Hallo Doc,
nach nochmaligem lesen muss ich zugeben, dass ich mich missverständlich ausgedrückt habe.
Um den Thread nicht zu verfremden lasse ich meine Aussage jedoch unverändert so stehen (sonst ginge der Kontext Deines Beitrages verloren).
Zur Sache:
Abstellen wollte ich auf die Auslegungspraxis des § 476 BGB (Beweislastumkehr). So, wie ich es oben geschrieben habe, müsste man glauben, dass die Beweislastumkehr selbst eine Erfindung des deutschen Rechtes sei, was natürlich nicht der Fall ist.
In der von Dir zitierten Richtlinie (auf die ich mich ebenfalls bezog) lassen sich folgende Aussagen finden:
Artikel 5
Fristen
(1) Der Verkäufer haftet nach Artikel 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird. Gilt nach dem innerstaatlichen Recht für die Ansprüche nach Artikel 3 Absatz 2 eine Verjährungsfrist, so endet sie nicht vor Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung.
(3) Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, daß Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.
Hieraus wird deutlich, dass die Beweislastumkehr als verbraucherfreundliches Mittel eingeführt wurde; dem Verbraucher wird die rechtliche Vermutung zur Seite gestellt, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei, wenn sich dieser innerhalb der ersten sechs Monate offenbart. (Übrigens habe ich doch nie bestritten, dass es auch im Europäischen Recht auf den Zeitpunkt des Gefahrüberganges ankommt – da musst Du mich missverstanden haben.)
Nach Ablauf dieser Frist treffen den Verbraucher erhöhte Beweisanforderungen.
Aber: Der Sinngehalt des Abs. 1 wäre ad absurdum geführt, würde man vom Verbraucher einen absoluten, d.h. unumstößlichen Beweis fordern. Denn einen solchen kann der Verbraucher regelmäßig nicht erbringen. Die ursprünglich zugunsten des Verbrauchers gedachte Vermutung des Vorliegens des SM bei Gefahrübergang würde sich faktisch als rechtseinschränkend für den Verbraucher erweisen, was so niemals angedacht war. Der Abs. 1 wäre eine leere Vorschrift.
Der Abs. 1 jedoch betont den Willen des europäischen Rechts, dass Hersteller für eine Frist von zwei Jahren für ihr Produkt einstehen sollen; wäre dem nicht so, so hätte man sich von vorn herein auf eine sechsmonatige Gewährleistung geeinigt und diese entsprechend gesetzlich verbrieft.
Wenn man sich zudem die Interessenlagen der Hersteller ansieht, so erscheint dies auch logisch, denn andernfalls würde man Tür und Tor für die Produktion minderwertiger Ware öffnen, die nur ein halbes Jahr „überlebt“. Dies würde (sofern von allen Herstellern so verfahren würde) den Absatz erheblich ankurbeln sowie die Produktions- und Materialkosten erheblich senken.
Allein aus der Existenz des Abs. 1 ergibt sich daher, dass eine faktische Begrenzung der Gewährleistung auf sechs Monate durch den Abs. 3 nicht gewollt war.
Einzige Lösung kann daher sein, den § 476 restriktiv auszulegen, also dem Verbraucher lediglich aufzuerlegen, stichhaltige Indizien dafür zu liefern, dass der SM bereits bei Gefahrübergang existierte. Probate Mittel wären hier vor allem Zeugenaussagen sowie die eidesstattliche Versicherung; desweiteren Nachweise über gewisse Häufungen ein und desselben Fehlers innerhalb einer Produktreihe (Bsp: Häufen sich im Internet Berichte darüber, dass eine Graka-Reihe nach einem Jahr Benutzung häufig ausfällt, so ist dies ein Hinweis auf Fehler bei Konstruktion oder Materialauswahl, also eines Mangels, der bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Stellt man dennoch harte Anforderungen an die Beweiskraft des Verbrauchers, so müsste dieser hinsichtlich seines Exemplares den Mangel nachweisen, was regelmäßig alle Möglichkeiten eines Verbrauchers übersteigt. Folglich bliebe die Auslieferung eines mangelhaften Produktes für den Hersteller folgenlos.)
Nur auf diese Weise kann das Ziel des Gesetzgebers erreicht werden, nämlich die Herstellung eines Kräftegleichgewichtes zwischen Verbraucher und Hersteller.
Daher sprach ich von europarechtskonformer Auslegung – bezogen auf die Zweckbestimmungen der genannten Richtlinie.
Dass nun in Deutschland (wie es sich im europäischen Ausland verhält entzieht sich leider meiner Kenntnis) im Durchschnitt (hängt immer vom jew. Richter ab) eher harte Anforderungen an die Beweislast des Verbrauchers gestellt werden, halte ich für politisch so gewollt (s.o.). Denn andernfalls hätte man bereits im Gesetzestext die Möglichkeiten eines Verbrauchers berücksichtigen müssen.
Die ursprünglich verbraucherfreundlich gedachte Richtlinie wird mehr und mehr pervertiert hin zu einer herstellerfreundlichen Rechtsprechung.
Dieser Meinung bin nicht ich allein (um auf Deine Frage zu kommen), sondern einige befreundete Anwälte, mit denen ich dieses Thema desöfteren diskutiert habe, sind selbiger Ansicht.
Obgleich diese Ansicht wohl eine Mindermeinung darstellt (insbesondere bezogen auf die Rspr.), so würde ich im Zweifel nicht kleinbeigeben, wenngleich die Chancen nicht rosig sind. Denn das, was Du (basierend auf der aktuellen Rspr. zu Recht) als Recht des Verkäufers siehst, empfinde ich als unzumutbar. Eine Rechtsfortbildung, das weißt Du so gut wie ich, kann jedoch nur stattfinden, wenn sich möglichst viele Verbraucher nachhaltig gegen die derzeitige Gesetzesauslegung zur Wehr setzen.
Genau das versuche ich zu fördern, denn das, was derzeit in der Realität geschieht, halte ich für eine schamlose Ausnutzung eines Gesetzes, welches ursprünglich eine gegenteilige Intention verfolgte.
Dies mag wie gesagt eine Mindermeinung sein – deshalb ist sie jedoch noch lange nicht falsch. Im Übrigen habe ich (aus Gesprächen mit Juristen) den Eindruck gewonnen, dass diese Meinung im Vormarsch ist. Die Anforderungen der Beweisführung an den Endverbraucher nach sechs Monaten scheint sich also auch in Fachkreisen nicht allzu großer Beliebtheit und Akzeptanz erfreuen zu können.
Geschickt argumentiert ist also das Verlieren eines diesbezüglichen Rechtsstreits nicht gewiss.
Dies meinte ich mit umstritten und ungeklärter Rechtslage. Die Ansichten ob der Auslegungsmodalitäten gehen weit auseinander.
Damit die Verbraucher (hier: der TO) nicht auf eigene Kosten teure Rechtsstreite führen müssen, wäre die Nutzung der Dienste von Verbraucherzentralen zu empfehlen. Schafft man es, diese ins Boot zu holen, wäre dies ein großer Schritt.
Darf ich Dich abschließend am Rande fragen, wie Du zu der Thematik stehst? Hältst Du die derzeitige faktische Begrenzung der GL für angemessen und im Einklang mit der Intention der genannten Richtlinie? Bist Du bislang noch nie dieser Ansicht begegnet?
Abschließend meinen Dank an Dich für Deinen Einwand. So konnte ich die Aussagen richtigstellen und die Rechtsansicht präzisieren. Da ich sie oben ungeschickt dargestellt hatte, war dies mehr als nötig.
MfG,
Dominion.