Warum die meisten Boards prinzipiell für alle Ryzen 3000 weiter genutzt werden können:
Prinzipiell wird man sogar den 16-Kerner auf einem B350-Board betreiben können. Solange man ein UEFI-Update mit Support für Ryzen 3000 bekommt, und der Hersteller die gewünschte CPU in die Supportliste aufnimmt, so lange wird man sie darin auch betreiben können, und zwar ohne Mainboard-Tod nach kurzer Zeit. Da die Supportlisten vielfach noch nicht mit Ryzen 3000 befüllt wurden, kann man sich an der TDP orientieren. Und ja, die Hersteller haben tatsächlich Boards, die nur bis 65W TDP gehen. Das sind vornehmlich die A320-Modelle, für die es eh keine Ryzen-3000-UEFIs geben wird.
Der entscheidende Punkt bei Ryzen ist,
dass die CPU selber merkt, was das Board kann. Das ist ein grundlegender Unterschied zu Intel. Elektrisch orientieren sich die CPUs bei AMD an ihrer TDP, dabei fließen aber auch alle Messwerte von SenseMI ein. Wenn auf dem CPU-Karton 105W drauf steht, dann kann die CPU mit einem Kühlsystem betrieben werden, das 105W abführen kann. Und sie kann auf einem Board betrieben werden, welches CPUs mit 105W TDP versorgen kann. Mit der CPU-Supportliste geben die Hersteller klar an, ob das Board das kann.
Wieso laufen so dicke CPUs auf so mickrigen Boards?
Der Trick dabei ist der weite Leistungsbereich, den die CPUs haben. Beim 3950X liegen zwischen Basistakt und Maximalboost satte 1200 MHz Differenz. Das sind Notebook-Dimensionen hinsichtlich des Boosts. Dazu kommt dann noch, dass AMD den in der TDP einkalkulierten Boost-Spielraum groß oder klein gestalten kann. Außerdem gibt es noch den Effizienzgewinn durch den Wechsel auf die 7nm-Fertigung.
Ein 2700X verbraucht typisch bei 3,5 GHz 56W, bei 3,7 GHz 75W und bei 4,0 GHz 120W (Quelle:
The Stilt). Es bleiben also 30W Spielraum oberhalb des Basistakts, die einerseits für Boost und andererseits für untypisch fordernde Lasten genutzt werden können.
Betrachten wir nun mal den 3950X. Das Folgende ist sehr viel Kristallkugel. Wenn man davon ausgeht, dass 7nm bei gleichem Takt 30% weniger verbraucht, dann ist man für 3,5 GHz bei 40W. Nimmt man zwei Chiplets für 16 Kerne, sind es 80W. Es sind nun also wiederum etwas geringere 25W Spielraum bis zu 105W verfügbar. Verhält sich 7nm ähnlich wie 12nm, so verdoppelt sich bis 4,0 GHz die Leistungsaufnahme in etwa, und man wäre bei 160W. Hoffen wir mal, dass die Kurve länger flach bleibt. Und im Gegensatz zum 2700X soll diese CPU ja nicht nur bis 4,3 GHz boosten, sondern sogar bis 4,7 GHz oder mit PBO sogar bis 4,9 GHz. Na dann viel Glück! Mal sehen, auf wie vielen aktiven Kernen man wie viel Takt sehen wird.
Wie man sieht, bekommt man sehr wohl den 3950X mit einem derart niedrigen Basistakt problemlos auch auf einem B350-Board ans Laufen. Es gibt dann allerdings sehr wenig Spielraum nach oben.
Wieso viele bisherige Boards für die kommenden 16-Kerner nicht gut geeignet sind:
Eine CPU, die problemlos auch mehr als 105W verbrauchen
könnte, bringt bei Last auf allen Kernen dann bei einem B350-Kandidaten die Spannungswandler exakt an ihr Limit, und die CPU regelt sich entsprechend mit SenseMI dann deutlich unter das, was sie eigentlich liefern könnte. Bei einem 3950X kann man sich dann freuen, mehr als 3,5 GHz zu sehen. Bei einem 3700X wird man die beste Leistung erleben, die das Board je abgeliefert hat. Das Spiel setzt sich dann bei den höheren CPUs und Boards fort, und der 3950X wird dann die CPU sein, die wohl nur mit den Top-X470-Boards noch recht gut ausgefahren werden kann.
Fazit:
Die Frage wird nicht sein, ob die CPU auf einem Board läuft. Die Frage wird sein, wieviel Leistung man mit dem Board verschenkt. Hoffentlich kommen dazu genug Tests.
Update vom 2.Juli 2019:
Robert Hallock
erklärt in einer Spezialausgabe von The Full Nerd, dass die Planung für AM4 von Anfang so war, dass der durch mehr Kerne und höheren Takt ansteigende Strombedarf durch die Effiziensteigerung beim Wechsel auf 7nm ausbalanciert wird. Ein X370-Board ist genau so gut geeignet für einen Ryzen 3950X wie ein elektrisch ähnlich ausgestattetes X570-Board.
Außerdem
stellt er auf Reddit klar, dass prinzipiell jedes Board für jede CPU geeignet ist:
Every motherboard you have ever seen or heard of meets the AMD minimum specifications for electrical capacity, and exceeds it by some amount of margin. The CPU will not use any VRM headroom beyond the minimum specification unless you tell it to do so with PBO or manual OC. If someone isn't overclocking, better-than-AMD-recommends power supplies just look pretty.
[...]
EXAMPLE: A 105W Ryzen Processor will never use more than 142W socket power; 95A from VRMs when they're thermally-constrained; or 140A from the VRMs when they're not constrained. That's hard-coded into the firmware until you tell the CPU to ignore it. Any motherboard rated for 105W Ryzen processors will meet this and then some. If the motherboard is significantly overbuilt, that extra capacity is does not assist the processor in any way until you override the OEM behavior.
Selbst ein Ryzen 3950X überschreitet also standardmäßig niemals die Spezifikation, die auch für den Ryzen 2700X gilt. Wo der läuft, da läuft also zunächst einmal auch ein 3950X. Natürlich kommt der dann bei 16 aktiven Kernen nicht weit über den Basistakt von 3,5 GHz hinaus.
Was man daraus noch schließen kann:
Wenn die CPUs im Normalbetrieb ohne Aktivierung von PBO oder manuelles Overclocking dem Board aus elektrischer Sicht immer das gleiche abverlangen, dann ist der limitierende Faktor beim Vergleich unterschiedlicher Boards nur die Temperatur. Bessere Kühlung von VRM oder CPU erlaubt mehr Boost.
Ein hochwertiges Board benötigt man also nur dann, wenn man mit PBO oder auch manuell Overclocking betreiben will, oder wenn man eine etwas höhere Performance auch bei schlechter Kühlung erzielen möchte, weil die VRMs bei wenigen Phasen schneller heiß werden.