Yasmin schrieb:
Also, ich hätte mir natürlich denken können, dass ich mit einem Satz wie "warum ein NAS kein Backup darstellt" hier nicht davonkomme.
Dieser Satz wird halt hier (und in anderen ähnlichen Foren) gerne sehr plakativ verwendet, um "NAS Anfänger", die sich ihr erstes NAS eben oft hinstellen um sich vor Datenverlusten zu schützen, darauf aufmerksam zu machen, dass ein NAS und auch RAID1 für sich genommen in der Regel keine ausreichende Backup-Strategie ist und keinesfalls vor allen Verlustszenarien schützt.
Insofern ist der Satz verständlich und sinnvoll, aber ich mag ihn aus zwei Gründen persönlich nicht:
- Er ist eine Pauschalaussage, und Pauschalaussagen sind fast immer falsch
- Er wird oft so absolut gebraucht das er die Menschen, die ihr erstes NAS einrichten, komplett entmutigt.
Hier im Forum gibt es viele Teilnehmer die eine Deutungshoheit beanspruchen was ein Backup ist und was nicht. So gibt es oft die Behauptung, das ein Backup zwingend "offline" - sprich vom zu sichernden System getrennt werden muss - um ein Backup zu sein.
Ich habe vor ein paar Wochen mal einen halben Sonntag damit verbracht, herauszufinden, ob es irgendwo eine wissenschaftlich fundierte und anerkannte Definition gibt, was ein "Backup" ist. Ich habe keine gefunden, was auch logisch ist. Ein einzelnes technisches Artefakt, wie die Festplatte in einem NAS, ein USB Stick, ein Tape oder was auch immer, ist immer nur ein Teil einer umfassenden Backup Strategie.
Eine Backup Strategie besteht immer aus einem Ziel (also was will ich erreichen, vor welcher Art Datenverlust will ich mich schützen) und Maßnahmen dieses Ziel zu erreichen.
Ob meine Backup-Medien in meinen Keller gut aufgehoben sind, hängt stark davon ab wie sicher mein Keller gegen alle möglichen Gefahren ist. Und wenn ich ein Zweit-NAS bei meinen Eltern aufstelle, die ihr Haus 2km von mir entfernt im selben Flusstal stehen habe, dann schützt es mich vor Feuer aber nicht vor der nächsten Flut...
Also erst mal muss ich immer fragen, vor welchem Datenverlust will ich mich schützen und was ist es wert.
Beispiel: Ein Online Ticket fürs Kino heute Abend ist in meinen Cloudspeicher ausreichend geschützt. Der Verlust kostet mich im schlimmsten Falle 20 oder 30 EUR (keine Ahnung was der aktuelle Preis für Kinokarten ist..) und einen verdorbenen Abend.
Ähnliche Überlegungen muss man z.B. auch zur Frage der Sicherungshäufigkeit anstellen: Wenn ich als Student gerade in den letzten Zügen meiner Bachelor Arbeit liege, sollte ich vielleicht alle 30 Minuten ein Backup anlegen, denn in dieser Situation kann es schon fatal sein wenn ich ein paar Stunden Arbeit verliere.
In den meisten professionell betriebenen Data Centern ist die erste Backup Stufe tatsächlich ein Backup auf eine Online mit den produktiven Systemen verbundenen Speichersystem (also im Prinzip in "NAS", auch wenn man es oft nicht so nennt). Das dient dem Zweck immer ein möglichst aktuelles, schnell zugreifbares Backup des aktuellen Datenbestandes zu haben.
Hauptsächlich wird es benutzt um durch Anwender oder Softwarefehler beschädigte bzw. verlorene Dateien wiederherzustellen. Oft gibt es das sogar als Self-Service für den Endanwender. Bei meinem Web Hoster kann ich z.B. für 5 EUR Pauschal im Self Service meine Webrpäsenz für bis zu 30 Tage Horizont widerherstellen. Der "Ramsonware Schutz" in Microsoft OneDrive Premium funktioniert ähnlich.
Neben diesem primären Backup gibt es mehrere Sicherungsstufen, die auch verschiedene Zwecke haben.
Man muss hier auch zwischen Mechanismen unterscheiden, die eher der Aufrechterhaltung von Verfügbarkeit dienen (neben RAID z.B. auch Replikationen an andere Standorte, etwas "Zone Redundancy" bei Azure) und Mechanismen die der Wiederherstellung zerstörter Daten (Data Recovery) dienen und dabei auch in der Zeit zurückgehen können.
RAID gehört klar in den Bereich Verfügbarkeit, diese Mechanismen dienen dem Zweck den "letzten Stand" mit möglichst geringer Downtime wiederherzustellen. RAID hat halt nur einen sehr engen Use Case für genau eine Art von Ausfall, nämlich dem einer HDD oder SSD.
Ich habe mein erstes RAID in unserer damaligen Firma unter Windows NT 3.5 Server eingerichtet, damals waren Festplattenausfälle noch sehr häufig, Backups auf Tapes langsam und immer ein wenig Glückssache ob der Restore klappt. RAID war da ein großer Fortschritt und hat uns ein paar mal gerettet. Heute sind die Bedrohungen andere und Festplatten zuverlässiger, da hat RAID eine viel geringe Bedeutung.
Um die Sachen auf den Punkt zu bringen: Es ist eigentlich völlig unbedeutend, ob Du etwas "Backup" nennst oder nicht. Es geht nur darum, sich vor Datenverlusten zu schützen und man muss sich immer überlegen, mit welcher Maßnahme man sich vor was schützen möchte.
Ich nutze z.B. CloudSync auf meinem NAS um unsere OneDrives lokal auf das NAS zu replizieren und von dort mit Hyperbackup nochmal auf USB Platten zu sichern. CloudSync läuft dabei übrigens nur in eine Richtung (also OneDrive nach NAS)
Das Risiko, dass ich damit "eindämmen" möchte ist, dass Microsoft wegen (angeblichen) Verstoß gegen Nutzungsbedingungen uns den Zugriff auf unsere Cloud Ressourcen entzieht.
Ein Teil dieser Daten landet, zusammen mit anderen Daten auf dem NAS noch zusätzlich in einem Synology C2 Account. Wenn ich den OneDrive als "Original" betrachte, dann ist das NAS Kopie 1, die USB Platte Kopie 2, C2 Kopie 3, C2 ist auch der "andere Ort".
Wenn natürlich am gleichen Tag Microsoft mir mein Konto sperrt, mein Haus abbrennt und eine Hackerbande es schafft die Synology C2 Server zu zerstören, dann habe ich verloren. Mit diesem Risiko bin ich gewillt zu leben...
Es gibt auch ein paar Daten (z.B. VM Images von meinen Entwicklungs- VMs) die nur auf dem NAS gesichert werden. Diese Image Backups dienen mehr dem Komfort, dass ich eine kaputte VM schneller wieder herstellen kann. Von Hand brauche ich dafür vielleicht einen Tag, das ist akzeptabel.
Es gibt auch Dinge von denen gibt es einfach ganz klassisch einen Ausdruck auf Papier (z.B. Rechnungen).
Yasmin schrieb:
"warum ein NAS in meinem Fall nicht einen kleinen Teil der Backup-Strategie, zusätzlich zu 3-2-1, darstellen kann"
Er ist eigentlich ein sehr wichtiger Teil Deiner Strategie: Es ist die erste Konsolidierungsstufe und Vorrausetzung damit Du überhaupt ein Backup machen kannst.
Und da will ich wieder auf meine Bemerkung vom Anfang zurückkommen:
Viele Privatnutzer haben überhaupt keine irgendwie geartete redundante Kopie ihrer Daten und die einzige Instanz ihrer Daten ist dann obendrein auf einem Mobilgerät, das allen möglichen Gefahren ausgesetzt ist.
Für diese Anwender stellt eine regelmäßige, automatische Sicherung der Daten vom Smartphone auf da NAS einen extremen Schritt nach vorne da. Schon dass das NAS (relativ) sicher zu Hause steht, ist ein großer Vorteil. Ihnen dann zu suggerieren, dass ohne weitere Backup Schritte nicht gewonnen ist, ist schlicht und ergreifend falsch.