Finde hier den Move von Amazon, Google und Apple vollkommen legitim. Das Framing, es ginge hier um die Unterdrückung einer "Free Speech App" - wie von politischen Figuren im rechten Spektrum nun auf die Debatte aufgesetzt - ist einfach nicht richtig. Wer sich bspw. die Forderung von Apple anschaut, dass Parler entweder eine robuste Contentmoderation einführt oder eben Apple die Geschäftsbeziehung terminiert, sieht ein ganz normales Vorgehen. Ein Privatunternehmen muss keine Geschäftsbeziehungen mit einem anderen Unternehmen aufrecht erhalten, das absolut toxisch ist. Und die Forderung von Exekutionen von bspw. dem US-Vizepräsidenten fällt offensichtlich darunter.
Die Forderung nach einer Contentmoderation ist also durchaus fair. Dass auf Parler ohne größere Konsequenzen zu Mord und Exekutionen aufgerufen werden können oder Umsturzversuche offen geplant werden - und man ja weiß, dass der CEO ein loyaler Anhänger des abgewählten Präsidenten ist, der diesen Umsturz wollte - muss nicht hingenommen werden. Und das kann ich nicht nur bei Google und Apple verstehen, die die Distribution dieser App unter diesen Umständen nicht möchten, sondern auch Amazon (AWS), das seine Clouddienste hierfür nicht benutzt haben möchte.
Über den Bann von Trump von Twitter / Facebook braucht man in dem Kontext kaum sprechen (wird aber oft in die Debatte eingehängt), da er seit langem wiederholt gegen die ToS verstoßen hat und das nur geduldet wurde, weil seine Mitteilungen Nachrichtenwert hatten (bzw: Geld). Es ist passiert, was jedem anderen schon lange passiert wäre. Dieses Märchen der Wahlfälschung, das Trump schon oft ausgepackt hat (s. 2015 bei Vorwahlen, die schlecht liefen, oder 2016 im Vorfeld der von ihm selbst erwarteten Niederlage), führt eben zu genau dem, vor dem viele Leute gewarnt haben. Und Leuten einzureden, ihre Wahl wurde gestohlen, die echte Wahl sei ein "landslide win" und dass ihr Land weg sei, wenn sie jetzt nicht darum kämpften... ja, was soll denn sonst passieren? Die Gerichtsakten in über 60 Fällen sind frei verfügbar und sprechen für sich. Es ist schon spannend, wie sich der Ton seiner Vertreter ändert, sobald sie unter Eid stehen.
Das ist Parler schon recht so geschehen. Ihnen steht absolut frei, sich komplett selbst zu hosten und wieder online zu gehen. Oder eben gegen solche für die meisten Menschen untragabre Inhalte vorzugehen um die Geschäftsbeziehungen wiederaufnehmen zu können. Vielleicht dann auch technisch etwas versierter und hoffentlich mit einem Moderationsplan, damit die Plattform eben nicht ein Netzwerk ist, auf dem solcher Terror problemlos geplant werden kann (und genau das ist das, was im Kapitol passiert ist, eben. Die Nutzung und/oder Androhung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele, insb. entgegen der Verfassung).
Ich finde es gut, dass man sich Gedanken macht, wann soetwas zu weit geht bzw. Missbrauch von Marktmacht ist. Hier sehe ich davon nichts gegeben. Ich würde Parler und Trump selbst durch drei Paar Handschuhe nicht als Unternehmen berühren wollen. Und ganz ehrlich, ich finde es auch richtig, dass diese öffentliche Ohnmacht gegenüber QAnon und deren gewaltbereite Segmente endet. Das Toleranz-Paradoxon ist nicht so theoretisch, wie manch einer denkt.