Beitrag schrieb:
Allemal eine sinnvollere Investition als das ganze Geld, das manche Leute in schlecht ausgelasteten ÖPNV auf dem Land investieren wollen, um einen Grund zu haben, die Landeier von den Auto wegzukriegen.
Wobei das Problem auf dem Land mit dem Verkehr sogar sehr vielschichtig ist und eigentlich nicht in dem Maße durch ÖPNV verbessert werden kann, wie es im urbanen Raum möglich ist, wo das Netz einfach dichter und die Wege kürzer sind.
Klar, für reine Pendlerfahrten in die nächste Stadt, taugt das und da dürften dann auch gerne mehr Verbindungen angeboten werden. Zu typischen Uhrzeiten ist auch mit Zusatzwagen noch brechend voll. Aber ehrlich gesagt, ist das nur der unkomplizierte Teil. Und für den komplizierten Teil braucht es dringend einen ressourcenoptimierten Individualverkehr, im Klartext eine Reduktion des privaten Fahrzeugbestands, ohne dabei großen Verzicht üben zu müssen. Die Entwicklung, dass man beim Fahren in den Städten immer weniger Bordsteinkanten zu Gesicht bekommt, weil links und rechts alles dicht zugeparkt ist und zur rush hour auch hinter und vor einem selbst dichtes Gedränge ist, führt doch zunehmend zum Infarkt der Innenstädte.
Ich versuche ja, Teil der Lösung zu sein und wenn möglich ÖPNV zu nutzen, aber die Probleme sehe ich ja selbst:
Vom Dorf (6,5k EW) zur nächsten Stadt (300k EW) sind es bei mir von Ortsgrenze zu Ortsgrenze "nur" knapp 20km. Ich hab sogar das Glück, dass meine teils wöchentlich teils täglich aufgesuchten Zielorte in unmittelbarer Nähe der Bushaltestelle derselben Linie liegen.
Problem 1: das Gepäck. Mehr als eine mittelgroße Tasche, Rucksack ist als Gepäck nicht drin, wenn es noch halbwegs bequem und im Gedränge gegenüber Mitfahrern zumutbar sein soll. Sogar ein Trompetenkoffer passt schon nicht mehr hinter den Sitz, muss also halb im Gang stehen (wenn man nicht den benachbarten Sitzplatz damit belegen kann) und auf dem Weg dahin je nach Busmodell vom Rücken ab und in die Hand genommen werden, weil ich mit rucksackartigem Gepäck von den Schultern her einfach zu breit für den Gang bin (in den von links und rechts wiederum Knie und Schultern reinragen, weil auch die Sitze schmal bemessen sind).
Die typischen Besorgungen im stationären Handel sind damit auch schon nicht transportfähig. Für eine kurze Strecke (Stichwort P+R) ginge das im Einzelfall dann schon, allgemein nur mit einem selbstfahrenden Taxi, also von der Einkaufsstraße bis zum Parkhaus.
Problem 2: die "letzte Meile". Und damit meine ich nicht den Zielort, wo ein dichtes Netz herrscht, sondern meinen Heimatort. Von Haustür bis zur Bushaltestelle (und logischerweise retour) sind es bei mir je nach Linie zwischen 1 und 1,5km. Bei mildem Wetter und ohne Gepäck durchaus eine willkommene körperliche Betätigung (werde ich wohl in 20 Jahren anders sehen). Bei Hitze, Kälte, Dunkelheit, Regen, Schnee/Glatteis oder mit größerem Gepäck eher nicht so der Renner. Ein Fahrrad (wieder ein Fortbewegungsmittel, was fast seine ganze Lebenszeit über stillsteht) löst das Problem auch nicht grundlegend, verringert nur den Zeitfaktor. Wie sieht also meine "Lösung" aus? Mit dem Auto von zu Hause möglichst nah ran an die Haltestelle und hoffen, dass einer der Parkplätze im Ortskern frei sind und ab da dann mit Bus hin und zurück. Ein Transfer mit dem Robotaxi, sofern erschwinglich, könnte da Abhilfe schaffen.
Problem 3: der Faktor Zeit. Ich sagte ja, dass ich direkt am Endziel mit dem Bus ankomme. Dafür benötige ich unter idealen Verkehrsbedingungen, also kein Stau und keine rote Welle erwischt, von Haustür bis Endziel mit dem PKW knapp 30min mit ÖPNV knapp 60min. Pro Tag also eine ganze Stunde Unterschied, die ich entweder zu Hause oder im Bus sitze. Das lässt sich auch leider nicht wirklich auflösen, wenn man nicht mit dem eigenen Wagen fahren will. Allerdings ist zur rush hour viel Stau, der deutlich geringer ausfiele, wenn die Leute zumindest im Stadtbereich (wieder Stichwort P+R) auf's eigene Auto verzichten könnten.
Problem 4: das Dorf. Selbst wenn ich den perfekten, zügigen, komfortablen Weg von zu Hause in die nächste Stadt und wieder zurück bekomme: man muss ja auch mal vor Ort einkaufen, zum Arzt, zur Post, zum Verein, ...
Als das aktuell in der Erschließungsphase befindliche neue Baugebiet (natürlich eine Einfamilienhaus-Siedlung auf der grünen Wiese, weit ab vom Schuss) öffentlich bekannt gegeben wurde, habe ich gescherzt, dass ja bald die Chance auf eine dorfinterne Ringlinie ganz gut stehen dürften.
Klar ist aber: wer durch seine Wohnlage dazu gezwungen ist, einen privaten PKW zu unterhalten, tendiert auch dazu, diesen zum Pendeln zu nutzen (Steuern und Versicherung zahlt man ja eh) und verursacht damit die bekannten Problem in den Oberzentren,
Die eigentlich ganz gute Idee, auf'm Dorf Carsharing anzubieten krankt am Ende daran, dass der Weg zur Sharingstation und zurück ja auch irgendwie bewältigt werden will. Außerdem ist das anbieterseitig nicht so flexibel. Autonome Fahrzeuge beheben beide Probleme: ich komme direkt von Tür zur Tür und wenn die Nachfrage es hergeben sollte, können Fahrzeuge von anderen Standorten sich selbst überführen. Sei es, weil gerade Schützenfest ist und mehr Fahrzeuge gebraucht werden oder weil ich ausnahmsweise einen größeren Transporter benötige, den ich mir sonst als Mietwagen irgendwo abholen und zurückbringen müsste.
Problem 5: das Alter. In einer zunehmend alten Gesellschaft stellt sich ganz dringend die Frage, wie man die alten Leutchen von A nach B kriegt, auch wenn die selbst nicht (mehr) fahren können und sich als Rentner keinen Privatwagen mehr leisten können/wollen. Auch hier scheint das autonome Taxi viele Probleme, die in der Breite erst noch kommen, zu lösen. Man darf ja nicht vergessen, dass es früher oder später dazu kommt, dass die Kinder der ältesten Mitbürger selbst bereits in Rente sind. Dann müsste die Generation in der Mitte sowohl die eigenen Kindern, als auch die eigenen Eltern und Großeltern bei Bedarf chauffieren.
Ich persönlich setze große Hoffnungen in das autonome Fahren und finde es etwas schade, dass man da augenscheinlich im Autoland Deutschland etwas hinterherläuft. Für mich ist das auch biografisch interessant, weil ich (m, 30 J) wohl genau die Generation verkörpere, die in der Jugend handgeschalteten Verbrenner gelernt und darauf Fahrpraxis gesammelt hat, dann in der Lebensmitte Elektroauto fährt und spätestens als Rentner überwiegend per Robotaxi unterwegs ist. Falls ich dann mal meine Rente aufbessern muss, kann ich als lebendes Fossil im Automuseum jobben.