News Amazon nutzt Gesetzeslücke für „unbezahlte“ Praktika

OldDirtyBastard schrieb:
@dominion1

[...]aber bei alle dem was du sonst geschrieben hast, muss ich dir sagen das diese einstellung von dir einfach nur weltfremd ist. praktikas und 400 euro jobs lassen unseren arbeitsmarkt sterben, den praktikas und 400 euro jobs bringen keine steuern!

Weltfremd inwiefern?
Praktika und geringfügige Beschäftigung sind eine Möglichkeit für Unternehmen, den Mitarbeiter besser kennen zu lernen.
Als Unternehmer lasse ich doch nicht allen Ernstes einen Praktikanten oder 400-€-Jobber wieder gehen, der sich einbringt, der konstruktiv mitwirkt, Verbesserungsvorschläge macht und zu erledigende Arbeit von selbst sieht. Den werde ich mir also unbedingt sichern.

Das Problem ist vielmehr, dass sich in der Praxis zeigt, dass es nicht viele Leute gibt, bei denen es sich lohnt, sie zu sichern.

geht da mal ein lichtlein an!??

Glaub mir, bei mir herrscht Flutlichtbeleuchtung. :D

dahum schrieb:
@dominion1 Eine äußerst kurzsichtige und klassisch neoliberale Einstellung, [...]

Kurzsichtig ist ein Adjektiv, das mein Umfeld wohl am wenigsten mit mir in Verbindung bringen würde. :D
Und da dieser Vorwurf in Bezug auf meinen Beitrag auch jeder Grundlage entbehrt, meinen Dank für diesen Schmunzler am späten Abend.

[...]die nur grobe Zahlen gegeneinander abwägt.

Bitte, was? Bitte, wo?

Die Unternehmen bedienen sich aus dem Hartz4 Pool, machen damit realen Jobs Konkurrenz, sahnen Fördergelder ab, um die Leute nach der Probezeit wieder zu feuern und so dafür zu sorgen, dass nach ein paar solchen Aktionen die betroffene Person garantiert nie wieder einen normalen Job bekommt.

Unternehmen haben kein Interesse daran, erst Geld in die Ausbildung (innerbetrieblich) zu investieren, um die Mitarbeiter dann wieder zu feuern. Jeder Neuling kostet einem Unternehmen zunächst einmal Geld. Er kennt sich nicht aus, er muss eingewiesen werden, er kennt die Abläufe nicht.

Wovon Du redest sind Ausnahmebranchen, die saisonal bedingt in Zeitperioden zusätzliches Personal benötigen (wie vorliegend Amazon, oder der Einzelhandel im Weihnachtsgeschäft, oder aber die Spargelbauern zur Erntezeit).
In diesen Branchen ist das hire-and-fire-Prinzip auch völlig legitim, oder willst Du mir erzählen, der Spargelbauer solle seine 150 Spargelstecher, die er für zwei, drei Monate braucht, doch gefälligst ganzjährig sozialversicherungspflichtig beschäftigen?

Der Punkt ist: Es geht nicht.

Die Wirtschaft blüht auf dem Rücken von Zwangsarbeit, dann von Solidarität zu reden, wenn man gesellschaftlich verschuldete und stukturell bedingte Arbeitslosigkeit auch noch ausnutzen will, damit Unternehmen und Staat noch ne müde Mark mehr machen, ist purer Zynismus. Hartz4 ist eine gesellschaftlich geförderte Armutsindustrie, und die Betroffenen schulden dem Staat und der Gesellschaft gar nichts, sie sind deren Bauernopfer.

Zynismus ist der Erguss, den Du da von Dir gibst.
Aber selbstverständlich baut unsere Gesellschaft auf dem Solidaritätsprinzip auf. Die arbeitende Bevölkerung führt Steuern und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (nebst weiteren Sozialversicherungsbeiträgen) ab, um den jetzigen Arbeitslosen eine Existenzmöglichkeit zu bieten.

Dass die Betroffenen der Gesellschaft nichts schulden würden, diese Ansicht ist blanker Hohn.

Natürlich gibt es unter den Arbeitslosen Hartz-4-Empfängern eine ganze Menge, die liebendgerne arbeiten würden. Auch solche, die gute Qualifikationen aufweisen. So zählen auch Akademiker und andere gut ausgebildete Menschen zu Hartz-4-Empfängern.

Doch zumeist nicht für lange Zeit. Der Bedarf an Fachkräften zeigt sich immer stärker. Wer sich engagiert, wer Initiative zeigt und über eine gute Ausbildung verfügt, ist gefragt. Und wer gefragt ist, arbeitet nicht als Praktikant oder 400-€-Jobber. Die Unternehmen wären mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie gute Fachkräfte nicht in festen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zu halten versuchen.

Das Problem sind insbesondere die Ungelernten.
Und hier kommt ein ganz besonderer Aspekt hinzu, der im Fachkräftebereich so nicht zu Tage tritt: die Globalisierung. Hierzu folgendes:

Im ungelernten Bereich konkurriert die deutsche Wirtschaft mit der weltweiten Wirtschaft.
Das bedeutet, mit Wirtschaftssystemen, die keine Sozialversicherungssysteme kennen. In denen die Menschen einfach sich selbst oder ihren Familien überlassen werden. In denen ein Tageslohn (nicht Stundenlohn, sondern Tageslohn) zuweilen nicht mal 3 € erreicht.

Weshalb, so muss man sich fragen, werden Nordseekrabben mit dem Flugzeug (!) nach Afrika transportiert, nur um dort gepult und wieder nach Deutschland mit dem Flugzeug (!) zurücktransportiert zu werden? Weshalb rechnen sich die Kosten der Flüge samt Kühlung plus Arbeitslohn immer noch, statt die Krabben einfach vor Ort pulen zu lassen?

Die Antwort heißt: Globalisierung.

Und diese Globalisierung macht bei keiner Branche halt. Sie hat Auswirkungen auf das gesamte Waren-Wirtschaftssystem.

Die ungelernten Menschen machen, das wurde oben festgestellt, den größten Teil des Problems aus. Wenn nun diese Menschen hierzulande in direkter Konkurrenz zu absoluten Niedriglohnländern in der gesamten Welt stehen, dann bleibt für uns und unsere Ungelernten nur eine einzige verbleibende Konsequenz:

Wir müssen weg von der Vorstellung, dass jeder von seiner Arbeit alleinstehend leben kann.

Diese Vorstellung (die ich persönlich auch als erstrebenswert erachte) ist eine Illusion. Das mag traurig sein, ist jedoch Realität. Und jeder Versuch linksgerichteter Parteien und Vereinigungen, dies nicht als Realität anzuerkennen, empfinde ich als Betrug am Bürger.

Denn worüber ich schreibe ist nicht meine Meinung, sondern es geht um Fakten.

Es muss also sein, dass manche Niedriglohnbereiche staatlich subventioniert werden. Dies muss sogar noch sehr viel weiter vorangetrieben werden.

Ein ganz anderes Problem ist dabei, wie sogenannte "Aufstocker" und andere Personen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, gesellschaftlich akzeptiert werden. Dies ist ein gesellschaftspolitisches Problem und nicht eines der Privatwirtschaft.

Hier sind insbesondere die Medien, die Politik und die Interessenverbände gefordert, etwas zu bewegen. Es darf einfach nicht länger als Schande gelten, Zuschüsse zu beziehen.

Es muss einzig und allein darum gehen, seinen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

MfG,
Dominion.
 
Wen solche Nachrichten noch schockieren der lebt seit rund 10 Jahren auf dem Mond. Selbst die Arge poliert ihre Zahlen gerne oder warum werden immer vor den Arbeitlosenzählungen, 1€ Jobs und irgendwelche Massnahmen vergeben? Genau das man aus dem Arbeitslosenanteil verschwindet für 3-6 Monate. In meinen Augen sollte hier mal echt was getan werden. Vorallem solche Menschenhändler (Leihfirmen) sollten ganz von der Bildfläche verschwinden. Wo man minimum Stundenlohn bekommt, dafür aber Fahrtengeld. Was im ersten Moment sehr verlockend ist, aber später beim Rentenbescheid nicht mitberechnet wird. Netter nebeneffeckt für die Leihfirmen, sie können dieses Fahrtengeld auch noch absetzten.
 
Selten so einen Blödsinn gelesen Silentfreak.
Was ist mit sozialer Verantwortung, die ein Unternehmen hat?
Es ist legitim die Gemeinschaft zu bescheißen? Du hast wohl ganz elementare Dinge nicht verstahden...


Leider ist es so, das die Firmen, die für genau dies stehen sollten weil Sie groß genug sind das zu können, nichts, aber aber auch gar nichts dafür tun. Man könnte ja am Gewinn vorfliegen und direkten Konkurrenten Platz auf dem Markt bieten. Lieber zwei Produkte mehr für weit weit unter EK rausgeschleudert als den Leuten die das dann tragen müssen 3 Mark fuffzig mehr zu zahlen. :(
 
dominion1 schrieb:
Wir müssen weg von der Vorstellung, dass jeder von seiner Arbeit alleinstehend leben kann.

Es muss also sein, dass manche Niedriglohnbereiche staatlich subventioniert werden. Dies muss sogar noch sehr viel weiter vorangetrieben werden.

Dies ist ein gesellschaftspolitisches Problem und nicht eines der Privatwirtschaft.

MfG,
Dominion.

Ich verstehe schon. Es ist also eine gesellschaftliches Problem, daß Keiner zu Recht nicht akzeptieren möchte, als beliebig verfügbare Austauschware im Sammelrund für die Oberschicht zu enden.

Der Denkfehler daran ist nur, daß von diesem gelösten "Problem" nicht die Gesellschaft profitiert, sondern die Unternehmen.

Schade, daß du keine wirklich Ahnung von der Materie zu haben scheinst.

PS:

Gewisse Länder mögen keine Sozialsicherungssysteme haben. Dafür muß auch nicht so viel entlohnt werden, um diese Systeme zu finanzieren. Von den dort vorherrschenden Lebenshaltungskosten mal ganz abgesehen.

Das nur mal konkret zu Einem deiner vielen Denkfehler.
 
Eine etwas populistische Frage an dieser Stelle:

Warum muss man für Elterngeld - welches vom Staat bezahlt wird - nachträglich Steuern zahlen, wenn ein Unternehmen wissentlich Gesetzeslücken zum eigenen Vorteil ausnutzt und Steuergelder hinterzieht.

Zum Thema Arge:
Die Agentur teilt die Arbeitslosen in 3 Gruppen ein:
- Die, die sich nur arbeitslos melden, weil Sie eine Zeit zwischen zwei Jobs überbrücken
- Die, die zwar keinen Job haben, aber sich selbst kümmern und aus Frustration sich wieder einen selbst organisieren
- Die, die nicht mehr vermittelbar sind.

Frage 2: Welche Dienstleistungen erbringt doch gleich noch die Agentur mi 90.000 "Vermittlern" ausser Anträge auf AG zu bearbeiten?

Es wird Zeit für einen Hard-Reset. Doch der wird schneller kommen, als wir denken.

BTW: Der Fall Amazon sind Peanuts und Ablenkung von den wirklich großen Fischen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
dominion1 schrieb:
Wir müssen weg von der Vorstellung, dass jeder von seiner Arbeit alleinstehend leben kann.

natuerlich muss das funktionieren... die frage ist nur wie man es angeht.

man stelle sich das alles jetzt ohne den staat vor: arbeitskraft ist eine ware und hier ist nur angebot und nachfrage von bedeutung. in strukturschwachen regionen ist die zur genuege verfuegbar. jedoch kann ich die arbeitskraft nicht endlos ausbeuten, wenn ich die arbeiter nicht entsprechend bezahle, habe ich schlecht motivierte arbeiter. zahle ich so wenig, dass sie davon nicht leben koennen, habe ich entweder arbeiter die mich bestehlen, ihre arbeitskraft noch anderweitig zur verfuegung stellen (und zwischendurch tot umfallen) oder auf die strasse gehen und irgendwann meinen betrieb in schutt und asche legen.

solange aber der staat mit aufstockung fuer sozialen frieden sorgt, wird das natuerlich nicht passieren. aber wie weit soll das gehen.. der MA bekommt ein kostenloses essen in der kantine und tagsueber hat er ein dach ueber dem kopf?
ein mindestlohn wirkt dem entgegen. es geht hierbei um den niedriglohnsektor, arbeiten, welche sowieso gemacht werden muessen... und nichtmal polen wollen in ostdeutschland fuer 4€ putzen gehen...

wenn einfache arbeiter dann endlich genug verdienen, dass sie auch mal wieder zum friseur gehen koennen, sich im restaurant ein gemuetliches essen goennen koennen, morgens ihre broetchen vom baecker holen... dann provitieren diese bereiche automatisch.

und ein weiteres problem wird dabei sowieso immer aussen vor gelassen, diese leute koennen auch keine grossartigen ansprueche fuer ihre gesetzliche rente ansammeln, geschweige privat vorsorgen.

meine meinung: ich will keine sozialabgaben dafuer zahlen, dass firmen billige arbeitskraefte bekommen. lieber zahle ich fuer arbeitslose, welche keinen job bekommen von welchem sie, per definition (kann man ja jaehrlich und regional festlegen), leben koennen.

ach und noch eines. wir leben zwar in einer globalisierten welt, jedoch ist diese auf konsum ausgelegt, wird nichts konsumiert geht die wirtschaft den bach runter.
Ergänzung ()

MEDIC-on-DUTY schrieb:
Eine etwas populistische Frage an dieser Stelle:

Warum muss man für Elterngeld - welches vom Staat bezahlt wird - nachträglich Steuern zahlen...

du zahlst keine steuern auf das elterngeld! es wirkt sich allerdings progressiv auf deinen steuersatz aus. also der steuersatz wird aus einkommen und elterngeld ermittelt und dieser steuersatz gilt dann fuer das einkommen. das ist aber auch bei anderen leistungen so: krankengeld, arbeitslosengeld...
 
Zuletzt bearbeitet:
dominion1 schrieb:
Weltfremd inwiefern?
Praktika und geringfügige Beschäftigung sind eine Möglichkeit für Unternehmen, den Mitarbeiter besser kennen zu lernen.
Als Unternehmer lasse ich doch nicht allen Ernstes einen Praktikanten oder 400-€-Jobber wieder gehen, der sich einbringt, der konstruktiv mitwirkt, Verbesserungsvorschläge macht und zu erledigende Arbeit von selbst sieht. Den werde ich mir also unbedingt sichern.

Das Problem ist vielmehr, dass sich in der Praxis zeigt, dass es nicht viele Leute gibt, bei denen es sich lohnt, sie zu sichern.
Sry aber wirklich niemand bereits vorab von sich weiß, dass er oben gewünschte Ansprüche erfüllt, stellt sich auf 400€ Basis oder freiwillig als Praktikant irgendwo hin, das geht schon wohl von den Firmen und der Namen der Ausbeutung aus.
 
dominion1 schrieb:
Weltfremd inwiefern?
Praktika und geringfügige Beschäftigung sind eine Möglichkeit für Unternehmen, den Mitarbeiter besser kennen zu lernen.
Als Unternehmer lasse ich doch nicht allen Ernstes einen Praktikanten oder 400-€-Jobber wieder gehen, der sich einbringt, der konstruktiv mitwirkt, Verbesserungsvorschläge macht und zu erledigende Arbeit von selbst sieht. Den werde ich mir also unbedingt sichern.


Wozu gibt es die Probezeit?
Da kann man den MA besser kennen lernen....geringfügige Beschäftigung und Praktika dient dazu Kosten in der Regel zu sparen....und...die zu erledigte Arbeit von diesen Leuten bearbeiten zu lassen......
Ergänzung ()

Was Amazon macht ist aus Unternehmersicht wirtschaftlich gedacht, aber aus Arbeitnehmersicht und aus moralischen Gründen eher weniger :-)
 
Wow, wenn man die Kommentare hier so ließt, die bei der Sache "nix finden" und "alles völlig legitim" sehen, dann weiß man, was in Deutschland schief läuft.

Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher, die Mittelschicht bricht komplett weg. Es gibt Leute die Arbeiten 40 Stunden die Woche und müssen nach Hartz IV noch aufstocken und hier wird fröhlich der unsozialste Heuschrecken-Kapitalismus bejubelt. Moderne Sklavenhaltung, auf Kosten des Staates.

Armes Deutschland.
 
In den meisten Punkten stimme ich dir zu, aber ganz bestimmt nicht bei dem hier:
dominion1 schrieb:
Es muss also sein, dass manche Niedriglohnbereiche staatlich subventioniert werden. Dies muss sogar noch sehr viel weiter vorangetrieben werden.
Eine Aufstockung ist nix anderes als eine Subvention des jeweiligen Unternehmens. Ein Unternehmen das ohne Subventionen am Markt nicht bestehen kann hat am selbigen auch absolut nichts verloren! Sowas sollte meiner Meinung nach absolut auf Null eingedämmt werden, Subventionen sind unwirtschaftlich, im höchsten Maß unfair und somit unmenschlich.

dominion1 schrieb:
Ein ganz anderes Problem ist dabei, wie sogenannte "Aufstocker" und andere Personen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, gesellschaftlich akzeptiert werden. Dies ist ein gesellschaftspolitisches Problem und nicht eines der Privatwirtschaft.
Ich finde dies ist einzig und allein ein Problem der Privatwirtschaft.

Zum Thema: Diese "Gesetzeslücke" ist so gewollt! Versteckte Subventionen.
 
Zuletzt bearbeitet:
dominion1 schrieb:
Wir müssen weg von der Vorstellung, dass jeder von seiner Arbeit alleinstehend leben kann.

Sowas kommt natürlich nur von jemanden, der finanziell gut da steht. Aber sobald das Gehalt nur noch zum überleben reicht, nicht leben, sondern überleben, dann ist jammern auf hohen Niveau angesagt. Denn wenn das Geld nur noch für Miete und billiges Essen reicht, aber nicht mehr für Konsum wie Auto, Urlaub, Smartphone, Intel Rechner :king: oder neuen Flachbildfernseher sieht die Welt schon ganz anders aus. :cool_alt:

Aber du wirst uns jetzt bestimmt sagen, das du bei so einem Zustand weiterhin an deiner Ideologie festhalten wirst. :D
 
Zunächst einmal möchte ich auf den Punkt näher eingehen, an dem sich die meisten meiner Nachposter aufgerieben haben. Dazu zitiere ich mich einmal selbst:

dominion1: schrieb:
Wir müssen weg von der Vorstellung, dass jeder von seiner Arbeit alleinstehend leben kann.

Hierzu folgende Erläuterung:

Man muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein, die es mit sich bringen würde, wenn die staatliche Bezuschussung eingestellt und die Löhne gesetzlich so ausgestaltet würden, dass jeder von einer Vollzeitstelle leben kann.

Um eine Beurteilung der Konsequenzen vornehmen zu können, muss man wissen, wie ein Unternehmen bei der internen Kalkulation vorgehen muss.

Diese Kalkulationsgrundlage ist eigentlich denkbar einfach, bricht man sie auf das Wesentliche herunter: Ein Mitarbeiter muss zusätzlich zu all den Kosten, die für ihn anfallen (also direkt zurechenbare Kosten wie Arbeitslohn + Lohnnebenkosten wie auch indirekt zurechenbare Kosten wie Strom, Heizung, Gebäude/Miete, usw., die anteilig auf die Belegschaft verteilt werden), sowie neben dem Wagniszins (idR 2 – 3 % des Bruttogewinns) noch einen Überschuss erzielen.

Ist dies der Fall, ist der Mitarbeiter rentabel. Ist dies nicht der Fall, erwirtschaftet der Arbeitnehmer weniger, als er kostet, ist also unrentabel.

Man kann keinem Unternehmen einen Vorwurf daraus machen, wenn unrentable Mitarbeiter entlassen werden. Vielmehr müssen Unternehmen derartige Kalkulationen anstellen, allein schon aus Verantwortung ihrer rentablen Mitarbeiter gegenüber. Denn im Falle einer Insolvenz sind auch diese betroffen und werden arbeitslos.

Nachdem nun die Kalkulationsgrundlage geklärt ist, zurück zur oben erwähnten Beurteilung der Konsequenzen:

Gerade ungelernte Menschen können nur einen sehr geringen Beitrag für ein Unternehmen leisten. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass viele Tätigkeiten, die Ungelernte verrichten, ebenso in allen Teilen der Welt verrichtet werden können. Dies bedeutet, der hiesige Ungelernte steht in direkter Konkurrenz zum Ungelernten in Asien, Afrika und Lateinamerika. Wer sich einmal über die dortigen Arbeitsbedingungen informiert hat, weiß, was solch eine Konkurrenz bedeutet: Sie ist trotz Transportkosten unschlagbar.

Dennoch lassen viele Unternehmen diese Arbeiten hier vor Ort von hiesigen Ungelernten durchführen, weil der Staat den Verlust, der im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz entsteht, zumindest abfedert.

Entfällt nun diese Abfederung (wie von den meisten hier gefordert), entfallen diese Arbeitsplätze hierzulande. Denn, wie oben bei der Erörterung der Kalkulationsgrundlage geschildert, würde an einen erwirtschafteten Überschuss gar nicht mehr zu denken sein, wenn die Stundenlöhne so ansteigen würden, dass sie zum Leben ausreichen.

Nun werden sich sicherlich einige fragen, wie es denn mit den Tätigkeiten aussieht, die nicht ins Ausland ausgelagert werden können. Diese stehen ja nicht in direkter Konkurrenz zu ausländischen Unternehmen und Wirtschaftsstandorten.

Auch hierfür gilt das oben zur Kalkulationsgrundlage Gesagte:
Das Unternehmen muss durch seine Mitarbeiter einen Überschuss erzielen. Erhöhen sich die Kosten für die Mitarbeiter, erhöhen sich die Preise. Und viele Branchen können höhere Preise gar nicht verkraften, da höhere Preise automatisch auch immer einen Rückgang der Nachfrage beinhalten. Und der kann mitunter sehr kräftig ausfallen, sodass er über weitere Preiserhöhungen nicht mehr zu kompensieren ist.

Ein Unternehmenssterben wäre die Folge, was logischerweise immer neue Arbeitslose bedeutet. Und es betrifft immer und immer wieder gerade die Bereiche, in denen Ungelernte eingesetzt werden.

Hier schließt sich der Kreis.


Wir können das Ganze auch herunterbrechen auf eine entscheidende Frage:

Wollen wir, dass Unternehmen, die ohne staatliche Bezuschussung nicht mehr gewinnbringend arbeiten können, geschlossen werden?

Das sind also Unternehmen, die einen sehr massiven Anteil Ungelernter beschäftigen.

Wer nun für sich diese Frage mit „ja“ beantwortet, der muss folgende Punkte in Kauf nehmen:

→ Viele Menschen werden ihren Job verlieren.
→ Damit haben sie auch Einkunftseinbußen hinzunehmen, denn das aufgestockte Gehalt ist höher als Hartz 4.
→ Für Ungelernte wäre es quasi unmöglich, eine Anstellung zu finden.
→ Viele Menschen werden ihre Beschäftigung im Leben und damit das Gefühl, gebraucht zu werden, wertvoll, nützlich zu sein, verlieren und mit völliger Perspektivlosigkeit überschattet.
→ Die Steuern für den arbeitenden Teil der Bevölkerung müssten massiv erhöht werden.
→ Die Kriminalitätsrate würde steigen.
→ Die Zweiklassengesellschaft wäre am Ziel ihrer Träume.


Ist das erstrebenswert? Ist das sozial? Ist das verantwortungsbewusst gegenüber einer großen Gruppe von Menschen, die nicht einmal ein eigenes „Sprachrohr“ in der Öffentlichkeit besitzen? Ist das die Form von Unterstützung, die wir dieser Personengruppe angedeihen möchten?


Einige sollten sich vergegenwärtigen, dass man mit dem Ziel, Gutes zu tun, auch viel Böses anrichten kann. Zum Beispiel dann, wenn man immer nur eindimensional und vor allem nicht zu Ende denkt.

Natürlich ist es erstrebenswert, dass jeder von seiner (Vollzeit-) Arbeit auch leben kann. Das habe ich oben bereits geschrieben. Natürlich ist es (eindimensional gesehen) ein edles Ziel, für diese Überzeugung zu kämpfen. Doch wer nicht weiter denkt schadet den Personen, denen er helfen möchte. Dass Ungelernte solche Summen erwirtschaften können, wie anfallen würden, ist eine Illusion. Sie passt nicht zu dem, was Deutschland unbedingt, um jeden Preis, erhalten muss:

Die Wettbewerbsfähigkeit.

Denn ohne die Wettbewerbsfähigkeit würde die gesamte Wirtschaft zusammenbrechen, und alle, wirklich alle von arm bis reich, wären die Leidtragenden.

Eben deshalb plädiere ich dafür, staatliche Bezuschussung aufrecht zu erhalten und sogar noch auszuweiten. Um eben mehr Menschen die Möglichkeit auf eine berufliche Perspektive zu verschaffen und eben auch Unternehmen die Möglichkeit in die Hand zu geben, diese Menschen zu beschäftigen.

Dabei habe ich beileibe nie gesagt, dass ich das derzeit praktizierte Modell staatlicher Bezuschussung favorisieren oder für gut heißen würde.
Vielmehr bin ich der Ansicht, dass sich (Vollzeit-) Arbeit für die Betroffenen auch lohnen muss. Während der Hartz-4-Satz sich incl. Aller Leistungen bei etwa 850 € / Monat bewegt, würde ich bei Aufstockern auf jeden Fall 1100 – 1150 € ansetzen, damit eine gewisse Gerechtigkeit hergestellt wird. Unter dem Strich ist dies für den Staat bedeutend günstiger, als den Betroffenen gänzlich aus eigener Tasche Hartz-4 zahlen zu müssen.

Darüber hinaus müsste eine Kontrollinstanz gebildet werden, die verhindert, dass einzelne Unternehmen versuchen, Vollzeitstellen in billigere staatlich bezuschusste Modelle umzuwandeln, obwohl hierfür gar keine Notwendigkeit besteht. Ferner müssten bereits mit solchen Modellen operierende Firmen unter die Lupe genommen und ihnen im Falle der Nichtbedürftigkeit die Beanspruchung staatlicher Hilfen versagt werden.

Denn natürlich gibt es schwarze Schafe unter den Unternehmen, gar keine Frage. Solche, die schamlos alles ausnutzen, was sich ihnen bietet, um die Profite nach oben zu treiben, auch auf Kosten der Mitarbeiter. Und diese Unternehmen habe ich ganz sicher nicht gemeint, als ich die staatliche Bezuschussung verteidigte.

Man sollte sich aber davor hüten, generell unternehmerkritisch eingestellt zu sein. Denn die Unternehmen, die zu 95 % nicht nach den Ausbeutungsmechanismen operieren, die in den Medien immer wieder dargestellt werden, bilden die Grundlage unserer Wohlstandsgesellschaft. Die meisten Unternehmer sind eben nicht die raffgierigen Geldsäcke, die sich auf Kosten ihrer Mitarbeiter nur bereichern wollen.


Ich bemerke hier gerade die Länge meines bisherigen Posts. Das wird sich eh schon niemand mehr durchlesen. Und dabei hätte ich gerne noch diverse weitere Punkte erwähnt. Sei`s drum, vielleicht noch später.

Daher schließe ich meinen Roman mit einem Schlusswort an MidwayCV41 :

@ MidwayCV41 :

Ich habe lange Jahre als Student von wesentlich weniger als Hartz-4 leben müssen. Ich weiß, wie hart das ist, und ja – auch zu dieser Zeit habe ich meine besagte Einstellung bereits vertreten.


MfG,
Dominion.
 
dominion1 schrieb:
Man sollte sich aber davor hüten, generell unternehmerkritisch eingestellt zu sein. Denn die Unternehmen, die zu 95 % nicht nach den Ausbeutungsmechanismen operieren, die in den Medien immer wieder dargestellt werden, bilden die Grundlage unserer Wohlstandsgesellschaft. Die meisten Unternehmer sind eben nicht die raffgierigen Geldsäcke, die sich auf Kosten ihrer Mitarbeiter nur bereichern wollen.

Unternehmerkritisch personifiziert das Problem vielleicht auch zu sehr.
Kapitalismuskritisch trifft es eher.

Der Kapitalismus ist gescheitert.
Es ist doch so: Weder ist der Kapitalismus ein Naturgesetz, noch ist er Gottgegeben. Es ist ein von Menschen geschaffenes System und sollte somit auch dem Menschen dienen. Und zwar allen Menschen und nicht nur wenigen.

Dies kann ich jedoch nicht erkennen. Beispiele gibt es genug, am deutlichsten wird dies imho am Wegbrechen der Mittelschicht. Auch die Finanzkrise(n) ist ein Auswuchs des unkontrollierbar gewordenen Kapitalismus. In Deutschland leben immer mehr Menschen in Armut, bei immer stärker gekürztem Sozialstaat. Das sind alles Fakten, die sich mit Zahlen belegen lassen, deren Auswirkungen jeder von uns spüren kann.

Stattdessen hören wir Auswucherungen des Kapitalismus wie diese Meldung. Stattdessen werden Milliardenbeträge in die Rettung maroder Banken gesteckt, damit der Markt sich "beruhigt". Stattdessen geht die Polizei weltweit mit Gewalt gegen finanzkritische Demonstrationen vor.

Ich möchte das ganze jetzt nicht auf ein seitenlanges Pamphlet ausdehnen, das sind ja alles keine Neuigkeiten. So geht es jedoch definitiv nicht weiter.
 
@ Nossi:

Ich sehe die Auswüchse des Kapitalismus ebenso wie Du kritisch.

Jedoch muss folgende (nicht zu begrüßende, jedoch unabdingbare) Tatsache hier festgestellt werden:

Der Sozialstaat wird in Zukunft noch deutlich stärker gekürzt werden.
Das hängt damit zusammen, dass die Zeiten der Industrieländer Vergangenheit sind. Die weltwirtschaftliche Zukunft wird sich nun vermehrt in den Schwellen- und Entwicklungsländern ereignen, die sich mehr und mehr aufbauen.

Das bedeutet: Ein Teil unseres Wohlstands und Standards wird in diese Länder abfließen. Ein nicht zu knapper Teil. Es steht zur Frage, ob das Niveau unseres Sozialstaats überhaupt gehalten werden kann (und nur durch die Inflation eine Kürzung erfolgt) oder ob sogar Sozialabbau erforderlich ist.

Denn immerhin ist Deutschland mit seinem Sozialstaat sehr weit gegangen. Sehr weit.


Und bevor gleich Buhrufe aus den hinteren Reihen erfolgen (;)):
Ich sage nicht, dass ich eine solche Entwicklung begrüße oder befürworte. Ich lege einfach nur Fakten auf den Tisch. Harte und vor allem ungeschönte Fakten - das muss man vertragen können. (war nicht auf Dich bezogen, Nossi)

MfG,
Dominion.
 
Es ist von der Politik leider so gewollt. Man wollte damit Anreize schaffen, dass Firmen auch kurzfristig neue Mitarbeiter einstellen. Dass sich das (größere) Firmen wie Amazon zu nutze machen ist leider traurig, aus Unternehmenssicht (gewinnorientiert) aber nachvollziehbar. Die Sozialen Pflichten eines Arbeitgebers wurden immer mehr gelockert, sodass, finde ich, immer öfters der Staat dann in die Presche springt und der Steuerzahler zahlts...
Aber selbst der Staat agiert so. Ich arbeite in einer Staatlichen Bundesbehörde, meine Kollegen sind teilweise nur mit 6-Monatsverträgen eingestellt, erhalten 3x eine Verlängerung, spätestens nach 24 Monaten ist dann Schluss und ein neuer Kommt. Denn eine Befristung ist immer nur 2 Jahre lang möglich, danach wäre ein unbefristeter Vertrag fällig... Den gibts aber nicht...
Entsprechend hoch ist hier auch die Mitarbeiterfluktuation. Motivation ist auch niedrig, Fehlerquote hoch und die Bezahlung, naja für die Verantwortung zu niedrig.
Und da natürlich alles schön rechtssicher sein muss, ist die Arbeit weder effektiv und entsprechend vorgegeben. Schema F... Dienst nach Vorschrift... oder Nach mir die Sintflut...
Und gegen so einen Verwaltungsapperat kommt man nicht an, echt frustrierend...
 
@dominion1 einfache arbeiter in bereichen die du nennst gibt es doch schon fast gar nicht mehr! firmen die auslagern koennen, haben dies schon getan..
wir reden hier vom niedriglohnsektor der dienstleistungsbranche. in den news geht es um kommisionierer, packer bzw. verlader. die kannst du nicht auslagern wenn du in D was vertreiben willst. also muessen die preise dementsprechend kalkuliert werden. mein gott dann kostet der versand eben 2€ mehr.. vielleicht hilfts ja auch dem einzelhandel.
 
Mark3Dfx schrieb:
Ach was?!?
...befristeten Jobs.
(Ironie)
Ich sehe darin kein Problem, man sollte sich heutzutage generell nicht mehr an eine Firma binden sondern sich darauf einstellen bei mehreren Firmen zu arbeiten. Die Zeit in der man lebenslänglich bei einer Firma war, ist schon lange vorbei!

Mark3Dfx schrieb:
Ach was?!?
Willkommen im Land des Aufschwungs von Niedriglohn, Zeitsklaven....
(Ironie)
Sehe ich auch so, das sind ernste Probleme und die Regierung sollte dem endlich einen Riegel vorschieben. Zeitarbeitsfirmen gehören generell abgeschafft. Ich kenne Leute die in der ungünstigen Situation sind und in solch einer Zeitarbeitsfirma arbeiten müssen, die Margen dieser Zeitarbeitsfirma sind enorm. Das weiß ich deshalb, da der Bekannte 30% mehr Lohn heraus handeln konnte. Das sagt dann wohl schon alles.
 
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