Retro Games - The Spectrum im Test: Die Auferstehung einer Ikone der UK-Spieleindustrie
Retro Games bringt mit dem The Spectrum einen der bedeutendsten Computer in Originalgröße und Gummi-Tastatur zurück. Die vorinstallierten 48 Spiele beinhalten zudem einige Klassiker sowie auch neue Titel, von denen einer rund 40 Jahre nach Erscheinen des ZX Spectrum veröffentlicht wurde. Insgesamt ist der Auftritt gelungen.
Klassiker im gewohnten Gewand
Nachdem der für seine Retro-Konsolen und -Computer bekannte britische Hersteller Retro Games in der Vergangenheit mit dem TheC64 mini, dem TheC64 mit funktionierender Tastatur (Test), der Miniaturausgabe des Amiga 500 namens TheA500 (Test), von der laut Hinweisen des Unternehmens demnächst auch eine Version in Originalgröße mit richtiger Tastatur erscheinen könnte, sowie zuletzt mit dem The400 Mini, der Mini-Version des Atari 400 und 800 (Test), auf sich aufmerksam gemacht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das Unternehmen dem Klassiker der britischen Insel zuwendet.
Die Entscheidung von Retro Games, das neue Modell nicht in der üblichen Mini-Version zu veröffentlichen, sondern direkt eine identisch große Variante mit funktionierender Tastatur zu präsentieren, könnte in erster Linie von der geringen Größe des Originals beeinflusst worden sein. Folgerichtig misst auch der vorliegende The Spectrum 23 × 14 × 3 cm.
Optisch hält sich der Nachbau weitgehend an das in Großbritannien weit verbreitete Vorbild. Die charakteristische Tastatur des ZX Spectrum mit mehrfach belegten Gummitasten wurde ebenfalls übernommen und vermittelt Nutzern ein Gefühl dafür, wie in vielen britischen Kinderzimmern Spiele seinerzeit mit dem kleinen Computer erstellt wurden. Auch die aufgebrachten Schriften und Farben orientieren sich eng am Original.
Während Anfang der 1980er Jahre hierzulande zunächst der Commodore VC 20 und später sein großer Bruder, der C64, die 8-Bit-Computerszene prägten, liefen die Uhren in Großbritannien, wie nicht selten zuvor, etwas anders – denn dort erfreute sich vor allem der BBC Micro großer Beliebtheit. Dieser Computer, der Anfang der 1980er Jahre veröffentlicht wurde, kann dem dahinter stehenden Gedanken nach durchaus als Vorläufer des Raspberry Pi gelten und wurde daher vor allem im Bildungsbereich eingesetzt.
Dank seiner für damalige Verhältnisse großzügigen Ausstattung fand der BBC Micro, obwohl er vorrangig für diesen Bereich konzipiert war, auch außerhalb der Schulen Beachtung. Sogar die Musikszene profitierte von dem Rechner: So nutzte die Synthesizer-Legende Vince Clarke ihn sowie das spätere Master-System in Verbindung mit der UMI-Software, um über zwei Jahrzehnte hinweg Musik in Bands wie Depeche Mode, Yazoo, The Assembly und zuletzt Erasure zu produzieren.
Ein entscheidendes Hindernis für die breitere Verbreitung des BBC Micro war jedoch sein hoher Preis. Das Modell mit 16 KB Speicher kostete seinerzeit 235 britische Pfund, während die Version mit 32 KB Speicher für 335 britische Pfund erhältlich war. Solche Preise waren für viele Schüler und deren Eltern seinerzeit schlicht unerschwinglich.
Sir Clive Sinclair, wie er sich seit 1983 nennen darf, erkannte hingegen frühzeitig die Bedeutung von Computern und der Fähigkeit, mit ihnen umzugehen. Das schloss auch das frühe erlernen entsprechender Fähigkeiten mit ein. Seine Vision war es, Computer in jeden Haushalt zu bringen und dafür mussten solche Geräte für jeden erschwinglich und nicht einer bestimmten Gesellschaftsschicht vorbehalten sein. Um dieses Ziel zu erreichen, setzte er auf eine maximale Reduktion der technischen Ausstattung, wodurch er die Produktionskosten erheblich senken konnte.
Die Auswirkungen dieser Strategie wurden erst Jahre später deutlich, als seine kostengünstigen Computer Millionen Menschen den Zugang zur digitalen Welt eröffneten und damit eine neue Ära der Heimcomputer einläuteten. Auch wenn seine Rechner vor allem in diesem Bereich sehr beliebt waren – Spiele standen dabei für Sinclair nicht im Fokus.
Nachvollziehbare Zugeständnisse an die Moderne wurden hingegen bei den Anschlüssen gemacht. So fehlen beim The Spectrum auf der Rückseite gegenüber dem Original der Expansionsport, der Anschluss für einen Kassettenrekorder sowie der TV-Anschluss, stattdessen wurde ein USB-C-Anschluss integriert, für die Stromversorgung werden zudem nur noch 5 Volt bei einem Ampere anstelle der ursprünglichen 9 Volt benötigt.
Der The Sinclair bietet zudem vier USB-Schnittstellen, die sowohl für per USB-Quelle bereitgestellte zusätzliche Software als auch für Eingabegeräte wie Joysticks oder Tastaturen genutzt werden können. Inhalte werden nicht wie früher über ein Antennenkabel, sondern mittels eines moderneren HDMI-Anschlusses ausgegeben. Da die Programme jener Zeit ohnehin nicht in hoher Auflösung an den Monitor geleitet wurden, beschränkt sich die Ausgabe des Geräts auf 720p – wahlweise bei 50 oder 60 Hz.
Im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen enthält das rund 100 Euro teure Paket keinen Joystick oder andere Eingabegeräte. Wie gewohnt gehören jedoch ein HDMI- und ein USB-Kabel zum Lieferumfang, während Käufer ein Netzteil zur Stromversorgung separat erwerben müssen – ein Umstand, der bereits bei früheren Produkten von Retro Games üblich war.
Eine Besonderheit in Form einer Hommage versteckt sich im Inneren des Retro-Spectrums und die sich nur dem Nutzer offenbart, der das Gerät aufschraubt. Dieser wird auf der Kunststoffabdeckung, die die Rückseite der Tastatur bildet, folgende Gravur entdecken:
In memory of
Sir Clive Sinclair
1940 – 2021
and
Rick Dickinson
1957 – 2018
With thanks to you both
from the team at RGL
Bei Rick Dickinson handelt es sich um den Designer, der bereits das Gehäuse des ZX81 gestaltet hatte und dafür 1981 mit dem Design Council Award ausgezeichnet wurde. Dieses wiederum basierte wiederum auf der Arbeit von John Pempletons und seinem Design des Urvaters ZX80. Dickinson führte seine Arbeit fort, indem er laut eigener Aussage das alte Design mit den Vorteilen des damaligen technischen Fortschrittes verband. So kam beim ZX81 unter anderem das Spritzgussverfahren anstelle des bis dahin verwendeten Vakuumverfahrens zum Einsatz, was größere Freiheiten in Bezug auf Form und Details erlaubte.
Da es sich bei Retro Games um ein englisches Unternehmen handelt, unterstreicht die gravierte Widmung damit erneut die geschichtliche Wichtigkeit und den hohen Stellenwert, den Sinclair-Computer nach wie vor in Großbritannien genießen.
Die Geschichte des ZX Spectrum begann bereits zwei Jahre zuvor mit dem ZX80, einem Computer, der trotz seiner aus heutiger Sicht bescheidenen Hardware-Ausstattung und zahlreicher Einschränkungen vor allem in Großbritannien viele angehende Computer-Enthusiasten für sich gewinnen konnte. Dies war nicht zuletzt auf seine Benutzerfreundlichkeit und die einfache Programmierbarkeit zurückzuführen, die ihn zu einem idealen Einstiegspunkt für zahlreiche Nutzer, die später in der britischen Spieleentwicklung Fuß fassen würden, machte. Damit legte der ZX80 im Grunde den Grundstein für die aufstrebende Spieleindustrie Großbritanniens.
Als Prozessor diente ein Zilog ZX80A, der mit damals beachtlichen 3,75 Megahertz taktet – eine Leistung, die im Vergleich zu heutigen Prozessoren zwar nahezu lächerlich erscheint, für seine Zeit jedoch als solide anzusehen ist. Die geringe Speicherkapazität von lediglich 4 Kilobyte brachte allerdings deutliche Einschränkungen mit sich: So war Multitasking nicht möglich, sodass alle Vorgänge nacheinander abgearbeitet werden mussten. Dies führte unter anderem dazu, dass während der Ausführung von Code oder der Eingabe über die Tastatur der Bildschirm nicht aktualisiert werden konnte und stattdessen schwarz blieb. Um diese Limitierungen zu umgehen, gingen Entwickler dazu über, den Code ihrer Programme in Intervallen abzuarbeiten. Dennoch waren die Beschränkungen in jeder Codezeile spürbar: Der ZX80 konnte zudem nur mit ganzen Zahlen arbeiten, farbige Darstellungen waren nicht möglich und auch Ton konnte der Rechner nicht ausgeben. Die Bildschirmausgabe beschränkte sich daher auf monochrome Darstellungen.
Eine zusätzliche Speicher-Hardware, um die Programme zu laden oder eigene Entwicklungen sichern zu können, bot der Hersteller nicht an. Stattdessen konnte der ZX80, wie später auch seine Nachfolger, mit einem handelsüblichen Kassettenrekorder verbunden werden. Dieses Feature sorgte für einen für damalige Verhältnisse günstigen Preis und ebenso für die steigende Akzeptanz bei seinen Käufern, womit der Computer trotz seiner Einschränkungen zu einem praktischen Werkzeug für Hobby-Programmierer wurde.
Durch die Reduktion auf das Wesentliche konnte Sinclair den ZX80 zu einem damals attraktiven Preis anbieten: 99 britische Pfund für das Komplettpaket oder 79 britische Pfund für den günstigeren Bausatz, bei dem Nutzer die Einzelteile selbst zusammenbauen mussten. Für die nötigen Eingaben war der Computer mit einer Folientastatur ausgestattet, auf der neben den üblichen Zeichen und Grafikelementen auch Basic-Befehle aufgedruckt waren. Über die „One-Touch“-Funktion konnten diese Befehle mit einem einzigen Tastendruck in die eigenen Programme eingefügt werden. Diese Innovation zielte darauf ab, auch unerfahrene Nutzer an die Programmierung heranzuführen und den Einstieg in die digitale Welt zu erleichtern.
Außen auf alt, innen auf neu getrimmt
Während im Original ein Zilog ZX80A mit einem maximalen Takt von 3,5 MHz für die benötigte Rechenleistung verantwortlich war, basiert der Retro-Computer auf dem erprobten Fundament, das bereits beim The400 Mini zum Einsatz kam. Bei diesem handelt es sich um ein AllWinner-SoC vom Typ H3, das mit vier Cortex-A7-Kernen ausgestattet ist und die mit einer Taktrate von 1,296 GHz arbeiten. Damit erreicht der Retro-Computer eine etwa 370-fache Rechenleistung im Vergleich zum Original. Hinzu kommen 2 GB interner Speicher und 512 MB RAM. Für die grafische Ausgabe sorgt eine Mali-400 MP2 GPU, die eine Auflösung von 720p ermöglicht. Da die Programme des ZX Spectrum seinerzeit nur wenige Kilobyte groß waren, kann die aktuelle Ausstattung durchaus als überdimensioniert angesehen werden.
In Bezug auf die Software unterstützt der The Spectrum lediglich die Spectrum-Versionen 48K (inklusive der 16K-Variante) und 128K sowie den +2 und den +2A. Anders als bei Retro-Computern wie dem TheC64, der zusätzlich den VC 20 emulieren konnte, oder dem The400, der neben der Software des Atari 400 und 800 auch deren Nachfolger wie den Atari 800 XL sowie den 130 XE und das Atari 5200 unterstützte, oder dem TheA500, der sowohl den Amiga 500 wie auch den Amiga 600 und den Amiga 1200 mit einschließt, beschränkt sich der The Spectrum ausschließlich auf die Emulation des ZX Spectrum und lässt andere Sinclair-Modelle wie den ZX80 oder ZX81 außen vor.
Für die Emulation beim The Spectrum setzt Retro Games jedoch nicht auf eine bereits existierende Emulation wie seinerzeit beim TheC64, bei dem eine modifizierte Version des bekannten Emulators „Vice“ zum Einsatz kam. Für die Entwicklung des Software-Unterbaus zeichnete sich Chris Smith, Chief Technology Officer von Retro Games, verantwortlich. Smith, ein anerkannter Experte für die Hardware des ZX Spectrum, ist Autor des Buches „The ZX Spectrum ULA“, das den zentralen ULA-Chip (Uncommitted Logic Array) des ZX Spectrum behandelt. Dieser Chip war im Original für die Bildschirmdarstellung, die Tonausgabe und die Kassettenrecorder-Schnittstelle verantwortlich und bildete somit neben dem Z80-Prozessor das Herz des ZX Spectrum. Der ULA wurde primär dazu geschaffen, den Z80 zu entlasten, was die Rechenleistung bei nahezu gleicher Taktrate im Vergleich zum Vorgänger spürbar steigerte. Angesichts seiner Expertise ist davon auszugehen, dass Smith in der Lage war, einen speziell auf die Hardware des ZX Spectrum zugeschnittenen Emulator von Grund auf zu entwickeln.