eastcoast_pete schrieb:
War das was die 737 Max so Absturzgefährdet nicht auch ein "Bug"?
Jain. Die Logik hat so gearbeitet, wie sie programmiert wurde, nur wurde diese, so wie ich das verstanden habe, nicht richtig durchdacht bzw. ungenügend gesichert. Der Eingriff des MCAS, welches keine Neuentwicklung, sondern bereits bei der KC-46A, der militärischen Tanker-Variante der Boeing 767 vorhanden war, fand wiederholend statt, solange die Daten, mit denen es arbeitet sich nicht normalisiert haben. Es war ursprünglich eigentlich nur dafür da, die Flugeigenschaften des Vorgängers, der Boeing 737-800 zu simulieren. Die 737MAX hatte eine Tendenz hochzuziehen, das MCAS sollte genau da gegensteuern, was auch gut funktioniert, wenn es mit korrekten Daten gefüttert wird.
Problem Nummer 1 war, dass das System nicht mehr zuverlässig arbeitet, sobald ein Anstellwinkelsensor (AoA) falsche Daten liefert. Es wurde nicht auf den zweiten umgeschaltet, sondern weiterhin der erste genutzt, der falsche Daten liefert und somit hat das MCAS mit unkorrekten Daten gearbeitet. Das heißt selbst wenn die Fluglage eigentlich stabil ist, bekommt das MCAS falsche Daten von einem AoA-Sensor, dann versucht es dagegen zu steuern. Mit der ursprünglichem Implementierung arbeitet das System solange, bis die Daten, die es bekommt wieder eine normale Fluglage anzeigen, was aber unter Umständen niemals passieren wird, wenn ein AoA-Sensor defekt ist und permanent falsche Daten liefert. Dann arbeitet das System dauerhaft und wiederholt gegen die scheinbar falsche Fluglage.
Problem Nummer 2 war, dass zum ersten Unfall keine Airline und deren Piloten über die Existenz des Systems wussten, also auch nichts tun konnten, um es abzuschalten. Boeing hat die Piloten in eine Kiste setzen lassen, denen gesagt, sie fliegt wie der Vorgänger und das System verschwiegen. Das war sehr sehr wichtig für Boeing, damit die Airlines teure Nachschulungen für den Typen erspart bleiben. Das war auch der Grund, weshalb Boeing sehr lange versucht hat das MCAS soweit aus der Schusslinie zu nehmen, dass sogar
Simulatorversuche manipuliert worden sind um beide Abstürze Pilotenfehlern anzuhängen. Da ging es nicht nur um Schadensersatzforderungen für Hinterbliebene, sondern auch um Aufträge von Kunden, denen Boeing ein Flugzeug versprochen hat, welches kein Zusatztraining außer einer einstündigen Tablet-Einweisung für die Piloten braucht. Da nach der Wiederzulassung die FAA Zusatztraining fordert, kann das sehr sehr teuer werden, da Boeing jetzt seinen Vertrag über ein Flugzeug ohne Zusatztraining nicht mehr erfüllen kann und dadurch die Airlines Regressforderungen stellen können (oder die Aufträge komplett stornieren, was ebenfalls schon passiert ist).
Beim ersten Unfall waren die Piloten überfordert, da die nichts von dem System wussten und die Trimmung sich immer weiter nach unten verstellt hat. Beim zweiten Unfall wars wohl so, dass die Piloten bereits über das MCAS wussten und korrekt reagierten, in dem die die elektronische Trimmung abgeschaltet hatten. Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt das MCAS die Trimmung des Höhenleitwerks bereits so stark nach unten verstellt, dass es den Piloten rein physikalisch nicht mehr möglich war, das Trimmrad manuell wieder in die neutrale Stellung zurückzudrehen, da die aerodynamischen Kräfte aufs Leitwerk durch den Sturzflug schon zu stark gewirkt hatten. Durch das Abstellen der elektronischen Trimmung konnte ab da nur noch rein mechanisch am Trimmrad gedreht werden und wie gesagt, dafür reichte die Manneskraft nicht mehr aus.
Der Fix für das MCAS sieht nun wie folgt aus: Erstens werden jetzt Daten von beiden AoA-Sensoren genutzt und bei einer zu großen Abweichung beider Sensoren wird die automatische Trimmung für den Rest des Fluges vollautomatisch deaktiviert (mit visueller Meldung für die Piloten), so dass das MCAS gar nicht mehr eingreifen kann. Zweitens greift das System pro hohem Anstellwinkelevent nur noch einmal ein, so dass die Verstellung der Trimmung auf ein maximales Maß beschränkt wird, welches den Piloten noch die Möglichkeit gibt mit realistischem Kraftaufwand die Trimmung zurückzudrehen. Drittens prüfen sich die Flugsteuerungscomputer nun gegenseitig und verhindern eine falsche automatische Betätigung der Trimmung, sobald unplausible Daten entdeckt werden.
Also wie gesagt, es war kein Bug per se, sondern eine nicht ausgereifte Implementierung. Boeing wollte so schnell wie Möglich einen Nachfolger für deren Cashcow Nummer 1 bringen, da Airbus mit dem A320neo bereits vorgelegt hatte. Ursprünglich hatte Boeing nicht mal vor gehabt die MAX zu bauen, da man eine komplette Neuentwicklung vorziehen wollte. Allerdings war man durch den A320neo unter Zugzwang, da musste man abwägen, ob man Airbus das Feld für ein paar Jahre fast vollständig überlässt um dann mit einem komplett neuen Flugzeug zurückzuschlagen, oder eben seine uralte 737 zum dritten mal zu modernisieren. Man entschied sich für letzteres und hat dabei die Sicherheit vernachlässigt. Und die FAA hat auch nicht richtig hingeschaut...