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Retro Games - The Spectrum im Test: Die Auferstehung einer Ikone der UK-Spieleindustrie

Michael Schäfer
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Retro Games - The Spectrum im Test: Die Auferstehung einer Ikone der UK-Spieleindustrie

Retro Games bringt mit dem The Spectrum einen der bedeutendsten Computer in Originalgröße und Gummi-Tastatur zurück. Die vorinstallierten 48 Spiele beinhalten zudem einige Klassiker sowie auch neue Titel, von denen einer rund 40 Jahre nach Erscheinen des ZX Spectrum veröffentlicht wurde. Insgesamt ist der Auftritt gelungen.

Klassiker im gewohnten Gewand

Nachdem der für seine Retro-Konsolen und -Computer bekannte britische Hersteller Retro Games in der Vergangenheit mit dem TheC64 mini, dem TheC64 mit funktionierender Tastatur (Test), der Miniaturausgabe des Amiga 500 namens TheA500 (Test), von der laut Hinweisen des Unternehmens demnächst auch eine Version in Originalgröße mit richtiger Tastatur erscheinen könnte, sowie zuletzt mit dem The400 Mini, der Mini-Version des Atari 400 und 800 (Test), auf sich aufmerksam gemacht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das Unternehmen dem Klassiker der britischen Insel zuwendet.

Der The Spectrum gleicht äußerlich in vielen Dingen dem bekannten Vorbild
Der The Spectrum gleicht äußerlich in vielen Dingen dem bekannten Vorbild

Die Entscheidung von Retro Games, das neue Modell nicht in der üblichen Mini-Version zu veröffentlichen, sondern direkt eine identisch große Variante mit funktionierender Tastatur zu präsentieren, könnte in erster Linie von der geringen Größe des Originals beeinflusst worden sein. Folgerichtig misst auch der vorliegende The Spectrum 23 × 14 × 3 cm.

Optisch hält sich der Nachbau weitgehend an das in Großbritannien weit verbreitete Vorbild. Die charakteristische Tastatur des ZX Spectrum mit mehrfach belegten Gummitasten wurde ebenfalls übernommen und vermittelt Nutzern ein Gefühl dafür, wie in vielen britischen Kinderzimmern Spiele seinerzeit mit dem kleinen Computer erstellt wurden. Auch die aufgebrachten Schriften und Farben orientieren sich eng am Original.

Fun Fact: Eine Idee, die Computer-Geschichte schreiben soll

Nachvollziehbare Zugeständnisse an die Moderne wurden hingegen bei den Anschlüssen gemacht. So fehlen beim The Spectrum auf der Rückseite gegenüber dem Original der Expansionsport, der Anschluss für einen Kassettenrekorder sowie der TV-Anschluss, stattdessen wurde ein USB-C-Anschluss integriert, für die Stromversorgung werden zudem nur noch 5 Volt bei einem Ampere anstelle der ursprünglichen 9 Volt benötigt.

Die Anschlüsse unterscheiden sich beim The Spectrum gegenüber dem Vorbild sehr
Die Anschlüsse unterscheiden sich beim The Spectrum gegenüber dem Vorbild sehr

Der The Sinclair bietet zudem vier USB-Schnittstellen, die sowohl für per USB-Quelle bereitgestellte zusätzliche Software als auch für Eingabegeräte wie Joysticks oder Tastaturen genutzt werden können. Inhalte werden nicht wie früher über ein Antennenkabel, sondern mittels eines moderneren HDMI-Anschlusses ausgegeben. Da die Programme jener Zeit ohnehin nicht in hoher Auflösung an den Monitor geleitet wurden, beschränkt sich die Ausgabe des Geräts auf 720p – wahlweise bei 50 oder 60 Hz.

Im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen enthält das rund 100 Euro teure Paket keinen Joystick oder andere Eingabegeräte. Wie gewohnt gehören jedoch ein HDMI- und ein USB-Kabel zum Lieferumfang, während Käufer ein Netzteil zur Stromversorgung separat erwerben müssen – ein Umstand, der bereits bei früheren Produkten von Retro Games üblich war.

Eine Besonderheit in Form einer Hommage versteckt sich im Inneren des Retro-Spectrums und die sich nur dem Nutzer offenbart, der das Gerät aufschraubt. Dieser wird auf der Kunststoffabdeckung, die die Rückseite der Tastatur bildet, folgende Gravur entdecken:

In memory of
Sir Clive Sinclair
1940 – 2021
and
Rick Dickinson
1957 – 2018

With thanks to you both
from the team at RGL

Bei Rick Dickinson handelt es sich um den Designer, der bereits das Gehäuse des ZX81 gestaltet hatte und dafür 1981 mit dem Design Council Award ausgezeichnet wurde. Dieses wiederum basierte wiederum auf der Arbeit von John Pempletons und seinem Design des Urvaters ZX80. Dickinson führte seine Arbeit fort, indem er laut eigener Aussage das alte Design mit den Vorteilen des damaligen technischen Fortschrittes verband. So kam beim ZX81 unter anderem das Spritzgussverfahren anstelle des bis dahin verwendeten Vakuumverfahrens zum Einsatz, was größere Freiheiten in Bezug auf Form und Details erlaubte.

Die Respektserweisung gegenüber Sir Clive Sinclair und Rick Dickinson sieht nur der, der ins Innere des The Spectrum schaut
Die Respektserweisung gegenüber Sir Clive Sinclair und Rick Dickinson sieht nur der, der ins Innere des The Spectrum schaut

Da es sich bei Retro Games um ein englisches Unternehmen handelt, unterstreicht die gravierte Widmung damit erneut die geschichtliche Wichtigkeit und den hohen Stellenwert, den Sinclair-Computer nach wie vor in Großbritannien genießen.

Fun Fact: Der ZX80 macht den Anfang

Außen auf alt, innen auf neu getrimmt

Während im Original ein Zilog ZX80A mit einem maximalen Takt von 3,5 MHz für die benötigte Rechenleistung verantwortlich war, basiert der Retro-Computer auf dem erprobten Fundament, das bereits beim The400 Mini zum Einsatz kam. Bei diesem handelt es sich um ein AllWinner-SoC vom Typ H3, das mit vier Cortex-A7-Kernen ausgestattet ist und die mit einer Taktrate von 1,296 GHz arbeiten. Damit erreicht der Retro-Computer eine etwa 370-fache Rechenleistung im Vergleich zum Original. Hinzu kommen 2 GB interner Speicher und 512 MB RAM. Für die grafische Ausgabe sorgt eine Mali-400 MP2 GPU, die eine Auflösung von 720p ermöglicht. Da die Programme des ZX Spectrum seinerzeit nur wenige Kilobyte groß waren, kann die aktuelle Ausstattung durchaus als überdimensioniert angesehen werden.

Die Hardware hat sich beim The Spectrum gegenüber dem Original sehr verändert
Die Hardware hat sich beim The Spectrum gegenüber dem Original sehr verändert

In Bezug auf die Software unterstützt der The Spectrum lediglich die Spectrum-Versionen 48K (inklusive der 16K-Variante) und 128K sowie den +2 und den +2A. Anders als bei Retro-Computern wie dem TheC64, der zusätzlich den VC 20 emulieren konnte, oder dem The400, der neben der Software des Atari 400 und 800 auch deren Nachfolger wie den Atari 800 XL sowie den 130 XE und das Atari 5200 unterstützte, oder dem TheA500, der sowohl den Amiga 500 wie auch den Amiga 600 und den Amiga 1200 mit einschließt, beschränkt sich der The Spectrum ausschließlich auf die Emulation des ZX Spectrum und lässt andere Sinclair-Modelle wie den ZX80 oder ZX81 außen vor.

Für die Emulation beim The Spectrum setzt Retro Games jedoch nicht auf eine bereits existierende Emulation wie seinerzeit beim TheC64, bei dem eine modifizierte Version des bekannten Emulators „Vice“ zum Einsatz kam. Für die Entwicklung des Software-Unterbaus zeichnete sich Chris Smith, Chief Technology Officer von Retro Games, verantwortlich. Smith, ein anerkannter Experte für die Hardware des ZX Spectrum, ist Autor des Buches „The ZX Spectrum ULA“, das den zentralen ULA-Chip (Uncommitted Logic Array) des ZX Spectrum behandelt. Dieser Chip war im Original für die Bildschirmdarstellung, die Tonausgabe und die Kassettenrecorder-Schnittstelle verantwortlich und bildete somit neben dem Z80-Prozessor das Herz des ZX Spectrum. Der ULA wurde primär dazu geschaffen, den Z80 zu entlasten, was die Rechenleistung bei nahezu gleicher Taktrate im Vergleich zum Vorgänger spürbar steigerte. Angesichts seiner Expertise ist davon auszugehen, dass Smith in der Lage war, einen speziell auf die Hardware des ZX Spectrum zugeschnittenen Emulator von Grund auf zu entwickeln.