baum und mit genug geduld komm ich auch zur verwertung meines wissens...

2. ich habe mir jetzt erarbeitet, dass ich wohl, wenn ich elektronen und positronen zur kollission bringe, durchaus in der lage sein müsste neue elementarteilchen zu entdecken. dieses wissen ist schonmal klasse, genau wie das ums rad nur wird es mit der umsetzung etwas schwierig.
mit einem taschenmesser und einem baum kann ich 1000 jahre lang probieren, das wird nix. ich brauche jetzt spezialisten auf vielen anderen gebieten, damit ich eine maschine (in diesem fall den LEP) bauen kann mit der ich meine theorie praktisch anwenden kann.


ich würde also nicht sagen, dass wir ein problem mit mangelndem erfindergeist haben. die hürden einer praktischen umsetzung werden einfach immer höher und es ist einzelpersonen in der regel (natürlich werden auch noch ganz simple dinge erfunden, aber ich behaupte einfach mal, dass das immer weniger werden wird) nicht mal möglich genug kapital aufzubringen um ihre erfindung umzusetzen.
von den oben beschriebenen technischen schwierigkeiten mal abgesehen.


thrillkill schrieb:
Hätte Einstein Newtons Theorie unhinterfragt angenommen wäre er nicht weiter gekommen. Hätten Niels Bohr und wie sie alle hießen das Aktio-Reaktio Modell hingenommen, gäbe es heute keinen wissenschaftlichen Zufall. Das ist weniger Spezialisierung, sondern das Einnehmen einer neuen Perspektive..

auch heute weden theorien nicht "unterhinterfragt übernommen" wenn du einblick in die naturwissenschaftliche arbeit hast, dann solltest du das sehr wohl wissen.
das problem war, dass sich die newton'sche mechanik irgendwann durch experimente und rechnungen widerlegen lies. wenn dies bei den aktuell dual genutzten theorien (quantenmechanik, allg. relativitätstheorie) der fall wäre, dann müsste man diese natürlich verwerfen und nach einem ersatz suchen.
derweil hat man aber eben noch überhaupt keinen grund, denn für alle fragestellungen sind diese beide theorien (je nachdem welche größen betrachtet werden) vollkommen ausreichend und es konnten noch keine experimentellen abweichungen festgestellt werden. bis sich das ändert sind diese theorien als erklärungsmodelle vollkommen ausreichend...

trotzdem wird ja schon verursucht die beiden theorien zu vereinigen. getreu dem glauben, dass sich ja im endeffekt alles auf die "weltformel" zurückführen lassen muss, arbeiten ein haufen mathematiker und physiker ja im bereich der stringtheorie :D

edit: zu deinem antwortpost auf meinen vorherigen. auch einstein hat auf diverse vorarbeiten zurückgegriffen ohne die er wohl kaum auf seine theorie gekommen wäre. aus dem hut gezaubert hat auch der nix. stichwort: lorentz-transformation.
 
Zuletzt bearbeitet:
thrillkill schrieb:
Ist jahrzehnte lange technische Weiterentwicklung wirklich eine "Genieleistung"?
Gegenfrage: Ist das aufstellen einer Theorie eine Genieleistung? Und wenn ja, warum das und das andere nicht.
Es gibt immer wieder Querdenker, die einen neuen Weg einschlagen (Stichwort: β-Blocker). Dabei hat es aber auch fundamentaler Forschung benötigt und jahrelanger Beobachtungen, um diesen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Ist derjenige oder sind diese Personen (kenne die Namen jetzt nicht) kein Genies? Für mich sind sie es definitiv.
Und was verstehst du unter Kreativität? Ohne diese, wirst du in keinem (oder zumindest in wenigen) Forschungsbereich etwas neues herausfinden.
 
Was ist ein Genie?

Ich denke es gibt noch heute zig Genies die im Grunde gar nicht öffentlich bekannt werden.
Nehmen wir den Ingenieur, der alle im zur Verfügung stehenden Erkenntnisse, nahezu intuitiv, verknüpft um eine Lösung für eine bestimmte Problemstellung zu bekommen.
Oder nehmen wir den Arzt, der bei einer komplizierten Symptomatik doch auf die richtige Lösung des, medizinischen Falls, stößt.

All das ist heut eher unspektakulär und wird gemein hin nicht mehr als "genial" war genommen. Doch genau das ist es ...

Natürlich sind Teamleistungen heute wichtiger denn je, doch noch immer sind "Individualisten" gefragt, die einfach die richtige Verknüpfung von Synapsen im Kopf haben um bestimmte Fragestellungen quasi intuitiv zu lösen ... Und ungelöste Probleme gibt es im kleinen zu Hauf.

-----------------

Geht man in den Bereich der Grundlagenforschung, so sind die Aussagen von Seppuku genau richtig gewählt ...
Da Vinci und Co. brauchten einen deutlich geringeren "Hebel" um ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erlangen.

Man nehme sich einen menschlichen Leichnam, ein Messer und schon kann ganze Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers füllen.
Oder man nehme einen Stein, lasse ihn von einem hohen Turm fallen und erkenne, dass es so etwas wie den beschleunigten Fall gibt.

Heutige Erkenntnisse in der Grundlagenforschung sind meist Lebensaufgaben von gleich mehreren Menschen. Es bedarf extrem aufwändiger Analyseverfahren, Messsysteme, ... um Erkenntnisse gewinnen zu können und immer tiefer in das jeweilige Thema einsteigen zu können.

Das alles stellt die Arbeit von Da Vinci und Co sicher nicht in ein schlechtes Licht. Sie waren ihrer Zeit sicher um einiges voraus.
Doch gleichsam würde ich wetten, dass ein Leonardo Da Vinci heute eben jener Ingenieur wäre, dessen Arbeit in der Öffentlichkeit gar keine Erwähnung mehr findet.
Er wäre heute nicht dieser Forscher dessen Name noch Jahrhunderte lang in den Geschichtsbüchern steht...

---------------------

In der Grundlagenforschung hat sich das Anforderungsprofil an einen Forscher sicher gewandelt. Viel wichtiger als das rein "intuitive" Denken ist es systematisch und strukturiert an Themen heran zu gehen und sehr, sehr viel Geduld mit in die Forschung zu bringen.
 
Genies...hmmm, was ist das eigentlich?
Einer der was erfindet, das vorher noch nicht da war?
Heute ist das einer, der sich was in die Birne setzt und ein Team so lange daran entwickeln lässt, bis seine Spinnereinen greifbare Tatsachen geworden sind!

Eines der größten Genies der Neuzeit ist für mich der, der sich in die Birne gesetzt hat, den Computer mit einem mit der Hand auf dem Tisch herumschiebaren Ding zu bedienen: der Maus!

Nur ein paar Jahrzehnte früher hat ein Anderer fürs Fahrrad die Freilaufnabe erfunden!
Oder der Erfinder des Reißverschlußes!
Kompressorkühlschrank!

Alles was nach ca. 1950 kam, ist für Normalsterblich wie mich sowie UFO-Technologie! :)
Transistor/Diode/Halbleiter, nahtlose Nylonstrümpfe, durchsichtiges, essbares Plastik aus Mais ... alles reinste Zauberei!

Die Erfindungsdichte ist so hoch, daß einzelne Genies jährlich in Massen bei der Nobelpreisvergabe auftauchen.

Wer ist JETZT GERADE ein allgemein bekannter überragender Kopf, dem alle hinterherhecheln.... wenn ihn wer kennt, bitte melden! :)
 
In Sachen Technik gibt es wirklich nur noch die berühmt-berüchtigten "Amerikanischen Forscher". Heutige Genies kenne ich nur im musikalischen Bereich.
 
Auf eines können wir uns sicher einigen: Genies sind ihrer Zeit voraus. Daher können wir noch gar nicht richtig beurteilen, wer aktuell ein Genie ist.
 
Bei der definition des Genies könnte man auf Wikipedia zurück greifen, allerdings lasse ich den Sportler mal aussen vor, da er in meinen Augen kein Genie, sondern ein Künstler ist:

Ein Genie ist eine Person mit überragend schöpferischer Geisteskraft

Ich denke wir haben schon eine menge Genies in unserer Zeit. Es stellt sich nur die Frage, warum einige Genieleistungen nicht mehr als solche anerkannt werden?
Was erwartet ihr von einem Genie?
Sind nicht schon alleine alle Nobelpreisträger Genies?
Auch unter den Ingeneuren gibt es verdammt viele Genies!
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben