Maitry schrieb:
Geht denn nach Jahrzehnten die Magnetisierung irgendwie verloren oder nur die Elektronik kaputt?
SSD Flashzellen verlieren mit der Zeit ihre Ladung.
Wenn man mal auf die mikroskopische Ebene herunter geht, sind das im Endeffekt pro Speicherzelle eine Handvoll Elektronen die in dieser quasi gefangen sind.
https://electronics.stackexchange.c...ectrons-are-in-a-modern-slc-flash-memory-cell
In einem Paper von 2006 ist von weniger als 1.000 Elektronen pro Zelle die Rede. Das sind bestimmt nicht mehr geworden
Da eine Flash Zelle natuerlich wieder beschrieben werden koennen soll, und weil dies schnell gehen soll, koennen die Elektronen in dieser nicht fest gebunden sein.
Und das bedeutet das die Elektronen ueber die Zeit "abwandern" koennen, und die Zelle ihrer Ladung verliert. In modernen QLC Zellen, die mehr als nur "Ladung oder keine Ladung" abbilden, sondern die Menge der Ladung relevant ist, ist das dann nochmal kritischer.
Der Controllerchip der SSD hat, solange die SSD in Betrieb ist, immer ein Auge drauf und erneuert die Ladung der Zellen regelmaessig.
Da kommen dann die limitierten Schreibzyklen ins Spiel, so das auch das keine Garantie fuer die Ewigkeit ist.
Bei Festplatten sind es eher allgemeine Alterungseffekte der Mechanik. Eine Festplatte ist zum Beispiel nicht Luftdicht. Ueber lange Zeitraeume kann durch die Druckausgleichsoeffnung Feuchtigkeit eindringen. Das Gummi der Dichtung altert und kann sproede werden. Das Schmiermittel altert und kann fest werden. Die Kallibrierdaten der Festplatte liegen moeglicherweise in Flashspeicher.
Der Magnetismus der Platter ist da tatsaechlich weniger ein Problem, eher das die magnetische Schicht irgendwann mal chemisch zerfaellt.
Deswegen ist bei einem Katastrophalen Ausfall einer Platte, solange nicht ein abgestuerzter Lesekopf die Oberflaeche zerstoert, oder die Platter zu heiss werden, bei einer HDDs einfacher noch was zu retten.
Sowohl fuer SSDs als auch HDDS kommen allgemeine Alterungseffekte von Elektronik noch dazu. Elektrolykondensatoren sind da am bekannsten dafuer dass sie altern, wobei diese in Festplatten und SSDs inzwischen selten geworden sind. Aber insbesondere bei modernen Strukturbreiten laesst sich sagen das da nichts ewig haelt.
Du uebergehst bei deinem Gedankengang das Lesegeraet fatalerweise vollkommen. Aber das Lesegeraet muss ein integraler Bestandteil jedweden Archivkonzeptes sein. Wenn du nicht sicherstellst dass du die Daten noch irgendwie lesen kannst, dann kannst du das archivieren auch gleich sein lassen. In diese Falle sind wir mit dem Langzeitarchiv in meiner Firma vor ein paar Jahren auf die Nase gefallen. Wir hatten Daten vor 20 Jahren auf
MO Kassetten gespeichert. Leider ist dann irgendwann der Rechner mit dem Laufwerk drin entsorgt worden. Wir haben die Medien dann fuer teuer Geld zum Datenretter schicken muessen.
Insgesamt ist das natuerlich ein schweres Thema. Schlicht und ergreifend weil man es erstens nicht testen kann, und es zweitens um Zeitraeume geht, die man als Mensch nicht ueberblicken kann.
Schon vor vielen vielen Jahren sind Langszeitspeicher konzeptuell vorgestellt worden, die per Laser in Quarzkristall Informationen einbrennen. Das ist vielversprechend, weil Quarz chemisch stabil ist, und selbst wenn er externe Kratzer bekommt kann man ihn wieder polieren. Dafuer kann er natuerlich zerbrechen, wobei man da dann gegebenenfalls auch noch was retten kann, solange er nicht pulverisiert wird.
Wenn man die Datendichte klein haelt koennte man quasi "Quarz Mikrofilm" bauen, den man zur Not auch mit einem Mikroskop lesen kann.
Das klassiche Buch ist auch eine Erwaehnung wert. Richtig hergestellt (Pergament!) und gelagert ist es zumindest ein Langzeitspeicher mit dem die Menscheit Erfahrung hat
Natuerlich sollte man tendenziell eher Text und Bilder speichern anstatt Code. Es ist zumindest deutlich wahrscheinlicher das jemand noch einen Text verstehen kann, als das noch jemand ASCII (oder UTF) interpretieren kann, wenn man ueber Jahrtausendzeitraeume sprechen will.
Idealerweise speichert man low-Tech dann am besten als erstes soviele Woerterbuecher wie moeglich, damit die Change hoch ist das der Leser das dann auch versteht
Sowas wie den Rosettastein halt.
Ansonsten hast du nacher sowas wie das
Voynich-Manuskript: Gut erhalten, aber keiner versteht es.
Und natuerlich Redundanz, Redundanz, noch mehr Redundanz, und dann
nochmal mehr Redundanz. (Und noch eine Kopie
)
Das ist insgesamt ein sehr sehr umfangreiches Thema was dieses Forum deutlich sprengen duerfte. Ich bin auch alles andere als ein Experte, aber ich bin grundlegend sehr an sowas interessiert.