gaym0r schrieb:
Ein Netzwerkprofi macht keine Pauschalaussagen, sondern passt sich immer an die Gegebenheiten an
Du sprichst mir aus der Seele. Hier im Forum sind sehr viele selbsternannte "Profis" unterwegs...
Grundsätzlich ist es natürlich richtig, das "professionelle" WLANs, z.B. in Bürogebäuden in der Regel mit per Ethernet angebundenen Access Points aufgespannt werden. Dabei wird auch eine professionelle
Funkausleuchtung gemacht. In der Regel hat man dann ein dichtes Netz von Access Points (oft in jedem Raum einen eigenen AP), das erfordert aber dann auch Massnahmen, wie Nutzung von Antennen mit Richtcharakteristik, und Reduzierung der Sendeleistung, damit sich die APs nicht gegenseitig stören.
Was auch dazu gehört, ist eine vernünftige Bedarfsplanung, d.h. welche Bandbreiten/Latenzen will man erreichen.
WLAN durchdringt in der Tat nur sehr eingeschränkt Wände und Decken, daher versucht man das bei einem echten "Profinetzwerk" in der Regel gar nicht erst. Dünne Leichtbauwände, Glaswände, etc. sind da die Ausnahme.
Im Heimbereich ist diese Vorgehensweise die Ausnahme, ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn Leute hier über ihre Netzwerkplanung für das neue Eigenheim schreiben. Da hat man dann schon den Anspruch auf zumindest "semiprofessionelle" Hardware wie Ubiquiti Unify und PoE Versorgung, etc. Aber dann kommt die Idee, auf jede Etage ein AP "irgendwo in der Mitte" an die Decke.
Man muss sich immer bewusst sein: Sobald eine Wand dazwischen ist, ist es vom Einzelfall abhängig, ob es geht. Ich schreibe bewusst nicht "Glücksache", denn ist kein Glück sondern Physik. Man kann es nur meist nicht theoretisch ermitteln, sondern muss messen.
Die Mesh Systeme für den Heimgebrauch sind nun nicht als Konkurrenz zu "Profi" Hardware gedacht, sondern um genau die typischen Probleme im Heimnetz Bereich zu lösen, also ggf. ohne oder nur teilweiser Verkabelung noch brauchbare Netzabdeckung in der ganzen Wohnung oder Haus zu bekommen.
Und das kann auch wirklich gut funktionieren, setzt aber auch voraus, das man realistische Erwartungshaltungen hat und die physikalischen Grenzen nicht verletzt.
Was sollte man also beachten?
1. Bedarfsanalyse:
Welche Geschwindigkeit erwarte ich an welchem Punkt im Haus? Muss ich 300MBit in der Besenkammer erreichen? Was ist der realistische Bandbreitenbedarf eines Endgerätes? Was kann es überhaupt?
Beispiel: Für ein Smartphone reichen 30MBit, damit kann ich selbst ein UHD Video (was auf einem Smartphone eigentlich gar keinen Sinn macht...) schauen. Allenfalls mal beim installieren von Apps oder Hochladen von Fotos, etc. macht mehr Speed Sinn, dazu kann man aber auch einfach mal in die Nähe des Routers gehen.
Dr. McCoy schrieb:
Wenn dann beispielsweise nur 100 der 300 Mbit/s erreicht würden, muss man sich halt fragen, ob man dann nicht auch gleich nur einen 100er Anschluss hätte buchen sollen, um nicht am Ende zwei Drittel davon zu verschenken.
Das stimmt, und ist aber auch unabhängig von der Frage des WLANs immer eine valide Fragestellung. Ich kenne Haushalte, die haben überhaupt keinen PC/Laptop sondern nur Tablets/Smartphones, einen Fernseher, etc.
Die erwarteten Geschwindigkeiten sind ein wesentlicher Punkt. 100Mbit Nettodurchsatz bekommt man mit einem vernünftig ausgelegten Mesh WLAN relativ leicht hin. 300MBit ist schon massiv anspruchsvoller. Gängige Endgeräte (2x2 WIFI5) schaffen nah am AP mal knapp 500MBit Netto, dann fällt es aber schnell ab. Langsam setzen sich WIFI6 Geräte durch, da ist auch mal etwas mehr drin, aber die1024QAM Modulation von WIFI6 funktioniert nur unter optimalen Bedingungen, die Geräte fallen schnell auf 256QAM, und damit WIFI5 Geschwindigkeit zurück.
2. Beachtung der technischen Möglichkeiten
Der limitierende Faktor beim WLAN ist die Signalstärke auf der Empfangsseite. Bei Fritzboxen sieht man die unter anderem im Detail Bildschirm der Mesh Ansicht (siehe Screenshot oben).
- Für die volle Datenrate (also z.B. 833Mbit Brutto bei 2x2 AC, 80Mhz) sollte man >-60dBm haben (größer heißt hier z.B. -50dBm, da die Zahlen negativ sind).
- Bei ca. -70dBm erreicht man in der Regel noch 50% der max. Rate
- Ab ca. -80dBm wird WLAN meist instabil und unbrauchbar.
Wenn viele Störer da sind (z.B. in Mietshäusern mit sehr vielen Routern) kann es auch viel schlechter aussehen. In Einfamilienhäusern halten sich Störungen durch fremde WLANs meist in Grenzen, selbst bei enger Bebauung.
Die obige Faustformel hilft bei der Positionierung von Repeatern. Wenn im angedachten Raum nur -80dBm vom Router ankommen, dann braucht man es mit dem Repeater nicht zu probieren.
Neuere Standards wie etwa WIFI6 ändern übrigens nichts an der physikalischen Reichweite. Wenn Hersteller in ihrer Werbung mehr Reichweite versprechen, dann meinen sie etwas anderes:
Wenn an einem bestimmten Punkt noch 50% der max. Datenrate erreicht wird, ist das z.B. bei WIFI5,2x2,80Mhz eben 433Mbit, während es bei WIFI4, 1x1, 20 Mhz eben nur 35Mbit (Brutto) sind.
Ersteres reicht für ein UHD Video, letzteres eben nicht.
Das ist übrigens auch der Punkt wo 4x4 (oder gar mehr) Stream WLAN (wie z.B. bei AVM die 7590AX bietet) Sinn macht: Es verdoppelt die Geschwindigkeit des Uplinks vom Repeater zum Router, zusammen mit einem Triband Repeater kann das den Durchsatz des Meshs deutlich verbessern. Aber eben nur, wenn man nicht im Bereich der physischen Reichweitengrenze rumkrebst.
D.h. die erste wichtige Aufgabe ist es, die Mesh Geräte so zu positionieren, das man in den genannten dBm Bereichen bleibt. Das gilt natürlich am Ende auch für die Endgeräte.
Wenn man das macht, dann bekommt ein stabiles und funktionierendes WLAN.
Ein richtiges ausgelegtes WLAN ist nach meiner Erfahrung auch nicht instabiler als ein LAN, sofern man sich eben nicht in die physikalischen Randbereichen bewegt.
SW987 schrieb:
2. Der 3000AX lässt sich leicht in alle drei Raumrichtungen ausrichten. Ein paar Zentimeter hin oder her können einige dBm bei der Signalstärke und damit bei der Übertragungsrate ausmachen.
Wenn es darauf ankommt, ist der Repeater schon zu weit weg von der Basis....