@Tharamur
Und die Flüchtlinge sind hier nur ein Teil des Problems ... ein momentan durch die Medien gut sichtbar gemachter Teil.
unter der Oberfläche ist da aber noch viel mehr im Argen.
Da ich sehr viel besser über Arbeitsbedingungen im sozialen Bereich informiert bin als über die in der Produktion, kann ich nur dazu etwas sagen.
Seit dem Ende der Wehrpflicht - ein Schritt den ich sehr begrüße - gibt es in diesem Bereich keine Zivildienstleistenden mehr. Lange Zeit war das der Pool an "billigen Arbeitskräften" aus dem sich die Pflegebranche (als Beispiel) bedient hat, um den Kunden (Angehörigen) erschwingliche Pflege (die nie wirklich erschwinglich war) anbieten zu können. Mit dem Wegfall dieses Pools, bzw. seiner unzureichenden Ersetzung durch das soziale Jahr, lautet die Formel in dem Bereich nun "Ehrenamt" ... klingt sowieso toll ... und ist sogar NOCH billiger, als Zivis oder Flüchtlinge.
Wäre das nicht gemacht worden, das Ende der Wehrpflicht hätte die Pflegekosten explodieren lassen (noch mehr, als sie das ohnehin taten).
Gleichzeitig hat der Gesetzgeber noch die Anforderungen an die Qualifikation der Pflegekräfte erhöht, was für viele "Ungelernte" (die zwar keine passende Ausbildung, aber jahrelange Berufspraxis hatten) natürlich das Aus bedeutete, oder sie gezwungen waren, ihre Qualifikaton nachzuholen (und dann dennoch ihren Job los waren, weil z.B Polen da halt einfach billiger sind).
Ich habe diese Entwicklung Live miterlebt (in einem Altenheim, in dem ich als Student Wochenend- und Feiertagsschichten gemacht habe ... mit einem mal durfte ich die meisten meiner Aufgaben nur noch dann erledigen, wenn gerade keiner hinschaute (weil dafür nach Gesetzgeber-Gusto ein Examinierter notwendig sein sollte) ... den Alten war das ziemlich wumpe ... aber der Chef und die Verwaltung sahen sich da an die Regelungen gebunden ... dabei habe ich teilweise sogar neue examinierte Pflegekräfte in diese Arbeiten eingeführt (da sie nur am Wochenende von Pflegekräften erledigt werden mussten).
Letztlich ist mir diese Finanzierungsmethode, mit der ich mein Studium größtenteils finanziert habe, dadurch abhanden gekommen.
Grund für die höheren Qualifikationsanforderungen sind natürlich auf Betreiberseite juristisch (Versicherung), auf Kundenseite der Wunsch zu wissen, dass der Pfleger auch weiß, was er da tut (als ob das in irgend einem Bereich durch eine Qualifikation tatsächlich gewährleistet werden könnte) und politisch wohl der Wunsch, den "Lohnverfall" in diesem Arbeitsbereich etwas zu bremsen.
Die Folge ist allerdings eine ganz andere ... denn nun schauen sich die Träger noch viel mehr nach billigen Arbeitskräften um ... und da die aber auch qualifiziert sein müssen (die Altenpfleger-Ausbildung dauert insg. 5 Jahre), kommen syrische oder afrikanische Pflegekräfte da natürlich gerade recht.
Die Arbeitsbedingungen in dem Bereich sind hingegen weiterhin unterirdisch, denn der Umstand, dass man wiedermal hoffnungslos unterbesetzt ist, bedeutet eben NICHT das Arbeit liegen bleibt (in dem Fall z.B. alte Menschen in Fäkalien). Die Arbeit wird natürlich erledigt - es geht ja schließlich um Menschen ... das Signal,welches in der Verwaltung und beim Träger dabei ankommt ist eben nicht "EY, wir sind zu wenig, und alle paar Monate scheidet jemand wegen Rückenschädigungen durch fehlende Hebehilfen (wären dem Kunden zu teuer) oder fehlendes Personal (120Kg Mensch alleine "umlagern" ist kein Spass für den Rücken) aus" sondern eher "ach so, unsere Verpflichungen können wir also auch mit NOCH weniger Personal erfüllen".
Die Arbeit als Pfleger gestaltet sich dadurch dann so, dass man durch puren Ressourcenmangel (Zeit oder Personal) eben nur das nötigste tut ... aktivieren? no way! ... mal ein Gespräch? Keine Zeit! ... mal mit einer kleinen Gruppe Alten in die Stadt ein Eis essen? Nö, man kann die Station ja nicht "allein" lassen.
Aber wehe, die Angehörigen bekommen mit, dass Oma im Prinzip morgens nach folgendem Programm "gepflegt" wird: Waschen, Trocknen, Falten AB IN DEN SCHRANK (aka Esszimmer) ... und ihr teuer bezahltes Altenheim im Prinzip doch nichts weiter ist, als eine Verwahranstalt für "noch-nicht-ganz-Tote". Da gibts das gleiche Buhei, wie wenn man sich die eigentlich nötige Zeit für die Pflege nimmt, und seine Arbeit gut macht ... nur die Alten freuen sich darüber, bei den Angehörigen überwiegt das "zu teuer" (spätestens, wenn ihnen die Rechnung präsentiert wird) und beim Chef das "dauert zu lange" (wohinter das gleiche "zu teuer" vom Kunden steckt).
Und wo kommts her? Der Kunde ist König, und der König will eben nicht mehr zahlen, als unbedingt notwendig ... möglichst hohe Qualität, auf die "für umsonst" auch gerne mal verzichtet wird.
Der neue Großbild-3D-Fernseher oder die iPhones der lieben kleinen sind in JEDEM Fall wichtiger, als die Oma.
Bevor ich ins Heim gehe, gebe ich mir lieber die Kugel.
Sorry für die vielleicht etwas drastischen Worte, aber was speziell in der Altenpflege teilweise abgeht, ist schon seit über 20 Jahren nicht mehr feierlich ... und damals gab es sogar noch Zivis.
@Tomislav2007 (unter mir):
Ich habe eine gute Ausbildung (Studium, B.Sc Mathematik, M.A. EW), und bin mir auch für niedere Tätigkeiten nicht zu schade ... ich will nur mit Arbeit wenigstens etwas mehr Geld in der Tasche haben, als mit Hartz4 ... ist das tatsächlich so unverschämt?
Auf meine Ausbildungen zu arbeiten (im pädagogischen Bereich) ist aber leichter gesagt als getan ... such mal stellen in einem Bereich, der fast 50% seines Personalbedarfs über Praktikanten und Ehrenamt deckt ... höhere Positionen gibts ohnehin nur mit "einschlägiger Berufserfahrung", die man am besten schon im Studium sammelt ... alles andere als Studenten ist den Trägern irgendwie dann doch zu teuer ... und Studienpraktikanten kriegen Leistungspunkte statt Geld, die kosten garnichts.
Der größte Unfug überhaupt, du bekommst ohne Führerschein nichtmal mehr nen anspruchslosen Büro-Job ... jedenfalls wenns nach den HR-Partnern geht. Und den Lappen vom Amt kannste gepflegt knicken, die Stecken lieber €20k in sinnlose Maßnahmen, die an der Arbeitsmarktattraktivität von Akademikern ohne Führerschein und Beziehungen genau garnichts ändern (ich darf mich mittlerweile "Projektmanager" schimpfen und habe so viele Coachings hinter mir, dass ich mich damit selbstständig machen könnte ... was die Pappnasen da geboten haben, kann ich aber lang und dreckig).
Meiner Meinung nach sollte jedem Hartz4-Empfänger ohne FS zunächst genau dieser "zwangsverordnet" werden. Daran, dass das nicht passiert, kann man sehen, das es im Prinzip doch nicht darum geht, die Leute "in Arbeit" zu bringen. Noch viel besser, durch eine Maßnahme ist mir mein gesamter Stamm an Instrumentalschülern wegen zeitlicher Überschneidungen abhanden gekommen ... toll gelaufen ... aber es musste ja dringend die schulische Ganztagsweiterbildung über 6 Monate sein
![Augen rollen :rolleyes: :rolleyes:](/forum/styles/smilies/rolleyes.gif)
Bis ich wieder Zeit hatte, hatten die Elten nicht nur neue Lehrer organisiert, sondern die kleinen hatten sich auch schon an die gewöhnt. Ich nenne sowas "Geschäftsschädigung von Amtswegen".
In den Jobcentern wird vor allem sehr effektiv Geld verbrannt, und zwar nicht durch die Zahlungen an Arbeitslose, sondern durch die an eine Weiterbldungsindustrie, die sich darauf kapriziert hat, Arbeitsuchende aus den Statistiken des Bundesamts für Arbeit heraus zu halten.