News Vorratsdatenspeicherung: EuGH-Generalanwalt setzt enge Grenzen

All diese schönen, gutgemeinten Einschränkungen werden leider nichts bringen.

Das dumme an der Vorratsdatenspeicherung ist ja, dass der schlimmste Eingriff in die Freiheitsrechte aller Bürger schon dann passiert, wenn die Daten erfasst und gespeichert werden. Diese anlasslose Totalüberwachung findet statt, ganz unabhängig davon, welchen Regeln und Beschränkungen die Nutzung der gesammelten Daten danach unterliegt.

Beruhigen werden die nachträglichen Nutzungsbeschränkungen auch niemanden, denn man weiß ja niemals, ob, von wem und zu welchem Zweck die eigenen Verbindungsdaten abgerufen werden. Das wird alles immer nur im Geheimen ablaufen. Nichtmal nachträglich wird man als Überwachungsopfer informiert werden, weil das alles unter "Nationale Sicherheit" fällt.
Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als den Geheimdiensten und sonstigen Sicherheitsbehörden blind zu vertrauen, dass die sich immer brav an alle Regeln halten werden.
Dass es keine wirksame, unabhängige Kontrolle dieser Geheimdienste gibt und das wohl auch nicht gewollt ist, wissen wir Deutschen spätestens seit dem NSA-Untersuchungsausschuss. Bleibt also wie gesagt nur das Vertrauen drin, dass in diesen Behörden nur anständige Menschen arbeiten, die sich freiwillig an die Regeln halten, obwohl ihnen niemand auf die Finger schaut oder sie für irgendwas zur Rechenschafft ziehen könnte.
Wenn man so viel blindes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden hat, braucht es doch auch diese formalen Einschränkungen der Vorratsdatenspeicherung nicht. Alle anderen Freiheits- und Bürgerrechte sind dann ebenfalls überflüssig.

Ein weiterer Punkt, der mich immer wieder ärgert, ist dass keiner sich ernsthaft mit den Fragen zu beschäftigen scheint, ob die Vorratsdatenspeicherung denn überhaupt gebraucht wird und ob sie wirksam wäre. Alle Studien und realen Zahlen und Fakten (z.B. in den Kriminalitätsstatistiken), die ich kenne, sprechen klar dagegen.

Es gibt zumindest in Deutschland keine sachlich begründbare Notwendig für eine Vorratsdatenspeicherung. Die Zahl der Tötungsdelikte (inklusive Terrorismus und sowas wie den NSU-Morden) ist seit 20 Jahren stark rückläufig (hat sich nahezu halbiert) und die Aufklärungsquoten haben sich in dieser Zeit von gut (knapp 90%) auf großartig (über 97%) verbessert. Das alles obwohl die Verbreitung von Internet und Mobiltelefonen in diesen Zeitraum fällt und es die meiste Zeit keine Vorratsdatenspeicherung (oder heimliche Onlinedurchsuchung und sonstige neue Überwachungsbefugnisse) gab.

Und was die Wirksamkeit angeht. Wenn man Studien z.B. eines Max Planck Instituts oder des BKA selbst, die eine Verbesserung der Aufklärungsquoten durch die VDS in der Größenordnung von höchstens 0,1% voraussagen, nicht vertraut, kann man auch dafür einfach in die harten Zahlen Kriminalitätsstatistiken schauen. In dem Zeitraum, in dem in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung praktiziert wurde, und zwar in einer extremen Form, die inzwischen als verfassungswidrig verboten wurde, gab es keinen nenneswerten, positiven Effekt auf die Aufklärungsquoten. Sie gingen in dem Zeitraum sogar gegen den positiven Trend etwas zurück. Einen Abschreckungseffekt gab es auch nicht.

Angesichts dieser Fakten sollte sich eindlich mal ein Gericht dazu aufraffen, die Vorratsdatenspeicherung ohne wenn und aber zu verbieten. Also auch schon die Erfassung und Speicherung der Verbindungsdaten zu diesem Zweck. Wenn die VDS wirklich einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte dastellt, dann scheitert sie schlicht und einfach an der Verhältnismäßigkeit bzw. fehlendem Nutzen.

Wobei so eine Bewertung ja eigentlich auch nicht die Aufgabe eines Gerichtes ist. Die verantwortlichen Politiker, die Regierungen und Volksvertreter in den Parlamenten, müssten so eine krass unverhältnissmäßige Maßnahme ablehnen. Das tun sie aber nicht. Im Gegenteil.
Und damit bleibt die Schuld letztlich an uns Bürgern kleben, weil wir solche unverantwortlichen, irrationalen und/oder kriminellen Politiker in ihre Ämter gewählt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schließe mich den beiden Vorrednern an, dieser Begriff "schwere Kriminaltät" ist doch im Zweifel frei auslegbar. Der reine Verdacht reicht aus, und im Grunde ist jeder Mensch potentiell in der Verdachtslage ein schwerer Krimineller zu sein, statistisch verteilt natürlich.
 
grundsätzlich geht diese Beurteilung in die richtige Richtung, aber: glaubt wirklich jemand, dass unsere hochwohlgeborene Legislative in den letzten Jahren irgendwas dazugelernt hat?!? Die werden ihr Gesetz durchdrücken, die Tk-Anbieter bis aufs Mark belasten, in 1-2 Jahren wird das dann wieder von Karlsruhe eingesackt :rolleyes:

Den Vorpostern schließe ich mich aber an: dass VDS bullshit ist und nichts, aber auch rein gar nichts in Sachen Verbrechensbekämpfung (im Sinne von echtem Verbrechen, nicht im Sinne von Systemgegnern und Raubmordkopierern) bringt steht glaube ich bei keinem halbwegs klar denkenden Menschen zur Debatte.
 
und wieder hat man sich mit einer schwammigen nicht klar definierten Aussage/Urteil Zeit verschafft sodass wieder ein wenig Ruhe einkehrt - denkt sich die nette EU

schwere Kriminalität - kann man auslegen wie man möchte oder im Falle des Staates, wie man es dann eben braucht...
 
Aber zu aller erst müssen ja die Daten gesammelt werden. Und diese ohne jeglichen Verdacht.
Hier ist der Zug schon abgefahren... :rolleyes:
 
vielen dank herdware...
schöne zusammenfassung und ausführung der obsoleszenz der VDS.
 
Herdware schrieb:
In dem Zeitraum, in dem in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung praktiziert wurde, und zwar in einer extremen Form, die inzwischen als verfassungswidrig verboten wurde, gab es keinen nenneswerten, positiven Effekt auf die Aufklärungsquoten. Sie gingen in dem Zeitraum sogar gegen den positiven Trend etwas zurück. Einen Abschreckungseffekt gab es auch nicht.
Korrekt. Statistisch richtig ausgedrückt gab es keine signifikante Veränderung zwischen den Zeiten mit und ohne VDS. In absoluten Zahlen ohne Signifikanzberücksichtigung gab es einen Rückgang. Sagte nicht sogar ein führendes Polizeimitglied, daß die VDS nichts bringt?
 
Ich frage mich ja, was die mit den ganzen nutzlosen daten machen. Also wie oft wurde die und die Pornoseite aufgerufen, was hat die Person für Amazon interessen sowas. Fallen die raus?

ABer wenn die Vorratsdatenspeicherung nun nur unter solchen auflagen erlaubt ist, dann kann man überhaupt nicht verwenden, dann ist es einfacher potentielle Verdächtige in guter alter Polizeiarbeit zu überwachen und deren Wochnung zu durchsuchen und sich mit einem richterlichen BEschluss deren Daten zu sichern.
Apropos alle sind verdächtig: Nach dem Deutschen Gesetzten geht man immer zuerst von der Unschuld des Angeklagten aus. Also verächtigen die sicher nicht alle (aber holen sich die Daten von allen, weil wer es kann und zu faul ist nur die Leitung von einem oder Mehrern anzuzapfen macht das so).


BTW: Um massiven Datenmüll zu generieren sollte man immer 1-2 pornoseiten offen haben. Kann der NSA nur helfen ;D
 
Herdware schrieb:
Die Zahl der Tötungsdelikte [..] ist seit 20 Jahren stark rückläufig (hat sich nahezu halbiert) und die Aufklärungsquoten haben sich in dieser Zeit von gut (knapp 90%) auf großartig (über 97%) verbessert.

Sehr gute Argumente, die würde ich gerne wiederverwenden, hast du belastbare Quellen dafür?
Gruß
 
edenjung schrieb:
Apropos alle sind verdächtig: Nach dem Deutschen Gesetzten geht man immer zuerst von der Unschuld des Angeklagten aus.

Wie Schäuble (damals noch Innenminister) mal in diesem Zusammenhang sagte: "Die Unschuldsvermutung gilt nur vor einem Strafgericht."
Damit hat er formal leider nicht ganz unrecht.

Allerdings heißt das nicht, dass die heutige Entwicklung unkritisch ist, weg vom klassischen Rechtsstaat, wo von Strafverfolgungsbehörden gezielt gegen Verdächtige ermittelt wird und diese dann nach einem Gerichtsurteil (mit Unschuldsvermutung) bestraft werden, hin zum Präventivstaat, wo sich die Sicherheitsbehörden verdachtsunabhängig gegen die gesamte Bevölkerung richten, um alle möglichen Verbrechen möglichst schon im Voraus zu verhindern.
Besonders wenn diese verdachtsunabhängigen Ermittlungen dann zu ganz realen Konsequenzen für die Überwachten führen. Hier vermischen sich die Aufgaben von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten. Das ist sehr gefährlich!

menace_one schrieb:
Sehr gute Argumente, die würde ich gerne wiederverwenden, hast du belastbare Quellen dafür?
Gruß

Zur Anzahl der Tötungsdelikte gibt es eine Zusammenfassung auf Wikipedia, beruhend auf der BKA-Kriminalitätsstatistik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland)#Pr.C3.A4valenz

Zu den Aufklärungsquoten bei Tötungsdelikten habe ich vor längerer Zeit mal die Arbeit gemacht und wirklich durch die einzelnen Statistiken gelesen. Die kann man auf der Website des BKA einsehen.
Als einzelne Quelle zusammengefasst, habe ich die nicht parart.

Edit: Ich seh grade, die Aufklärungsquoten sind jetzt auch direkt in der verlinkten Wikipedia-Tabelle drin. Die Tabelle umfasste dafür vorher, wenn ich mich richtig erinnere, auch mal alle Arten von Tötungsdelikten, nicht nur Mord. Aber das Bild ist auf jeden Fall das selbe.

Ach ja. Die VDS wurde in Deutschland ca. 2008 und 2009 praktiziert. Da gab es dann den leichten Abfall bei den Aufklärungsquoten. Auch insgesamt über alle Delikte.
 
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edenjung schrieb:
Apropos alle sind verdächtig: Nach dem Deutschen Gesetzten geht man immer zuerst von der Unschuld des Angeklagten aus.
Richtig. Guter Ansatz, daran habe ich noch gar nicht gedacht.
Hat vielleicht dazu Jemand was konkretes mit Verweis auf das entsprechende Gesetz parat?
 
Schaut nochmal genauer den Text an, der da verlinkt ist:
„Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“

Wie schon geschrieben: Aus juristischer Sicht gilt die Unschuldsvermutung nur, wenn einem eine Straftat vorgeworfen wird. Konkret, nachdem ein Staatsanwalt Anklage wegen einer Straftat erhoben hat. Offensichtlich Unschuldige, gegen die keine Anklage vorliegt, stehen nicht unter dem Schutz der Unschuldsvermutung. Die darf man also, nach "juristischer Logik" (die meisten unserer Politiker sind Juristen), pauschal wie Verbrecher behandeln, wenn es z.B. darum geht, (vermeintlich) präventiv Verbrechen zu verhindern.

Das heißt aber nicht, dass die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung nicht gegen Menschenrechte verstößt. Sie verstößt gleich gegen eine ganze Reihe und das wurde von diversen Gerichten auch schon offiziell festgestellt.
So greift die VDS z.B. direkt in das Telekommunikationsgeheimnis (oder altmodischer Brief-/Postgeheimnis) ein und beeinträchtigt die Informations- und Meinungsfreiheit und das schon durch das bloße Erfassen und Speichern der Daten, nicht erst bei der konkreten Nutzung. Informations- und Meinungsfreiheit ist unter anderem eine unverzichtbare Voraussetzung für funktionierende Demokratie.

Letztendlich verstößt die VDS sogar gegen das erste, höchste Menschenrecht, die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen.
Jeder Mensch hat das Grundbedürfnis, sich mit anderen Menschen auszutauschen, sozialie Kontakte zu pflegen usw. Ist das nicht ungehindert und unbeobachtet möglich, ist das kein menschenwürdiges Leben mehr.
Totalüberwachung beraubt einem Menschen seiner Würde (ala "Truman Show") und nimmt ihm genauso seine Freiheit, wie Fesseln oder Kerker.
 
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