Da muss ich Adam_Smith im Gundsatz zustimmen. Es lohnt durchaus, sich um eine tiefschürfende Diskussion zu bemühen und in anderen Threads passiert das auch manchmal, etwa durch die Belege von Behauptungen, die man aufstellt. In Alltagsgesprächen kommt so etwas häufig zu kurz, während man sich hier die Zeit nehmen kann, einen Standpunkt in Ruhe auszuformulieren, sofern man das möchte.
Die Rolle der Medien ist extrem wichtig und wird meist nicht genügend gewürdigt. Das angeführte Beispiel mit der lokalen Presse lässt sich problemlos übertragen: Ein Unternehmen möchte ein Thema in einer Zeitschrift unterbringen und stellt dafür natürlich gerne den Text zur Verfügung, der nicht selten 1:1 übernommen wird. Die Texte sehen wie redaktionelle Beiträge aus, sind es aber nicht. Der Verlag verlangt im Gegenzug die Schaltung einer Anzeige in dem Blatt. Ohne Anzeige kein Artikel. Anders herum funktioniert es ähnlich. Einem guten Anzeigenkunden wird der Verlag kaum verwehren, einen Text in der Zeitschrift zu platzieren, der wiederum wie ein redaktioneller Beitrag aussieht, aber auch keiner ist.
Und die Konzentration auf das Thema Unterhaltung, das von den Konsumenten ja offensichtlich vehement eingefordert wird, macht es noch einmal leichter, etwa im Fernsehen die Unterhaltungs- und Werbeelemente zu vermischen. Product Placement ist hier nur eines von unzähligen Stichwörtern.
Wenn Menschen der Meinung sind, dass ihnen von anderen der Kopf gewaschen wird, dann hängt das auch damit zusammen, dass unsere Welt sehr komplex ist und wir die allermeisten Zusammenhänge und Hintergründe kaum mehr durchschauen. Das fängt bei Kleinigkeiten an: Man zahlt für den Pkw A meinetwegen 25.000 Euro, für Pkw B jedoch 35.000 Euro. Wenn die Kunden nicht aus der Automobilbranche kommen (und selbst wenn), haben sie oft keine Vorstellung davon, was konkret den Preisunterschied ausmacht und rechtfertigt. Das fertige Auto ist eine black box. Vielleicht sind bei dem einem Wagen bestimmte Bereiche in der Produktion teurer, etwa weil das Material kostspieliger ist. Vielleicht verdient der Händler aber einfach nur mehr daran. Wir haben die Fähigkeit verloren, die Dinge richtig einzuschätzen. Bei den Handwerker-Rechnungen geht es den meisten ähnlich, weil sie den Zusammenhang von betrieblichen Gesamtkosten und Handwerker-Entlohnung nicht nachvollziehen können.
Weitere Beispiele: Sind Lebensmittel besser, wenn sie fettreduziert sind, oder enthalten sie dafür andere Geschmacksträger, die ebenso bedenklich sein können wie der Verzehr von zu viel Fett? Und von welchen Fetten sprechen wir überhaupt? – Wenn der Ausbau des Frankfurter Flughafens einen bestimmten Millionenbetrag verschlingt: Sind die veranschlagten Kosten dafür angemessen oder liegt vielleicht Verschwendung vor? Wir wissen es nicht.
Ich glaube, dass diese Ungewissheit ein Stück zu den Ängsten beiträgt. Das mag sich auf die Bewertung von Begriffen wie „Neoliberalismus“ auswirken, der in vielen anderen Threads dieses Forums eine Rolle spielt. Durch ein Studium der BWL oder VWL kann man sich spezifisches Wissen aneignen, Wirkungszusammenhänge besser verstehen und sich womöglich ein solides Urteil bilden. Aber die meisten Menschen haben sich nicht so intensiv damit beschäftigt und kratzen somit immer an der Oberfläche (unabhängig davon, wie viele Webseiten sie gelesen haben mögen). Das ist nicht weiter schlimm und geht im Grunde gar nicht anders, weil man nicht auf allen Gebieten Sachverstand haben kann.
Damit will ich nicht sagen, dass man sich zu solchen Themen nicht äußern darf, nur weil man vielleicht weniger Ahnung hat als andere. Ganz im Gegenteil. Aber man sollte nicht so naiv sein und sich ausschließlich einseitig informieren, nur weil man vielleicht in der Vergangenheit auf einen vernünftigen Kritikpunkt gestoßen ist, den man jetzt immer weiter ausbauen möchte.
…dieser Prof. Sinn des IFO Institutes behauptet, dass die Reichen nur noch reicher werden sollen und müssen, damit es der Masse besser geht.
Dieser Satz von extasy ist ein gutes Beispiel für eine undifferenzierte Betrachtungsweise. Es passt ihm persönlich nicht in den Kram, wenn die Einkommen – seiner Meinung nach – ungerecht verteilt werden. Deshalb kann er auch keine Besserung für die Masse erkennen.
Zwar kann ich diese Sichtweise nachvollziehen. Aber vielleicht sind die Verhältnisse dennoch ein wenig anders (Spekulation meinerseits). Wenn ein Einkommensmillionär mehr verdient, dann zahlt er privat den höchsten Steuersatz. Daran wird auch sein Steuerberater nichts ändern können. Der Staat kann bei ihm am meisten Geld abschöpfen und dieses Geld für Sozialleistungen verwenden. – Dieser Ansatz wäre möglich und ist vielleicht (großes Fragezeichen) sogar von Prof. Sinn beabsichtigt. Daher ist es unvorteilhaft, seinen Vorschlag im Vorhinein zu verteufeln, ohne sich genauer damit beschäftigt zu haben.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen. Es wurde viel Energie darauf verwendet, sich die schönsten möglichen (!) Szenarien auszumalen. Aber die gewichtigen Kritikpunkte bzw. Gegenargumente, wie z. B. die Problematik der offenen Außengrenzen (EU), wurden gerade einmal beiläufig als „noch zu lösendes Problem“ abgetan. Die Scheuklappensicht führt dazu, solche Argument mehr oder weniger zu ignorieren und stattdessen weiter zu träumen.
Bei den Freunden der Esoterik ist es nicht anders. Sie lesen ein Buch nach dem anderen und bleiben in ihrer „Wirklichkeit“ stecken, bis sie für Kritik von außen völlig resistent geworden sind. Wenn man z. B. jemanden fragt, von welchen „Energien“ sie eigentlich immer reden und ob Belege es für deren Existenz gibt, wird man nur ungläubig angestarrt. Auch das empfinde ich als eine Art der Gehirnwäsche.
So, erst einmal genug geschwafelt.