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Wer ist Deutscher?
- Ersteller Tiu
- Erstellt am
Morgoth
Captain
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- Juli 2002
- Beiträge
- 3.889
Auf die Frage gibt es nur eine Gegenfrage:
empfindest Du Dich mehr als Deutscher der als Türke?
Mir ist egal, für mich sind alles Menschen. Andere scheint das nicht so zu interessieren.
@GRAKA:
bitte verzeih mir, wenn ich heut Abend nicht mehr konstruktiv antworte, aber der Wein war so lecker und in politischen Themen sollte man doch einen nüchternen Kopf bewahren.
Gruß
Morgoth
empfindest Du Dich mehr als Deutscher der als Türke?
Mir ist egal, für mich sind alles Menschen. Andere scheint das nicht so zu interessieren.
@GRAKA:
bitte verzeih mir, wenn ich heut Abend nicht mehr konstruktiv antworte, aber der Wein war so lecker und in politischen Themen sollte man doch einen nüchternen Kopf bewahren.
Gruß
Morgoth
-RGC-excoutor
Banned
- Registriert
- Juni 2004
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- 5.280
Nedved schrieb:also dann möchte ich mal was dazu schreiben!
also meine eltern kamen 1967 hier hin um zu arbeiten. ich bin hier geboren und habe fast seid meiner geburt den deutschen pass. also was bin ich jetzt?
a) deutscher mit türkischer abstammung
b) deutscher
c) türke mit deutschem pass
also das würde ich gerne mal beantwortet haben. obwohl ich die antwort schon weiss![]()
ganz klar A
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- 5.560
(c) schrieb:Was ist eigentlich an folgendem nicht zu verstehen?
(edit) jener welcher dieses getippt hat, war offenbar mit der deutschen Rechtschreibung nicht so vertraut, aber der Inhalt sollte nicht verfälscht sein...
Hier noch einmal genauer:
Im Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12.09.1990 wurde in Artikel 7 (Aussetzung der Vier-Mächte-Rechte) in Satz 2 festgelegt:
"Das vereinigte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten."
Soweit so gut!
Aber:
Der Vertrag zum Übereinkommen zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 25.09.1990 hat diese Souveränität in vollem Umfang des Besatzungsrechtes wieder zurückgenommen und das Besatzungsrecht umfassend wieder hergestellt.
Artikel 2:
"Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der alliierten Behörden in und in Bezug auf Berlin oder aufgrund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt sind, sind und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften begründet oder festgestellt worden sind."
Was unter alliierten Behörden zu verstehen ist, wird in Artikel 1 festgelegt. Es sind praktisch alle Besatzungsmächte und deren handelnden Organe.
Tiguar
Commodore
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- Feb. 2002
- Beiträge
- 4.815
Nochmal zurück zum Thema und zu dem komischen Begriff der "Reichsangehörigkeit", oder wie das hieß: Das Staatsangehörigkeitsgesetz, aus dem der Begriff entnommen wurde, stammt aus dem Jahr 1913!
Damit wirklich eine olle Kammelle!
Im Prinzip gilt dieses Gesetz aber immer noch, zuletzt wurde es im Jahr 2000 geändert, und auch der Begriff der "Reichsangehörigkeit" steht immer noch drin, insofern korrigiere ich eine frühere Aussage. Bei alten Gesetzen ist aber der Begriff "Reich" immer als "Staat" zu verstehen, also ist mit dem Ursprungssatz gemeint: Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Genauso steht´s dann auch in Artikel 116 des Grundgesetzes.
Und die Bundesrepublik Deutschland ist tatsächlich Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches, was u.a. die Gültigkeit z.B. des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 (!) erklärt. Im Grunde gilt alles weiter, was nicht nach 1945 ausdrücklich widerrufen, geändert oder anderweitig außer Kraft gesetzt wurde.
Deutscher ist aber auch, "wer als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat". Im Zusammenhang mit dem Bundesvertriebenengesetz von 1953 haben auch Personen deutscher Abstammung aus den Ländern Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion einen Rechtsanspruch auf die Einräumung aller deutschen Grundrechte, sind also als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes zu verstehen, auch wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder früher besessen haben. Das gleiche gilt auch für die ehemaligen DDR-Bürger vor 1990, die seitens der Bundesrepublik auch immer als Deutsche nach dem Grundgesetz angesehen wurden.
Warum die Reichsgrenzendefinition von 1937 überhaupt im Gesetz drinsteht? Keine Ahnung! Relevant war das jedenfalls nie, denn auch Aussiedler z.B. aus Kasachstan oder Rumänien - also aus Gebieten, die auch 1937 weit außerhalb der deutschen Grenzen lagen - wurden und werde bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik umgehend mit dem deutschen Pass versorgt. Gleiches gilt z.B. auch für Israelis deutscher Abstammung.
Damit ist es imho ein klassischer Streit um Kaisers Bart, wenn wir uns hier um eine gesetzliche Bestimmung die Köpfe heiß reden, die offenbar nie im Wortlaut angewendet wurde, weil sie z.B. durch entsprechende Ausführungsgesetze anders und vor allem pragmatisch ausgelegt worden ist. Vielleicht hat man sich da 1949 irgendetwas bei gedacht, vermutlich mit Blick auf das alte deutsche Reich vor dessen aggressiver Expansion, um alle ehemaligen und ursprünglichen Reichsangehörigen unter das Grundgesetz zu ziehen. Damals war das ja auch erst 12 Jahre her! Und später hat man es dann einfach nicht geändert, weil die Ausführungsgesetze weiter gefaßt waren und damit keine unmittelbare Notwendigkeit dafür vorhanden war.
Ich hoffe, die Ausgangsfrage ist damit beantwortet!
@ GRAKA0815: Die Souveränitätsfrage hatten wird doch schon ein paar Mal in anderen Threads, oder? Ich bin kein Staats- oder Völkerrechtler, aber imho schließt die volle Souveränität eines Staates nicht aus, dass dieser Staat anderen Staaten Sonderrechte einräumt. Vor allem, wenn diese ausdrücklich unter die Rechtsordnung des Heimatstaates gestellt werden, was ja hier eindeutig der Fall ist, und sich nicht mehr auf früheres Besatzungsrechts gründen.
Ich lese das zumindest so, dass Deutschland die volle staatliche Souveränität zurückerhalten hat und anschließend, aber quasi gleichzeitig als souveräner Staat die Rechte und Verpflichtungen der Siegermächte in Bezug auf Berlin wiederhergestellt hat.
Es wurde auch nicht das Besatzungsrecht wiederhergestellt, sondern lediglich die Wirksamkeit der auf Besatzungsrecht basierenden Rechte und Pflichten nach deutschem Recht anerkannt. Klingt wie eine spitzfindige Unterscheidung, ist aber wohl ein himmelweiter Unterschied.
Viele Grüße, Tiguar

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Im Prinzip gilt dieses Gesetz aber immer noch, zuletzt wurde es im Jahr 2000 geändert, und auch der Begriff der "Reichsangehörigkeit" steht immer noch drin, insofern korrigiere ich eine frühere Aussage. Bei alten Gesetzen ist aber der Begriff "Reich" immer als "Staat" zu verstehen, also ist mit dem Ursprungssatz gemeint: Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Genauso steht´s dann auch in Artikel 116 des Grundgesetzes.
Und die Bundesrepublik Deutschland ist tatsächlich Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches, was u.a. die Gültigkeit z.B. des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 (!) erklärt. Im Grunde gilt alles weiter, was nicht nach 1945 ausdrücklich widerrufen, geändert oder anderweitig außer Kraft gesetzt wurde.
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Deutscher ist aber auch, "wer als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat". Im Zusammenhang mit dem Bundesvertriebenengesetz von 1953 haben auch Personen deutscher Abstammung aus den Ländern Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion einen Rechtsanspruch auf die Einräumung aller deutschen Grundrechte, sind also als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes zu verstehen, auch wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder früher besessen haben. Das gleiche gilt auch für die ehemaligen DDR-Bürger vor 1990, die seitens der Bundesrepublik auch immer als Deutsche nach dem Grundgesetz angesehen wurden.
Warum die Reichsgrenzendefinition von 1937 überhaupt im Gesetz drinsteht? Keine Ahnung! Relevant war das jedenfalls nie, denn auch Aussiedler z.B. aus Kasachstan oder Rumänien - also aus Gebieten, die auch 1937 weit außerhalb der deutschen Grenzen lagen - wurden und werde bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik umgehend mit dem deutschen Pass versorgt. Gleiches gilt z.B. auch für Israelis deutscher Abstammung.
Damit ist es imho ein klassischer Streit um Kaisers Bart, wenn wir uns hier um eine gesetzliche Bestimmung die Köpfe heiß reden, die offenbar nie im Wortlaut angewendet wurde, weil sie z.B. durch entsprechende Ausführungsgesetze anders und vor allem pragmatisch ausgelegt worden ist. Vielleicht hat man sich da 1949 irgendetwas bei gedacht, vermutlich mit Blick auf das alte deutsche Reich vor dessen aggressiver Expansion, um alle ehemaligen und ursprünglichen Reichsangehörigen unter das Grundgesetz zu ziehen. Damals war das ja auch erst 12 Jahre her! Und später hat man es dann einfach nicht geändert, weil die Ausführungsgesetze weiter gefaßt waren und damit keine unmittelbare Notwendigkeit dafür vorhanden war.
Ich hoffe, die Ausgangsfrage ist damit beantwortet!
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@ GRAKA0815: Die Souveränitätsfrage hatten wird doch schon ein paar Mal in anderen Threads, oder? Ich bin kein Staats- oder Völkerrechtler, aber imho schließt die volle Souveränität eines Staates nicht aus, dass dieser Staat anderen Staaten Sonderrechte einräumt. Vor allem, wenn diese ausdrücklich unter die Rechtsordnung des Heimatstaates gestellt werden, was ja hier eindeutig der Fall ist, und sich nicht mehr auf früheres Besatzungsrechts gründen.
Ich lese das zumindest so, dass Deutschland die volle staatliche Souveränität zurückerhalten hat und anschließend, aber quasi gleichzeitig als souveräner Staat die Rechte und Verpflichtungen der Siegermächte in Bezug auf Berlin wiederhergestellt hat.
Es wurde auch nicht das Besatzungsrecht wiederhergestellt, sondern lediglich die Wirksamkeit der auf Besatzungsrecht basierenden Rechte und Pflichten nach deutschem Recht anerkannt. Klingt wie eine spitzfindige Unterscheidung, ist aber wohl ein himmelweiter Unterschied.
Viele Grüße, Tiguar
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Stimmt, aber dennoch gültig, wie viele andere Gesetzte in denen "Reich" drinnen vorkommt bzw. vorkam, einige wurden abgeändert.Tiguar schrieb:Damit wirklich eine olle Kammelle!![]()
Berichtigung, es wurde zuletzt am 30.07.2004 geändert.Im Prinzip gilt dieses Gesetz aber immer noch, zuletzt wurde es im Jahr 2000 geändert,
Wie kann das sein, wenn selbst das Bundesverfassungsgericht dies verneint (Urteil vom 31.07.1973)?Und die Bundesrepublik Deutschland ist tatsächlich Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches, was u.a. die Gültigkeit z.B. des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 (!) erklärt. Im Grunde gilt alles weiter, was nicht nach 1945 ausdrücklich widerrufen, geändert oder anderweitig außer Kraft gesetzt wurde.![]()
Auszug aus dem bis heute nicht widerufenem Urteil:
»Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! - geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; ( ...). Das Deutsche Reich existiert fort, besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. (...) Mit der Errichtung der BRD wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert. Die BRD ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches (...). Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des GG.«
Nicht das Besatzungsrecht selbst, aber dennoch Teile davon wie bsw. der Überleitungsvertrag von 1954Es wurde auch nicht das Besatzungsrecht wiederhergestellt, sondern lediglich die Wirksamkeit der auf Besatzungsrecht basierenden Rechte und Pflichten nach deutschem Recht anerkannt. Klingt wie eine spitzfindige Unterscheidung, ist aber wohl ein himmelweiter Unterschied.
Auszug:
»Vorbehaltlich der Bestimmungen einer Friedensregelung mit Deutschland dürfen deutsche Staatsangehörige, die der Herrschaftsgewalt der Bundesrepublik unterliegen, gegen die Staaten, welche die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 unterzeichnet haben oder ihr beigetreten sind oder mit Deutschland im Kriegszustand waren oder in Artikel 5 des Fünften Teils dieses Vertrages genannt sind, sowie gegen deren Staatsangehörige keine Ansprüche irgendwelcher Art erheben wegen Maßnahmen, welche von den Regierungen dieser Staaten oder mit ihrer Ermächtigung in der Zeit zwischen dem 1. September 1939 und dem 5. Juni 1945 wegen des in Europa bestehenden Kriegszustandes getroffen worden sind; auch darf niemand derartige Ansprüche vor einem Gericht in der Bundesrepublik geltend machen.«
»(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.«
»(3) Ansprüche und Klagen gegen Personen, die aufgrund der in Absatz (1) und (2) dieses Artikels bezeichneten Maßnahmen Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben, werden nicht zugelassen.«
Tiguar
Commodore
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Schön, dass wir die Staatsbürgerschafts-Frage offenbar erfolgreich abschließen konnten. 
Zur Rechtsnachfolge der BRD mit Blick auf das deutsche Reich:

Das deutsche Reich wurde nie aufgelöst, ist juristisch noch vorhanden, aber mangels Organisation und Organen handlungsunfähig. Na und? Staaten werden selten aufgelöst, mit Ausnahme z.B. der UdSSR. Staaten hören normalerweise einfach auf zu existieren, und auf ihren Gebieten entstehen neue Staaten. Und ohne groß darüber zu reden, treten die neu entstandenen Staaten die Nachfolge ihrer Vorgänger an. Was immer dann sehr einfach ist, wenn Vorgänger und Nachfolger über exakt gleiche Territorien verfügen. Wie in Frankreich, das sich nach 1789 und diversen monarchischen Intermezzi heute in der fünften Republik befindet, aber als Staat auf eine wesentlich längere Geschichte zurückblickt.
In vielen Fällen trifft aber genau das nicht zu. Die förderative sozialistische Republik Jugoslawien existiert heue nur noch als lockerer Staatenverbund zwischen Serbien und Montenegro. Dennoch haben Bosnien, Kroatien, Slowenien, und Mazedonien heute einen international anerkannten eigenstaatlichen Charakter, obwohl Jugoslawien sie nie aus der Föderation entlassen hat.
Die BRD befand sich zu ihrer Gründung in einer merkwürdigen Situation. Das deutsche Reich bestand nur noch auf dem Papier, und die BRD war nach eigenem Selbstverständnis das einzige legitime Staatswesen auf dem Boden des deutschen Reiches. Als solches ist die BRD in nahezu alle internationalen Verträge und Vereinbarungen des deutschen Reiches teils stillschweigend, teils ausdrücklich eingetreten, z.B. in das unter NS-Herrschaft ausgehandelte Konkordat mit dem Vatikan, was noch heute die Rechtsgrundlage für den Religionsunterricht in deutschen Schulen ist. Als solches hat die BRD auch die bestehenden Gesetze des deutschen Reiches nach innen übernommen, sofern sie nicht ausdrücklich geändert oder außer Kraft gesetzt worden sind. Genau das verstehe ich unter Rechtsnachfolge!
Gleichzeitig bestand aus guten Grund die Notwendigkeit, sich vom deutschen Reich abzugrenzen. Zum einen, um sich von der NS-Zeit zu distanzieren (obwohl man die Verantwortung dafür in bilateralen Verträgen durchaus anerkannt hat), zum anderen, um sich nach den Grenzveränderungen nach 1945 nicht in den Verdacht des Revisionismus gegenüber den Nachbarstaaten zu bringen. Eine formale Anerkennung der Gesamtrechtsnachfolge war dadurch natürlich ausgeschlossen.
Somit hat sich die BRD tatsächlich in ihrer Hoheitsgewalt auf das Geltungsgebiet des Grundgesetzes beschränkt. Warum auch nicht, jenseits hatte sie ohnehin nichts zu melden. Gleichzeitig hat sich die BRD aber als alleinige Vertreterin der deutschen Interessen verstanden und als solche z.B. sehr lange die Aufnahme der DDR in die UN blockiert. Und durch ihre Staatsbürgerschaftsdefinition - das eigentliche Thema dieses Threads, und damit sollte dieser Beitrag nicht gänzlich off topic sein - doch ihren Einfluß- und Zuständigkeitsbereich jenseits der Grenzen der BRD deutlich gemacht. Die BRD sieht sich doch offenbar als verantworlicher Staat für alle, die sich 1937 innerhalb der Grenzen des deutschen Reichs aufgehalten haben. Und damit wiederum als Nachfolger des deutschen Reichs.
Die BRD mag damit nicht de jure Rechtsnachfolgerin des deutschen Reiches sein. De facto ist sie es aber auf jeden Fall. Diese sehr geschickte Konstruktion löst aber auch weitere Probleme, die Du im Verlauf diese Thread angesprochen hast. Abhängig davon, was man gerade braucht, ist man eben Rechtsnachfolger oder eben nicht. Sehr pragmatisch, und genau so, wie es es in dem von Dir zitierten Urteil zementiert wurde.
Zum Beispiel der "fehlende" Friedensvertrag. Das deutsche Reich mag sich formal noch immer im Kriegszustand befinden, aber egal, ob ein Papierstaat Krieg führt oder nicht, stört doch eigentlich keinen. Insofern ist die BRD eben mal nicht Rechtsnachfolgerin des deutschen Reichs, und hat als solche niemals eine Kriegserklärung abgegeben. Damit befinden wir uns im Frieden mit den USA, England, Frankreich, und der UdSSR bzw. ihren Nachfolgestaaten, und natürlich auch mit allen anderen Staaten, die auch ohne Kriegserklärung im zweiten Weltkrieg gegen das deutsche Reich gekämpft haben.
Also das entweder / oder zusammen mit dem sowohl / als auch. Sehr deutsch, und es verlangt etwas Zwiedenken im Orwellschen Sinn. Das buchstabengetreue Zitieren irgendwelcher Regelungen führt da allerdings nicht weiter, da das je nach Sinn der Entscheidung immer nur eine Seite der Medaille beleuchten kann.
Viele Grüße, Tiguar

Zur Rechtsnachfolge der BRD mit Blick auf das deutsche Reich:
Ganz ehrlich gesagt, klingt das für mich reichlich nach hochgestochenem Juristengeschwätz, was aber nicht negativ gemeint ist, sondern dennoch meine Hochachtung vor feingeistigen Definitionen ausdrücken soll.Wie kann das sein, wenn selbst das Bundesverfassungsgericht dies verneint (Urteil vom 31.07.1973)?
Auszug aus dem bis heute nicht widerufenem Urteil: »Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! - geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; ( ...). Das Deutsche Reich existiert fort, besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. (...) Mit der Errichtung der BRD wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert. Die BRD ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches (...). Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des GG.«

Das deutsche Reich wurde nie aufgelöst, ist juristisch noch vorhanden, aber mangels Organisation und Organen handlungsunfähig. Na und? Staaten werden selten aufgelöst, mit Ausnahme z.B. der UdSSR. Staaten hören normalerweise einfach auf zu existieren, und auf ihren Gebieten entstehen neue Staaten. Und ohne groß darüber zu reden, treten die neu entstandenen Staaten die Nachfolge ihrer Vorgänger an. Was immer dann sehr einfach ist, wenn Vorgänger und Nachfolger über exakt gleiche Territorien verfügen. Wie in Frankreich, das sich nach 1789 und diversen monarchischen Intermezzi heute in der fünften Republik befindet, aber als Staat auf eine wesentlich längere Geschichte zurückblickt.
In vielen Fällen trifft aber genau das nicht zu. Die förderative sozialistische Republik Jugoslawien existiert heue nur noch als lockerer Staatenverbund zwischen Serbien und Montenegro. Dennoch haben Bosnien, Kroatien, Slowenien, und Mazedonien heute einen international anerkannten eigenstaatlichen Charakter, obwohl Jugoslawien sie nie aus der Föderation entlassen hat.
Die BRD befand sich zu ihrer Gründung in einer merkwürdigen Situation. Das deutsche Reich bestand nur noch auf dem Papier, und die BRD war nach eigenem Selbstverständnis das einzige legitime Staatswesen auf dem Boden des deutschen Reiches. Als solches ist die BRD in nahezu alle internationalen Verträge und Vereinbarungen des deutschen Reiches teils stillschweigend, teils ausdrücklich eingetreten, z.B. in das unter NS-Herrschaft ausgehandelte Konkordat mit dem Vatikan, was noch heute die Rechtsgrundlage für den Religionsunterricht in deutschen Schulen ist. Als solches hat die BRD auch die bestehenden Gesetze des deutschen Reiches nach innen übernommen, sofern sie nicht ausdrücklich geändert oder außer Kraft gesetzt worden sind. Genau das verstehe ich unter Rechtsnachfolge!

Gleichzeitig bestand aus guten Grund die Notwendigkeit, sich vom deutschen Reich abzugrenzen. Zum einen, um sich von der NS-Zeit zu distanzieren (obwohl man die Verantwortung dafür in bilateralen Verträgen durchaus anerkannt hat), zum anderen, um sich nach den Grenzveränderungen nach 1945 nicht in den Verdacht des Revisionismus gegenüber den Nachbarstaaten zu bringen. Eine formale Anerkennung der Gesamtrechtsnachfolge war dadurch natürlich ausgeschlossen.
Somit hat sich die BRD tatsächlich in ihrer Hoheitsgewalt auf das Geltungsgebiet des Grundgesetzes beschränkt. Warum auch nicht, jenseits hatte sie ohnehin nichts zu melden. Gleichzeitig hat sich die BRD aber als alleinige Vertreterin der deutschen Interessen verstanden und als solche z.B. sehr lange die Aufnahme der DDR in die UN blockiert. Und durch ihre Staatsbürgerschaftsdefinition - das eigentliche Thema dieses Threads, und damit sollte dieser Beitrag nicht gänzlich off topic sein - doch ihren Einfluß- und Zuständigkeitsbereich jenseits der Grenzen der BRD deutlich gemacht. Die BRD sieht sich doch offenbar als verantworlicher Staat für alle, die sich 1937 innerhalb der Grenzen des deutschen Reichs aufgehalten haben. Und damit wiederum als Nachfolger des deutschen Reichs.
Die BRD mag damit nicht de jure Rechtsnachfolgerin des deutschen Reiches sein. De facto ist sie es aber auf jeden Fall. Diese sehr geschickte Konstruktion löst aber auch weitere Probleme, die Du im Verlauf diese Thread angesprochen hast. Abhängig davon, was man gerade braucht, ist man eben Rechtsnachfolger oder eben nicht. Sehr pragmatisch, und genau so, wie es es in dem von Dir zitierten Urteil zementiert wurde.
Zum Beispiel der "fehlende" Friedensvertrag. Das deutsche Reich mag sich formal noch immer im Kriegszustand befinden, aber egal, ob ein Papierstaat Krieg führt oder nicht, stört doch eigentlich keinen. Insofern ist die BRD eben mal nicht Rechtsnachfolgerin des deutschen Reichs, und hat als solche niemals eine Kriegserklärung abgegeben. Damit befinden wir uns im Frieden mit den USA, England, Frankreich, und der UdSSR bzw. ihren Nachfolgestaaten, und natürlich auch mit allen anderen Staaten, die auch ohne Kriegserklärung im zweiten Weltkrieg gegen das deutsche Reich gekämpft haben.
Also das entweder / oder zusammen mit dem sowohl / als auch. Sehr deutsch, und es verlangt etwas Zwiedenken im Orwellschen Sinn. Das buchstabengetreue Zitieren irgendwelcher Regelungen führt da allerdings nicht weiter, da das je nach Sinn der Entscheidung immer nur eine Seite der Medaille beleuchten kann.
Viele Grüße, Tiguar
perfekt!57
Commodore
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Danke für die vielen klugen und emphatischen Folgebeiträge zum Post Nr. 23. Ich habe viel hinzugelernt durch Eure fachkundigen Ausführungen(!).
Und Jura (und BWL) sind eben keine exakten Wissenschaften wie Mathe oder Physik.
.... beruhen, wie wir wissen, ich erinnerte mich mal wieder, auf Übereinkommen zwischen Menschen, nicht auf "ehernen Gesetzen", bleiben "Verhandlungs- und Abkommenswissenschaften".
Was das aber mit "Wer ist Deutscher" zu tun hat? Wohl viel im Grunde.
Und Jura (und BWL) sind eben keine exakten Wissenschaften wie Mathe oder Physik.
.... beruhen, wie wir wissen, ich erinnerte mich mal wieder, auf Übereinkommen zwischen Menschen, nicht auf "ehernen Gesetzen", bleiben "Verhandlungs- und Abkommenswissenschaften".
Was das aber mit "Wer ist Deutscher" zu tun hat? Wohl viel im Grunde.
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