Freiheraus
Lt. Commander
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Die Zen 2 Architektur hat den Ruf bisher unerreicht effizient unter Volllast zu rechnen, jedoch weniger sparsam im Leerlauf und unter Teillast zu agieren. Das mag bei Matisse noch nicht sonderlich überraschen, beispielsweise aufgrund des Chiplet-Aufbaus mit gesondertem I/O(+MC)-Chip, der notwendigen IF-Links und des üppigen L3 Caches. Die Server-Gene sind hier unverkennbar.
Aber auch Renoir mit seinem monolithischen Design werden gegenüber entsprechenden Intel-Pendants (Comet Lake/Ice Lake) Defizite hinsichtlich der Leistungsaufnahme im Leerlauf bzw. unter geringer Last nachgesagt, oft jedoch ohne konkrete Nachweise. Dieser kolportierte Nachteil soll mitunter auch auf das Konto der scheinbar stromhungrigen Chipsätze gehen. Offenbar hat sich aber bisher kaum jemand die Mühe gemacht, das (intensiver) zu beleuchten.
Ich habe versucht diesem Hörensagen etwas auf den Grund zu gehen - im Rahmen eines Chipsatz-/Platinenvergleichs zwischen B450, X570 und B550, den ich demnächst noch als Artikel verpacken werde - und bin dabei auf interessante Dinge gestoßen. Herausgekommen sind nicht nur spannende Erkenntnisse, sondern auch konkrete Ergebnisse, die für eine vollwertige, leistungsfähige Desktop-Plattform (wozu ich z.B. Atom-Verwurstungen nicht zähle) fast schon ein kleiner Paukenschlag sind. Es geht hierbei um Werte die merklich die 10 Watt-Marke im Leerlauf unterschreiten. Was eigentlich nicht zum oft kolportierten Zen-Pferdefuß passen will.
Die Testplattform – Glück im Unglück bei der Mainboard-Wahl
Ursprünglich hatte ich einen Vergleich zwischen den Platinen Gigabyte B450 I Aorus Pro WIFI, Gigabyte X570 I Aorus Pro WIFI und Gigabyte B550I Aorus Pro AX geplant. Drei Chipsätze, drei Mini-ITX Platinen, drei mal der selbe Hersteller. So sollten mMn eine gute Basis für einen Chipsatzvergleich aussehen. Doch leider kam Gigabyte nicht in die Gänge, auch Wochen nach erfolgtem B550-Startschuss war ihr neuer ITX-Sprössling nirgends bei den Händlern zu verorten. Um nicht langsam die Geduld zu verlieren, suchte ich nach einer ITX-Alternative, die mir halbwegs geeignet erschien.
MSI war gleich aus dem Rennen, mit einem abgespeckten ALC1200 an der 200 Euro-Marke zu kratzen und die fragwürdige Chipsatzkühlung erschien mir knausrig und geringschätzig.
ASRock bot mir mit seinen beiden B550-ITX-Modellen keinen vernünftigen Mittelweg, die Wahl zwischen einer Budget-ITX-Platine mit ALC887 und einem >210 Euro teuren Boliden ohne einer dem Preis würdigen (Heatpipe)Kühllösung, ließ mich letztlich ohne Entscheidung und Kauf zurück.
ASUS‘ Produktentwicklungs- und Marketing-Abteilung zeigte sich etwas gewiefter als die Konkurrenz. Kein unangebrachter Geiz beim Sound-Codec (ALC1220), reichlich USB3.2 Gen2-Anschlüsse und ein üppiges Cashback-Versprechen (ich warte immer noch), das erst gar keine Bauchschmerzen ob des Preises aufkommen lassen sollte. Tatsächlich erschien mir das Preis/Leistung-Verhältnis trotz lediglich solider Kühl- und VRM-Umsetzung attraktiv. Ehrlich gesagt verspüre ich das nur sehr selten bei diesem Hersteller.
Ein Problem das ich mit ASUS jedoch hatte, war die Tatsache, dass bei deren AM4-Platinen oft keine direkte Einstellung der ASPM-Modi möglich ist, weder im BIOS noch über die Windows-Energiespareinstellungen (genaueres zu dem Thema hier im Artikel: Link
Auf der anderen Seite wusste ich, dass mich bei diesem Modell eine Phasenabschaltung erwarten würde, die das Potential hat im Leerlauf mehrere Watt einzusparen. Mit gemischten Gefühlen bestellte ich also die mMn im Vergleich zum Gigabyte-Wunschkandidaten weiterhin mittelmäßig erscheinende ASUS-Alternative. Welche sich allerdings noch als echte Überraschung entpuppen sollte.
Übrigens besitze ich mittlerweile auch das Gigabyte B550I Aorus Pro AX, kurz nachdem ich das ASUS ROG Strix B550-I Gaming erworben hatte, war Ersteres ebenfalls lieferbar. Mehr dazu aber später (Chipsatzvergleich = work in progress).
Testaufbau:
CPU: AMD Ryzen 5 PRO 4650G
MB: ASUS ROG Strix B550-I Gaming (BIOS 0805 – AGESA Combo V2 1.0.0.2)
RAM: 2 x 32GB Micron DDR4-3200 ECC 1.2V @ CL18-18-18-18-43-1T
GPU: Integrierte GPU (AMD Radeon Graphics)
SSD: Samsung SSD 960 EVO 500 GB (M.2 PCIe 3.0 x4)
Lukü: Noctua NH-U9B SE2 (1 x Noctua 92mm PWM)
Fans: 2 x Noctua 80mm PWM (Gehäuse)
PSU: Seasonic Prime Titanium 650W (SSR-650TD)
Energiemesser: Voltcraft Energy Logger 3500 und No-Energy NZR (Kontrollgerät)
OS: Windows 10 Pro (Version 2004)
Chipsatz-Treiber: Chipset Software 2.07.14.327
Grafik-Treber: Adrenalin 2020 Edition 20.8.2
Sound-Treiber: Microsoft 10.0.19041.264
Videoplayer: Windows 10 App - Filme & TV
Musikplayer: Windows 10 App - Groove-Musik
Browser:
BIOS-Konfiguration: Energy Star oder CEC aktiviert, Active VRM HS FAN deaktiviert, CPU-/Gehäuse-Lüfter drehen mit ~500 U/min im Leerlauf
Windows-Konfiguration: Energiesparplan = Ausbalanciert, AURA LED Controller deaktiviert (im Gerätemanager), Internet per WLAN (online verbunden)
Nach der etwas längeren Einleitung gehen wir endlich ans Eingemachte. Eins noch vorweg, das wie erwartet auftretende ASPM-Problem beim ASUS ROG Strix B550-I Gaming ließ sich zum Glück nach etwas herumprobieren umgehen. Mit dem Aktivieren des Energy Star- oder CEC-Features im BIOS forciert die ASUS-Platine den L1-Modus der PCIe-Lanes. Auch alle LEDs werden dadurch im BIOS automatisch deaktiviert, recht praktisch. Mittlerweile, habe ich außerdem ein Mod-Bios vom User Reous im Hardwareluxx-Forum entdeckt, dass das ASPM zugänglich und unabhängig konfigurierbar macht.
Leistungsaufnahme im Leerlauf und unter (sehr) leichter CPU-Last
Kurze Erläuterung der Werte im Diagramm:
1) Normaler Leerlauf, keine Programme offen (Verbindung zum Internet per WLAN steht)
2) Geöffneter Steam-Launcher auf dem Desktop (über den halben Bildschirm)
3) Windowseigene Musikplayer-App „Groove“ spielt eine mp3 ab
4) Windowseigene Videoplayer-App „Filme & TV“ spielt ein H.264 UHD-Video ab
5) Windowseigene Videoplayer-App „Filme & TV“ spielt ein HEVC UHD-Video ab
6) Auf YouTube wird ein UHD-Video per Edge-Browser abgespielt (Download beendet)
7) Auf YouTube wird ein UHD-Video per Firefox-Browser abgespielt (Download beendet)
Da musste ich selber erst mal staunen. Wie ist es möglich eine derart niedrige Leistungsaufnahme mit der AM4-Plattform zu erreichen? Freilich ist es ein Zusammenspiel aus dem im unteren Leistungsbereich sehr effizienten 80PLUS Titanium Netzteil, der neuen Renoir-APU, deren Fußabdruck sichtlich aus dem Mobile-Segment stammt, und dem ASUS B550-Mainboard. Der Protagonist scheint mir hier trotzdem Letzteres zu sein. Ein kurzer Gegenvergleich mit dem Gigabyte B550-Mainboard offenbarte nämlich Werte, die rund 4-5 Watt höher lagen. Was ist also das „Geheimrezept“ des ASUS ROG Strix B550-I Gaming?
Dass der B550 eine niedrigere Grundleistungsaufnahme als sein Bruder X570 oder Vorgänger B450 besitzt, davon kann man ausgehen. Warum sich aber das ASUS-Board nochmals so deutlich absetzen kann, ist mir noch nicht 100%ig klar. Vielleicht greift das ASPM bei dieser Platine radikaler im L1 Mode und schickt die PCIe-Lanes noch konsequenter in tiefe(re) Ruhezustände als andere Mainboard-Modelle. Möglicherweise ist aber auch die Phasensteuerung der entscheidende Faktor. Ist sie eingeschaltet werden im Leerlauf und bei leichter Last nicht benötigte Phasen dynamisch abgeschaltet, aktiv sind idR dann nur noch 1 bis 2 Phasen. Das spart bei insgesamt 10 vorhandenen Drosseln und Power Stages (MOSFETs) satte 3,5 Watt. Sobald die Last und der Strombedarf ansteigen, werden die restlichen Phasen stufenweise in Sekundenbruchteilen reaktiviert damit die APU/CPU ausreichend und möglichst effizient mit Strom versorgt wird.
Eine Rolle spielt übrigens auch der bereits oben aufgeführte, „ominöse“ AURA LED Controller. Deaktiviert man ihn im Gerätemanager, kann der Chipsatz wie es scheint erst richtig in einen tiefen Leerlaufzustand schalten. Das spart noch mal das eine oder andere Watt, Voraussetzung ist allerdings das ASPM im L1 Modus. Die Ersparnis kommt dabei also nicht vom Controller selbst, er verhindert nach meiner Einschätzung nur tiefere Ruhezustände.
Das war aber noch nicht alles... erste Experimente mit picoPSUs und Tischnetzteilen haben die 10 Watt-Mauer tatsächlich deutlich fallen lassen. Zusätzlich mit dem Wechsel der SSD (von M.2 auf SATA) und weniger Lüfter waren mindestens zwei weitere Watt drin. Der bisher niedrigste Wert den ich zu Gesicht bekam, lag bei unter 7 Watt (genau genommen 6,8 Watt)!
Renoir unter Last - Vergleich zwischen Ryzen 5 PRO 4650G (65W TDP) und simuliertem Ryzen 5 PRO 4650GE (35W TDP)
Die Leistungsaufnahme der Renoir/B550-Kombination unter diversen Lastenzuständen habe ich mir ebenfalls angesehen. Zum einen im Standard-Modus (65W TDP) und zum anderen im „ECO“-Modus (35W TDP). Im Letzteren darf die APU bis zu 42 Watt aufnehmen, davon macht der CPU-Part in gut parallelisierten Multithread-Anwendungen auch häufig Gebrauch. Im Standardbetrieb entlockt man der APU dagegen nur in Cinebench das Maximum von 65 Watt (nur unter Prime95 wird auch diese Marke gerissen) Nachfolgend eine Übersicht aller Werte zusammengefasst.
Hinweis: Der Ausgangspunkt sind immer die 9 Watt Leerlauf-Leistungsaufnahme des Gesamtsystems, alle Werte wurden an der Steckdose ermittelt
Die APU büßt mit der 35W TDP-Konfiguration überraschend wenig Performance ein, gleichzeitig ist die Ersparnis bei der Leistungsaufnahme zum Teil beträchtlich. Man könnte sich fast fragen, ob es nicht sinnvoller wäre den Ryzen 5 PRO 4650G ausschließlich im 35W TDP-Modus zu betreiben? Die meisten User würden wohl keinen Unterschied bemerken, außer vielleicht an der Stromrechnung (bei häufigem Volllast-Betrieb).
Update (28.09.2020):
Mobile-Zen 2 vs. Server-Zen 2 – Renoirs No/Low-Load-Vorteil
Um zu verdeutlichen wie stark sich das Chiplet-Design (Matisse) gegenüber dem monolithischen Design (Renoir) durch eine erhöhte Leerlauf-/Leichtlast-Stromaufnahme bemerkbar macht, wurde ein direkter Vergleich der beiden Prozessoren mit identischem Testsystem (siehe oben) unternommen. Die sehr sparsamen und effizienten Komponenten drumherum sorgen dafür, dass die Differenz zwischen den beiden Chips möglichst wenig verwässert wird.
Da der verwendete Ryzen 5 3600 selbstverständlich nicht ohne Grafikkarte auskommt, wurde ein Modell verwendet, das lediglich rund 4 Watt im Leerlauf aufnimmt. Auch bei der Videowiedergabe arbeitet die eingesetzte GPU recht genügsam. Beiden Prozessoren wurde somit die Sapphire RX 5500 XT Nitro+ 8GB zur Seite gestellt um vergleichbare Voraussetzungen zu schaffen.
*AURA LED Controller im Gerätemanager deaktiviert um tieferen Idle-State zu erreichen
Ist der Abstand zwischen den zwei ungleichen Prozessorbrüdern im Leerlauf, auch dank Auffahren aller Stromsparmechanismen, mit fünf Watt noch als moderat zu bezeichnen, steigt er bereits mit dem Abschalten des PCIe-Link Powermanagements (ASPM) sichtlich an. Während der Wiedergabe von Videos nimmt die Differenz dann deutlich zu, insbesondere bei der Youtube-Videowiedergabe über Firefox liegen bereits 15 Watt zwischen den beiden 7nm Chips. Die starke Auslastung eines Kerns lässt Renoir dann endgültig enteilen, bis zu 22 Watt Differenz sind fast schon als Diskrepanz zu bezeichnen.
Als kleines Resümee kann man festhalten: Ganz unabhängig von der GPU, Renoir, hier in Form von Ryzen 5 PRO 4650G hat erhebliche Vorteile gegenüber Matisse (z.B. Ryzen 5 3600) was die Stromaufnahme und letztlich Effizienz in leichten bis mittelschweren Lastszenarien betrifft.
Ergänzend wurden noch einige Lastwerte ermittelt, dabei wird die Leistungsaufnahme auch der Performance gegenübergestellt. Unter starker Last relativieren sich zwar die Energie-Differenzen zwischen beiden Prozessoren in Relation etwas, auch weil Matisse im Mittel leicht performanter als Renoir ist, jedoch bleibt der absolute Abstand zwischen den beiden Rechenherzen immer noch merklich.
Hinweis: Bei dem verwendeten Ryzen 5 3600 handelt es sich um ein sehr aktuelles Exemplar (Sommer 2020), daher setzt es sich leistungstechnisch teilweise sichtlich von älteren Ryzen 5 3600 Exemplaren (aus diversen Reviews) ab. Die zwischenzeitlich verbesserte Fertigung wird offenbar direkt in mehr Performance umgemünzt.
Welche Schlüsse kann man nun insgesamt ziehen?
Ob Zen 2 eine „Leerlaufschwäche“ hat, hängt nicht nur vom CPU-Design (monolithisches Design vs. Chiplet-Design) und dem eingesetzten Chipsatz ab, sondern auch maßgeblich von den Mainboard-Herstellern und ihren Künsten bei der Umsetzung der Stromspar-Features. Entscheidend sind auch vorhandene Implementationen, die diese unterstützen oder erweitern (z.B. BIOS-Optionen, Phasenregulierung etc.).
Mein persönliches Fazit: Man benötigt doch kein Baerbone- oder Komplettsystem mit eingeschränktem A300/A500-Chipsatz um einstellige Leerlaufwerte mit einer AM4-APU zu erreichen! :-)
PS: What‘s next? Neben dem geplanten Chipsatz-Artikel mit vier Mini-ITX-Boards (1 x B450, 1 x X570 und 2 x B550), habe ich vor noch die eine oder andere neue AM4-Platine (z.B. A520 ITX oder B550 µATX) auf eine potentielle <10W-Eignung zu testen. Untersuchungen und umfassendere Ergebnisse mit picoPSU und Tischnetzteil sind auch in der Pipeline. Nicht zuletzt würde ich mich über User freuen, die sich dem Thema anschließen, ob theoretischer (Kommentare) oder praktischer (eigene Erfahrungen/Ergebnisse) Natur, ist völlig gleich.
Edit: Falls sich jemand fragt, ob das Mainboard auch mit Zen+ APUs läuft: Ja das tut es!
Aber auch Renoir mit seinem monolithischen Design werden gegenüber entsprechenden Intel-Pendants (Comet Lake/Ice Lake) Defizite hinsichtlich der Leistungsaufnahme im Leerlauf bzw. unter geringer Last nachgesagt, oft jedoch ohne konkrete Nachweise. Dieser kolportierte Nachteil soll mitunter auch auf das Konto der scheinbar stromhungrigen Chipsätze gehen. Offenbar hat sich aber bisher kaum jemand die Mühe gemacht, das (intensiver) zu beleuchten.
Ich habe versucht diesem Hörensagen etwas auf den Grund zu gehen - im Rahmen eines Chipsatz-/Platinenvergleichs zwischen B450, X570 und B550, den ich demnächst noch als Artikel verpacken werde - und bin dabei auf interessante Dinge gestoßen. Herausgekommen sind nicht nur spannende Erkenntnisse, sondern auch konkrete Ergebnisse, die für eine vollwertige, leistungsfähige Desktop-Plattform (wozu ich z.B. Atom-Verwurstungen nicht zähle) fast schon ein kleiner Paukenschlag sind. Es geht hierbei um Werte die merklich die 10 Watt-Marke im Leerlauf unterschreiten. Was eigentlich nicht zum oft kolportierten Zen-Pferdefuß passen will.
Die Testplattform – Glück im Unglück bei der Mainboard-Wahl
Ursprünglich hatte ich einen Vergleich zwischen den Platinen Gigabyte B450 I Aorus Pro WIFI, Gigabyte X570 I Aorus Pro WIFI und Gigabyte B550I Aorus Pro AX geplant. Drei Chipsätze, drei Mini-ITX Platinen, drei mal der selbe Hersteller. So sollten mMn eine gute Basis für einen Chipsatzvergleich aussehen. Doch leider kam Gigabyte nicht in die Gänge, auch Wochen nach erfolgtem B550-Startschuss war ihr neuer ITX-Sprössling nirgends bei den Händlern zu verorten. Um nicht langsam die Geduld zu verlieren, suchte ich nach einer ITX-Alternative, die mir halbwegs geeignet erschien.
MSI war gleich aus dem Rennen, mit einem abgespeckten ALC1200 an der 200 Euro-Marke zu kratzen und die fragwürdige Chipsatzkühlung erschien mir knausrig und geringschätzig.
ASRock bot mir mit seinen beiden B550-ITX-Modellen keinen vernünftigen Mittelweg, die Wahl zwischen einer Budget-ITX-Platine mit ALC887 und einem >210 Euro teuren Boliden ohne einer dem Preis würdigen (Heatpipe)Kühllösung, ließ mich letztlich ohne Entscheidung und Kauf zurück.
ASUS‘ Produktentwicklungs- und Marketing-Abteilung zeigte sich etwas gewiefter als die Konkurrenz. Kein unangebrachter Geiz beim Sound-Codec (ALC1220), reichlich USB3.2 Gen2-Anschlüsse und ein üppiges Cashback-Versprechen (ich warte immer noch), das erst gar keine Bauchschmerzen ob des Preises aufkommen lassen sollte. Tatsächlich erschien mir das Preis/Leistung-Verhältnis trotz lediglich solider Kühl- und VRM-Umsetzung attraktiv. Ehrlich gesagt verspüre ich das nur sehr selten bei diesem Hersteller.
Ein Problem das ich mit ASUS jedoch hatte, war die Tatsache, dass bei deren AM4-Platinen oft keine direkte Einstellung der ASPM-Modi möglich ist, weder im BIOS noch über die Windows-Energiespareinstellungen (genaueres zu dem Thema hier im Artikel: Link
Auf der anderen Seite wusste ich, dass mich bei diesem Modell eine Phasenabschaltung erwarten würde, die das Potential hat im Leerlauf mehrere Watt einzusparen. Mit gemischten Gefühlen bestellte ich also die mMn im Vergleich zum Gigabyte-Wunschkandidaten weiterhin mittelmäßig erscheinende ASUS-Alternative. Welche sich allerdings noch als echte Überraschung entpuppen sollte.
Übrigens besitze ich mittlerweile auch das Gigabyte B550I Aorus Pro AX, kurz nachdem ich das ASUS ROG Strix B550-I Gaming erworben hatte, war Ersteres ebenfalls lieferbar. Mehr dazu aber später (Chipsatzvergleich = work in progress).
Testaufbau:
CPU: AMD Ryzen 5 PRO 4650G
MB: ASUS ROG Strix B550-I Gaming (BIOS 0805 – AGESA Combo V2 1.0.0.2)
RAM: 2 x 32GB Micron DDR4-3200 ECC 1.2V @ CL18-18-18-18-43-1T
GPU: Integrierte GPU (AMD Radeon Graphics)
SSD: Samsung SSD 960 EVO 500 GB (M.2 PCIe 3.0 x4)
Lukü: Noctua NH-U9B SE2 (1 x Noctua 92mm PWM)
Fans: 2 x Noctua 80mm PWM (Gehäuse)
PSU: Seasonic Prime Titanium 650W (SSR-650TD)
Energiemesser: Voltcraft Energy Logger 3500 und No-Energy NZR (Kontrollgerät)
OS: Windows 10 Pro (Version 2004)
Chipsatz-Treiber: Chipset Software 2.07.14.327
Grafik-Treber: Adrenalin 2020 Edition 20.8.2
Sound-Treiber: Microsoft 10.0.19041.264
Videoplayer: Windows 10 App - Filme & TV
Musikplayer: Windows 10 App - Groove-Musik
Browser:
- Firefox 80.0.1
- Edge 85.0.564.44
- Cinebench R15.0
- Cinebench R20.060
- Corona 1.3 Benchmark
- CPU-Z 1.92.2
- DigiCortex Simulation IDE v1.35 Alpha
- wPrime Benchmark v1.20
- 3DMark Time Spy 1.2
BIOS-Konfiguration: Energy Star oder CEC aktiviert, Active VRM HS FAN deaktiviert, CPU-/Gehäuse-Lüfter drehen mit ~500 U/min im Leerlauf
Windows-Konfiguration: Energiesparplan = Ausbalanciert, AURA LED Controller deaktiviert (im Gerätemanager), Internet per WLAN (online verbunden)
Nach der etwas längeren Einleitung gehen wir endlich ans Eingemachte. Eins noch vorweg, das wie erwartet auftretende ASPM-Problem beim ASUS ROG Strix B550-I Gaming ließ sich zum Glück nach etwas herumprobieren umgehen. Mit dem Aktivieren des Energy Star- oder CEC-Features im BIOS forciert die ASUS-Platine den L1-Modus der PCIe-Lanes. Auch alle LEDs werden dadurch im BIOS automatisch deaktiviert, recht praktisch. Mittlerweile, habe ich außerdem ein Mod-Bios vom User Reous im Hardwareluxx-Forum entdeckt, dass das ASPM zugänglich und unabhängig konfigurierbar macht.
Leistungsaufnahme im Leerlauf und unter (sehr) leichter CPU-Last
Kurze Erläuterung der Werte im Diagramm:
1) Normaler Leerlauf, keine Programme offen (Verbindung zum Internet per WLAN steht)
2) Geöffneter Steam-Launcher auf dem Desktop (über den halben Bildschirm)
3) Windowseigene Musikplayer-App „Groove“ spielt eine mp3 ab
4) Windowseigene Videoplayer-App „Filme & TV“ spielt ein H.264 UHD-Video ab
5) Windowseigene Videoplayer-App „Filme & TV“ spielt ein HEVC UHD-Video ab
6) Auf YouTube wird ein UHD-Video per Edge-Browser abgespielt (Download beendet)
7) Auf YouTube wird ein UHD-Video per Firefox-Browser abgespielt (Download beendet)
Da musste ich selber erst mal staunen. Wie ist es möglich eine derart niedrige Leistungsaufnahme mit der AM4-Plattform zu erreichen? Freilich ist es ein Zusammenspiel aus dem im unteren Leistungsbereich sehr effizienten 80PLUS Titanium Netzteil, der neuen Renoir-APU, deren Fußabdruck sichtlich aus dem Mobile-Segment stammt, und dem ASUS B550-Mainboard. Der Protagonist scheint mir hier trotzdem Letzteres zu sein. Ein kurzer Gegenvergleich mit dem Gigabyte B550-Mainboard offenbarte nämlich Werte, die rund 4-5 Watt höher lagen. Was ist also das „Geheimrezept“ des ASUS ROG Strix B550-I Gaming?
Dass der B550 eine niedrigere Grundleistungsaufnahme als sein Bruder X570 oder Vorgänger B450 besitzt, davon kann man ausgehen. Warum sich aber das ASUS-Board nochmals so deutlich absetzen kann, ist mir noch nicht 100%ig klar. Vielleicht greift das ASPM bei dieser Platine radikaler im L1 Mode und schickt die PCIe-Lanes noch konsequenter in tiefe(re) Ruhezustände als andere Mainboard-Modelle. Möglicherweise ist aber auch die Phasensteuerung der entscheidende Faktor. Ist sie eingeschaltet werden im Leerlauf und bei leichter Last nicht benötigte Phasen dynamisch abgeschaltet, aktiv sind idR dann nur noch 1 bis 2 Phasen. Das spart bei insgesamt 10 vorhandenen Drosseln und Power Stages (MOSFETs) satte 3,5 Watt. Sobald die Last und der Strombedarf ansteigen, werden die restlichen Phasen stufenweise in Sekundenbruchteilen reaktiviert damit die APU/CPU ausreichend und möglichst effizient mit Strom versorgt wird.
Eine Rolle spielt übrigens auch der bereits oben aufgeführte, „ominöse“ AURA LED Controller. Deaktiviert man ihn im Gerätemanager, kann der Chipsatz wie es scheint erst richtig in einen tiefen Leerlaufzustand schalten. Das spart noch mal das eine oder andere Watt, Voraussetzung ist allerdings das ASPM im L1 Modus. Die Ersparnis kommt dabei also nicht vom Controller selbst, er verhindert nach meiner Einschätzung nur tiefere Ruhezustände.
Das war aber noch nicht alles... erste Experimente mit picoPSUs und Tischnetzteilen haben die 10 Watt-Mauer tatsächlich deutlich fallen lassen. Zusätzlich mit dem Wechsel der SSD (von M.2 auf SATA) und weniger Lüfter waren mindestens zwei weitere Watt drin. Der bisher niedrigste Wert den ich zu Gesicht bekam, lag bei unter 7 Watt (genau genommen 6,8 Watt)!
Renoir unter Last - Vergleich zwischen Ryzen 5 PRO 4650G (65W TDP) und simuliertem Ryzen 5 PRO 4650GE (35W TDP)
Die Leistungsaufnahme der Renoir/B550-Kombination unter diversen Lastenzuständen habe ich mir ebenfalls angesehen. Zum einen im Standard-Modus (65W TDP) und zum anderen im „ECO“-Modus (35W TDP). Im Letzteren darf die APU bis zu 42 Watt aufnehmen, davon macht der CPU-Part in gut parallelisierten Multithread-Anwendungen auch häufig Gebrauch. Im Standardbetrieb entlockt man der APU dagegen nur in Cinebench das Maximum von 65 Watt (nur unter Prime95 wird auch diese Marke gerissen) Nachfolgend eine Übersicht aller Werte zusammengefasst.
Hinweis: Der Ausgangspunkt sind immer die 9 Watt Leerlauf-Leistungsaufnahme des Gesamtsystems, alle Werte wurden an der Steckdose ermittelt
Die APU büßt mit der 35W TDP-Konfiguration überraschend wenig Performance ein, gleichzeitig ist die Ersparnis bei der Leistungsaufnahme zum Teil beträchtlich. Man könnte sich fast fragen, ob es nicht sinnvoller wäre den Ryzen 5 PRO 4650G ausschließlich im 35W TDP-Modus zu betreiben? Die meisten User würden wohl keinen Unterschied bemerken, außer vielleicht an der Stromrechnung (bei häufigem Volllast-Betrieb).
Update (28.09.2020):
Mobile-Zen 2 vs. Server-Zen 2 – Renoirs No/Low-Load-Vorteil
Um zu verdeutlichen wie stark sich das Chiplet-Design (Matisse) gegenüber dem monolithischen Design (Renoir) durch eine erhöhte Leerlauf-/Leichtlast-Stromaufnahme bemerkbar macht, wurde ein direkter Vergleich der beiden Prozessoren mit identischem Testsystem (siehe oben) unternommen. Die sehr sparsamen und effizienten Komponenten drumherum sorgen dafür, dass die Differenz zwischen den beiden Chips möglichst wenig verwässert wird.
Da der verwendete Ryzen 5 3600 selbstverständlich nicht ohne Grafikkarte auskommt, wurde ein Modell verwendet, das lediglich rund 4 Watt im Leerlauf aufnimmt. Auch bei der Videowiedergabe arbeitet die eingesetzte GPU recht genügsam. Beiden Prozessoren wurde somit die Sapphire RX 5500 XT Nitro+ 8GB zur Seite gestellt um vergleichbare Voraussetzungen zu schaffen.
*AURA LED Controller im Gerätemanager deaktiviert um tieferen Idle-State zu erreichen
Ist der Abstand zwischen den zwei ungleichen Prozessorbrüdern im Leerlauf, auch dank Auffahren aller Stromsparmechanismen, mit fünf Watt noch als moderat zu bezeichnen, steigt er bereits mit dem Abschalten des PCIe-Link Powermanagements (ASPM) sichtlich an. Während der Wiedergabe von Videos nimmt die Differenz dann deutlich zu, insbesondere bei der Youtube-Videowiedergabe über Firefox liegen bereits 15 Watt zwischen den beiden 7nm Chips. Die starke Auslastung eines Kerns lässt Renoir dann endgültig enteilen, bis zu 22 Watt Differenz sind fast schon als Diskrepanz zu bezeichnen.
Als kleines Resümee kann man festhalten: Ganz unabhängig von der GPU, Renoir, hier in Form von Ryzen 5 PRO 4650G hat erhebliche Vorteile gegenüber Matisse (z.B. Ryzen 5 3600) was die Stromaufnahme und letztlich Effizienz in leichten bis mittelschweren Lastszenarien betrifft.
Ergänzend wurden noch einige Lastwerte ermittelt, dabei wird die Leistungsaufnahme auch der Performance gegenübergestellt. Unter starker Last relativieren sich zwar die Energie-Differenzen zwischen beiden Prozessoren in Relation etwas, auch weil Matisse im Mittel leicht performanter als Renoir ist, jedoch bleibt der absolute Abstand zwischen den beiden Rechenherzen immer noch merklich.
Hinweis: Bei dem verwendeten Ryzen 5 3600 handelt es sich um ein sehr aktuelles Exemplar (Sommer 2020), daher setzt es sich leistungstechnisch teilweise sichtlich von älteren Ryzen 5 3600 Exemplaren (aus diversen Reviews) ab. Die zwischenzeitlich verbesserte Fertigung wird offenbar direkt in mehr Performance umgemünzt.
Welche Schlüsse kann man nun insgesamt ziehen?
Ob Zen 2 eine „Leerlaufschwäche“ hat, hängt nicht nur vom CPU-Design (monolithisches Design vs. Chiplet-Design) und dem eingesetzten Chipsatz ab, sondern auch maßgeblich von den Mainboard-Herstellern und ihren Künsten bei der Umsetzung der Stromspar-Features. Entscheidend sind auch vorhandene Implementationen, die diese unterstützen oder erweitern (z.B. BIOS-Optionen, Phasenregulierung etc.).
Mein persönliches Fazit: Man benötigt doch kein Baerbone- oder Komplettsystem mit eingeschränktem A300/A500-Chipsatz um einstellige Leerlaufwerte mit einer AM4-APU zu erreichen! :-)
PS: What‘s next? Neben dem geplanten Chipsatz-Artikel mit vier Mini-ITX-Boards (1 x B450, 1 x X570 und 2 x B550), habe ich vor noch die eine oder andere neue AM4-Platine (z.B. A520 ITX oder B550 µATX) auf eine potentielle <10W-Eignung zu testen. Untersuchungen und umfassendere Ergebnisse mit picoPSU und Tischnetzteil sind auch in der Pipeline. Nicht zuletzt würde ich mich über User freuen, die sich dem Thema anschließen, ob theoretischer (Kommentare) oder praktischer (eigene Erfahrungen/Ergebnisse) Natur, ist völlig gleich.
Edit: Falls sich jemand fragt, ob das Mainboard auch mit Zen+ APUs läuft: Ja das tut es!
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