Wozu Mathe in der Informatik?

Merkur123

Ensign
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Hallo Computerbase,

ich wollte fragen, warum man im Bereich der Informatik, gute Mathematikkenntnisse meist vorraussetzt/erwartet?

Wofür braucht man z.B. Linear Algebra, Analysis I, Analysis II , wenn man sagen wir mal mit JAVA programmiert?

Wozu braucht man als Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker (das interesssiert mich mehr als reine Informatik),
gute Mathekenntnisse? Wo hat man Vorteile durch Mathekenntnisse? Wo kommt man ohne Mathe nicht weiter?


Ich kenne mich leider noch nicht so gut aus, aber ich verstehe nicht, warum ich Mathe lernen sollte,
wenn ich später im Bereich Wirtschaftsinformatik (wo genau, weiss ich noch nicht) arbeiten will?
Reicht einfache Mathematik nicht aus, für Softwareentwicklung?

Wofür Integralrechnung, Kurvendiskussion etc?

Kann man nicht guter Programmierer/IT- Berater etc werden, wenn man von Informatik viel, von Mathe
wenig versteht?

Ich würde mich über ausführliche Antworten sehr freuen!
 
Ein kleines Beispiel aus der Praxis eines Softwareentwicklers:

In einer Computersimulation soll der Fahrbereich eines Industrieroboters nachgestellt und grafisch animiert werden. Nehmen wir nun alleine für den Greifer den einfachsten Fall an, dass sich dieser auf einer Kreisbahn bewegt. Alle angefahrenen Punkte auf dieser Bewegungsbahn müssen nun im entsprechenden Zeitrahmen interpoliert werden. Die 3D-Darstellung der Objekte selbst ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

In der Informatik gibt es eben kaum ein Problem, das ohne Mathematik zu lösen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wofür braucht man z.B. Linear Algebra, Analysis I, Analysis II , wenn man sagen wir mal mit JAVA programmiert?

Die Frage ist falsch gestellt; die benötigten Mathekenntnisse sind von dem Problem, was du "löst" abhängig, und nicht von der für das Problem verwendeten Programmiersprache. Du kannst auch in Java durchaus extrem mathematisch anspruchsvolle Sachen programmieren. Des Weiteren sind LA, Analysis Kurse für reine Mathematiker, als Informatiker bekommt man eher angewandtere Mathematikkurse an der Uni.

Reicht einfache Mathematik nicht aus, für Softwareentwicklung?
Du willst ja nicht einfach so Software entwickeln, sondern mit deiner Software von deinen Auftragsgeber gegebene Probleme lösen. Und diese Probleme können extrem mathelastig sein.

Kann man nicht guter Programmierer/IT- Berater etc werden, wenn man von Informatik viel, von Mathe
wenig versteht?
Über IT-Berater kenne ich mich zu wenig aus. Als reiner Programmierer ist es aber eher davon abhängig wo genau du unterkommst - bei manchen Stellen wird viel Mathematik benötigt und an anderen eher weniger bis kaum (zum Beispiel wenn es dein Job ist einfach irgendwelche GUIs zu programmieren).

Wozu braucht man als Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker (das interesssiert mich mehr als reine Informatik),
gute Mathekenntnisse? Wo hat man Vorteile durch Mathekenntnisse? Wo kommt man ohne Mathe nicht weiter?
Meine Kenntnisse über Wirtschaftsinformatik tendieren gegen 0, deshalb ein paar Beispiele aus den Bereichen, wo ich mich besser auskenne:

Computergraphik:

-Zwingend erforderlich sind dort Koordinatensystemtransformationen, welche zu den affinen Transformationen und damit zur linearen Algebra gehören. Mit Koordinatensystemtransformationen kann man zum Beispiel berechnen, wo sich die Objekte relativ von der Kamera aus gesehen befinden. Diese Transformationen sind zwingend beim Zeichnen eines Objekts in OpenGL oder DirectX erforderlich. Auch kann man damit bestimmen wie sich die Koordinaten eines Objekts ändern, wenn sich ein Objekt von sich aus gesehen nach vorne gerade aus bewegt. Dieses Problem tritt auf, wenn eine Spielfigur zum Beispiel einfach gerade aus läuft. Auch problematisch ist, dass es Objekte gibt, deren relative Bewegung untereinander eingeschränkt ist. Zum Beispiel wenn du dir einen Panzer anschaust, der besteht aus Wanne, Turm und Rohr. Wenn sich die Wanne bewegt, muss sich der Turm und das Rohr mitbewegen. Der Turm kann sich relativ zur Wanne nur Horizontal drehen. Das Rohr kann sich relativ zum Turm nur vertikal drehen. Für solche komplexeren Zwangsbedingungen benötigst du ebenfalls Koordinatensystemtransformationen.

-Ebenso muss man bei der Berechnung wie viel Licht eine Oberfläche Richtung Kamera reflektiert die Rendering-Gleichung lösen. Bei ihr handelt es sich um eine Gleichung mit unendlich vielen ineinander verschachtelten Integralen. Deshalb muss man für das Lösen der Rendering Gleichung auch immer Integralrechnung betreiben.

Physikalische Simulationen: Da löst man *meist* irgendwelche partiellen oder gewöhnlichen Differentialgleichungen. Um die Gleichungen zunächst einmal zu verstehen benötigt man neben physikalischen auch mathematische Kenntnisse. Für die Lösung muss man wiederum die Differentialgleichungen numerisch integrieren. Bei manchen Lösungsansätzen für die Differentialgleichungen muss man auch ein (lineares) Gleichungssystem lösen (zum Beispiel bei der Finite Elemente Methode), wo wiederum die lineare Algebra eine Rolle spielt.

In Wirtschaftsinformatik wird diese Mathelastigkeit sehr wahrscheinlich je nachdem was man macht ähnlich groß sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also in Wirtschaftsinformatik braucht man Mathe eigentlich auch nur für den BWL/VWL Teil. Im Rest geht es weitestgehend um Integration und ERP-Systeme. Da lernt man auch an den meisten Unis kein Stück programmieren sondern wie man SAP und co bedient.
 
Neben vielen Aspekten, die hier bereits genannte wurden, fällt mir noch spontan der Bereich Statistik/Stochastik ein. Ich bin selbst in der Softwareentwicklung und wir versuchen uns laufend in den Aufwandsabschätzungen (--> Wieviel Zeit wird benötigt, um ein Feature in Software zu implementieren; Aussagen zu min/mittel/max-Zeit) zu verbessern. Da sind entsprechende Kenntnisse extrem hilfreich.
 
Unter anderem übrigens auch, weil Programmierung nur einen relativ kleinen Teil des sehr breiten Fachbereiches Informatik darstellt.

Und ...
Erster Satz im Wikipedia Eintrag zum begriff Informatik:

Historisch hat sich die Informatik einerseits als Formalwissenschaft aus der Mathematik entwickelt, andererseits als Ingenieursdisziplin aus dem praktischen Bedarf nach schnellen und insbesondere automatischen Ausführungen von Berechnungen.
 
Mathematik ist weit mehr als reine Kurvendiskussion und Integralrechnung. Alleine Aussagenlogik ist das A und O von allen was mit Informatik zu tun hat.
 
Die Mathematik in der Schule dient (wie jedes andere Fach in der Schule auch) nur dazu, um Schüler zu ärgern.

Im Studium lernst du dann (hoffentlich) auch mal sinnvolle Mathematik, die einen Nutzen und konkreten Anwendungszweck hat.

Wobei in der Praxis diskrete/numerische Mathematik von Interesse ist (= also rechnen mit Zahlen). Lineare Algebra ist wie oben schon geschrieben für Grafikanwendungen von Bedeutung..
 
Zuletzt bearbeitet:
Aussagenlogik ist aber nicht unbedingt im mathematischen Bereich angesiedelt. Hab mal ein Semester Logik und Argumentationslehre von einer Philosophischer Fakultät gehabt und da eigentlich alles gelernt.
 
Evtl noch ein kurzer Nachtrag dazu, sogar wenn ich für die Aussage nun wahrscheinlich gesteinigt werde: Ich bin mittlerweile sogar davon überzeugt, dass Mathematik (oder Physik) der Informatik als Studiengang überlegen sind. Denn bei extrem vielen Bereichen der Informatik wird es beim tieferen Eintauchen so extrem Mathelastig, dass man als "Informatiker" Probleme hat dies zu verstehen anzuwenden oder neues Wissen zu produzieren, eben weil einem die mathematischen Grundlagen fehlen. Vize Verse ist das aber nicht gegeben: Ein "Mathematiker" findet sich auch in der Informatik gut zurecht, obwohl ihm viele informatische Grundlagen fehlen. Eben deshalb wird viele "informatische" Forschung und Entwicklung auch von Mathematikern gemacht, überdurchschnittlich viele Doktoranden in der Informatik sind auch Mathematiker, und gerade die komplexeren Probleme werden in der Regel von Mathematikern gelöst. Im Gegenzug sind Informatiker in der mathematischen Forschung wieder extrem unüblich.
 
kingler schrieb:
Die Mathematik in der Schule dient (wie jedes andere Fach in der Schule auch) nur dazu, um Schüler zu ärgern.
Ehm, nein?
Die Mathe in der Schule dient dazu, ein erstes Wissen und die Grundlagen zu vielen Mathethemen zu haben.
Außerdem soll dadurch eine gewisse Denktechnik, nämlich das logische und systematische Herangehen an Aufgaben trainiert werden.



So jetzt generell zum Thema:
Später in der Softwareentwicklung brauchst du nicht so brutales Mathe wie es manche einem weiß machen wollen. Davon nicht beunruhigen lassen.
Trotzdem ist Mathe wichtig aus den, wie schon bereits erwähnten, Gründen.
Achja und denk mal über die Namens Herkunft von Informatik nach ;) Infor - Matik .. Information und Mathematik ;)
 
Wieder ein Berufsfindungsthread von Merkur123?

@ all

Ich glaub der TE hat erstmal ausreichend Antworten bekommen. Es wäre auch mal schön zu hören dass er mit einem Thema anfängt. Sei es eine kaufm. Ausbildung, Studium etc. ...
 
Ich glaube nicht, daß wir das noch erleben werden.
Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
 
svenie25 schrieb:
Hab mal ein Semester Logik und Argumentationslehre von einer Philosophischer Fakultät gehabt und da eigentlich alles gelernt.

Und da ist man dann genau wieder bei dem Thema, warum Mathematik eben zu den Geisteswissenschaften und eben nicht zu den Naturwissenschaften zählt :)
Ergänzung ()

Nai schrieb:
Denn bei extrem vielen Bereichen der Informatik wird es beim tieferen Eintauchen so extrem Mathelastig, dass man als "Informatiker" Probleme hat dies zu verstehen anzuwenden oder neues Wissen zu produzieren, eben weil einem die mathematischen Grundlagen fehlen.

Was bei mir damals dann auch der Grund war, warum ich am Ende dann doch mein Informatikstudium geschmissen (selbst mit nem Matheleistungskurs im Abi) und eine 'Umschulung' zum Entwickler als Umweg hingelegt habe.

Ist es eigentlich auch heute noch so, dass Informatik einer der Studiengänge mit den höchsten Abbrecherzahlen ist?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ehm, nein?
Die Mathe in der Schule dient dazu, ein erstes Wissen und die Grundlagen zu vielen Mathethemen zu haben.
Außerdem soll dadurch eine gewisse Denktechnik, nämlich das logische und systematische Herangehen an Aufgaben trainiert werden.

Sehe ich ähnlich. Die ganze Vektorrechnung aus der Schule benötigt man beispielsweise bei Computergraphik ständig:

Zum Beispiel die Standardaufgabe eine Ebene zu konstruieren, die senkrecht zu einer gegebenen Geraden ist und durch einen gegebenen Punkt verläuft. Das benötigt man unter anderem um diejenigen Rotationssymmetrischen Sprites in 3D-Computerspielen zu zeichnen, welche immer Richtung Kamera schauen.

Weiteres Beispiel: Die Berechnung des Winkels zwischen zwei Vektoren. Benötigt man Beispielsweise bei der Lichtberechnung im Phong-Beleuchtungsmodell.

Noch eins: Inversion von Matrizen. Damit kann man Koordinatensystemtransformationen invertieren, was man wiederum benötigt um zu berechnen wie sich Objekte relativ zur Kamera befinden.

Oder alternativ Kurvendiskussion in der Computergraphik: Gegeben eine Kurve oder Fläche im Dreidimensionalen Raum. Gesucht eine Axis-Aligned-Bounding-Box um die Kurve. Dieses Problem kann man lösen indem man die Extrema der Kurve beziehungsweise der Fläche berechnet, also eine Kurvendiskussion durchführt.

Das Ganze kann man beliebig fortsetzen . . . .
 
Solltest Du mal Algorithmen designen müssen (ich weiß, im Internet gibt es jeden Sortieralgorithmus auch in jeder Sprache vorgegeben) oder auch Dich nur ein bisschen mit Kryptographie beschäftigen, ist Mathe notwendig. Oder auch in der Spieleprogrammierung oder bei Compilern brauchst Du Automatentheorie und um die zu verstehen, musst Du Mathe verstehen (zumindest die Mengengeschichte, welche wir in einer Mathevorlseung hatten). Willst Du Informatiker ohne Mathe werden, mach eine Ausbildung.
 
Die Frage von Merkur123 ist falsch gestellt.

Die Frage lautet: Wozu MÜSSEN wir Mathematik in mathematischen Formeln lernen wenn Mathematik auch in der Programmierung beschreiben lässt?

Die mathematischen Formeln wurde entwickelt als es noch keine Computer gab. Erst als es die Computer gab, wurde neben den mathematischen Formeln noch verschiedene Programmiersprachen dazu entwickelt, DENN: mathematischen Formeln lassen sich z.B: schlecht in Kommandozeilen schreiben. Diese Bruchzahlen, große Summenzeichen etc lassen sich nicht in einer Zeile schreiben.

Die richtige Frage müsste lauten: Wir leben im digitalen Zeitalter und die Frage lautet: Warum lernen wir Mathematik nicht gleich in Programmierskripts um so den Lernweg zu kürzen?

Ich kann Pi ausrechen und verstehen wenn ich die Skriptspache habe. Aber ich habe keine Ahnung wie ich Pi ausrechnen soll wenn ich so sehe:

http://upload.wikimedia.org/math/c/d/4/cd4c4c10652ed976bd6b88d882c9cf6b.png

oder so:

http://upload.wikimedia.org/math/9/c/9/9c9a038b7768bd3945cc89d266ac9f42.png

Ich kenne diese umgedrehte M nicht, ich weiss nicht was das soll. Und wozu soll ich das verstehen wenn ich in Skriptsprache besser verstehe?
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ich als WI-Student empfinde Mathe als eines der wichtigsten Fächer überhaupt in meinem Studium.

Also für fast alle Wirtschafts-Fächer brauchst du Mathe im Studium.
Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass das ja auch nur in der Schule so ist und dass man im Beruf dann wieder alles mit Software löst. Aber ich denke, dass es auch nicht darum geht, etwas zu lernen, das man später mal im Beruf auch genau so anwendet sondern einfach die ganzen Zusammenhänge verstehen.

In der Informatik ist Mathe vermutlich nochmal um einiges wichtiger als in der Infortmatik.
Die Meinung, dass man Mathe nicht auf die herkömmliche Art unterrichtet, sondern so wie Experiment_57 beschreibt, finde ich wirklich interessant. Vielleicht wäre das nicht das schlechteste.

Aber auch hier bin ich der Meinung: Es kommt mehr darauf an zu verstehen, wie etwas funktioniert als wirklich in der Praxis was damit anwenden zu können.
 
@Experiment_57, dann zeige mir bitte die Berechnung von pi in (d)einer Scriptsprache und teile mir bitte mit, was daran einfacher ist, vor allem einfacher die Zahl pi zu verstehen.
Die Verwendung sprachspezifischer Funktionen ist natürlich genauso wenig erlaubt, wie mathematische Zeichen (Summenzeichen / umgedrehtes M).
Denn ich kenne deine Scriptsprache nicht, im Gegensatz zu mathematische Zeichen.
Einfach ist das war man kennt, nicht das was man lernen muß.

Letztendlich macht dein Script im weitesten Sinn wahrscheinlich nichts anderes, als eine mathematische Formel zu berechnen.
 
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