Begnadigung und das Prinzip der Gewaltenteilung

Der Daedalus

Commander
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Hallo,

gerade macht in den Medien die Meldung die Runde, dass man die Freilassung zweier inhaftierter RAF Terroristen plane. Beide sind wegen mehrfacher Morde und nach Feststellung der besonderen Schwere der Tat Lebenslänglich ins Gefängnis gekommen.
Der eine der beiden Terroristen soll, so die Medien, durch ein Gnadengesuch, welches beim Bundespräsidenten vorliegt frei kommen.

Ich möchte jetzt nicht unbedingt darüber diskutieren was ihr von der Freilassung dieser Menschen haltet. Kurz sei angemerkt, dass sie wegen meiner ruhig bis zum Rest ihres Lebens in Haft bleiben sollen.

Doch die eignetliche Frage die sich mir stellt ist, in wie fern das Recht des Bundespräsidenten eine Begnadigung auszusprechen noch mit unserer heutigen Auffassung von Gewaltenteilung zusammen passt. Und ob nicht in der Verfassung selbst ein Bruch mit den Grundprinzipien unseres Staatssystems vorhanden ist.
In Artikel 60 GG wird dem Bundespräsidenten das Recht zugesprochen eine Begnadigung auszusprechen. Es gibt aber keinerlei Normierung, wann dies zu geschehen hat.

Ein kleines Zitat aus Wikipedia:

Die Begnadigung ist meistens Befugnis von Staatsoberhäuptern, die im Einzelfall Tätern die ihnen strafrechtlich zuerkannte Strafe erlassen. In dieser Praxis hat sich ein Rest des mittelalterlichen Gerechtigkeitsverständnisses erhalten, dass Autoritäten geltende Regeln willkürlich außer Kraft setzen können („Gnade vor Recht“). Die entsprechende generelle Maßnahme ist als Amnestie oder Abolition bekannt.

Quelle

Meine Meinung:

Die Begnadigung gehört abgeschaft!

Gründe:

- Der Bundespräsident ist Teil der Exekutive. Lediglich die Legislative darf das Recht besitzen Recht zu sprechen.

- Es gibt keinerlei Normierung, wann eine Begnadigung zu erfolgen hat. Die Begnadigung der RAF Terroristen ist ein Thema, weil es Medienwirksam ist. Ich habe etwas recherchiert und keinen Fall gefunden in dem der Bundespräsident einen "einfachen" unbekannten Mörder begnadigt hätte. Willkür ist das Prinzip der Begnadigung und Willkür bedeutet immer Ungerechtigkeit.
 
Der Bundespräsident sollte die Gewalt haben nach Abwägung der ihm vorliegenden Gründe eine Begnadignug erwirken zu können. Schließlich ist er nachwievor das Staatsoberhaupt und als solchem muss ihm meiner Ansicht nach diese Möglichkeit zukommen. Und Begnadigung ist ein Zeichen von Humanität und zugleich das Anerkennen der Möglichkeit, dass ein Mensch nach z.B. 20 Jahren Gefängnis ein anderer geworden ist. Würde man ihm die Begnadigung verwehren so würde man ihm die Chance nehmen zu Beweisen, dass aus Fehlern gelernt wurde. Wer schreit "Begnadigung gehört abgeschafft!", der kann finde ich gleich in einen Polizei- und Überwachungsstaat leben wo jeder Furz mit einer drakonischen Strafe geahndet würde. Also ich will so einen Staat nicht...
Im einzelnen über die RAF-Terroristen werde ich hier nicht diskutieren, gibt ja eh nur unnötigen Stress...
 
Ich sehe das auch eher zwiespältig: auf der einen Seite sollte man an den Menschen glauben und selber Milde walten lassen.
Auf der anderen Seite haben diese Leute Menschen getötet, die heute noch leben würden und auch die Angehörigen leben heute noch und leiden immer noch darunter. Und es würde auch in meinen Augen wie blanker Hohn wirken, wenn die Mörder meiner Familienangehörigen nach 25 Jahren frei kommen würden.

Ich lehne eine Begnadigung auch eher ab - vor allem bei Verbrechen wie Mord (aber auch Vergewaltigung). Eher könnte ich das bei kleinen Delikten verstehen, aber auch da würde ich lieber sehen das die Strafe komplett vollstreckt wird.

Ob nun der Bundespräsident eine Begnadigung ausprechen darf oder nicht weiß ich nicht, da kenne ich mich zu wenig aus. Empfehlen kann er sie ja meinetwegen und damit eine Diskussion lostreten, die dann sachlich und unter Abwägung aller Argumente geklärt wird. Entscheident ist wer dann letztendlich festsetzt ob begnadigt wird oder nicht (dann wohl die Legislative). Der Bundespräsident darf empfehlen, aber in diesem Fall nicht entscheiden. Vielleicht ist es ja so gemeint.
 
@theo:

Eine Alternative Variante wäre es, wenn bei langjährig inhaftierten in regelmäßigen Abständen Haftprüfungen durchgeführt werden. Und zwar in einer ordentlichen Verhandlung vor einem Gericht und auch wirklich für jeden Inhaftierten.
Das Problem welches ich habe ist, dass der Präsident nach Gutdünken handeln kann und ferner auch subjektiv handelt. Heute ist Köhler Präsident und in 5 Jahren vllt. wer anders. Es ist nicht sicher gestellt, dass der Präsident in 5 Jahren nach den selben Grundlagen urteilen wird wie Köhler heute.
Das Unrecht ist also vorprogrammiert.

Die Exekutive muss ferner von der Judikative in jedem Fall getrennt sein. Dies ist hier nicht der Fall.
 
Ich hab da was gefunden: Klick

Es ist viel zu lesen, aber um das wichtigste mal hier zu posten:
Die Einzelbegnadigung ist weder ein Akt der Rechtsprechung noch der Gesetzgebung. Die Inhaber des Begnadigungsrechts gehören nach ihrer verfassungsrechtlichen Stellung zur Exekutive. Wenn sie das Begnadigungsrecht ausüben, üben sie Funktionen eines Exekutivorgans aus, indem sie auf die Vollstreckung eines Urteils Verzicht leisten. In der Rechtswirklichkeit werden die Gnadensachen in der Regel von nachgeordneten Behörden administrativ bearbeitet und entschieden. Art. 19 Abs. 4 GG hat deshalb auch gegen Gnadenentscheidungen den Rechtsweg eröffnet. Sie müssen von den Gerichten daraufhin überprüft werden, ob sie materiell den durch das Grundgesetz abgesicherten Mindestanforderungen der Gerechtigkeit entsprechen und daher rechtsstaatskonform sind.

Meine persönliche Meinung: Dem Bundespräsidenten das Recht der Begnadigung abzusprechen halte ich ein einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft für falsch. Dazu gehört auch -unabhängig davon was man persönlich darüber denkt- einer mittlerweile 57jährigen Frau die Möglichkeit der Rückkehr in eben diese Gesellschaft zu geben.
Demokratie besteht eben nicht nur aus in Zement gegossene Regeln. Willkür kann ich bei Einzelfallentscheidungen, welche gründlich geprüft werden müssen, nicht erkennen. Insbesondere deshalb nicht, da dieser Vorgang einer Begründung bedarf, die wie oben beschrieben
materiell den durch das Grundgesetz abgesicherten Mindestanforderungen der Gerechtigkeit entsprechen
muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin da auch geteilter Meinung. Aber ein Argument von Daedalus wiegt schwer. Er hat in meinen Augen recht wenn er sagt, dass das dann aber für jeden gelten müsse, und das scheint ja eher nicht der Fall zu sein.
Und sobald es anfängt ungerecht zu werden, wäre ich dagegen, dass ein Staatsoberhaupt solch einen Einfluss nehmen kann/darf.
Die Gerechtigkeit muss gegeben sein. Aber da geht es schon wieder los. Wann darf wer unter welchen Umständen solch einen Antrag stellen.

Ich bin da leider nicht so informiert. Meine Aussage bezieht sich also lediglich auf mein persönliches menschliches Empfinden.
 
Klar, dieses Argument teile ich auch und ich bin auch gegen Willkür, aber ich denke nicht, dass der Köhler oder irgendein anderer Staastsoberhaupt der formell diese Befugniss hat, solch eine Entscheidung mal eben Abends vor dem Fernseher treffen wird. Er wird doch bestimmt mit einem Beraterstab eben über die gesamte Haftzeit betrachtet Informationen und zB auch Verhaltensweisen der Inhaftierten betrachten und erst dann zu einer Entscheidung kommen. Und gerade bei RAF-Terroristen sehe ich die Begnadigung eher möglich als bei einem der einfach mal so, ohne politisches Motiv, Leute um die Ecke bringt. Das soll nicht heißen dass ich Mord für politische Zwecke gutheiße, aber dass ein Verbrechen, im Zuge einer damaligen Organisation, die die RAF ja gewesen ist, anders behandelt werden muss als ein "stinknormaler" Mord von einem der einfach mal mit seinem Leben unzufrieden war und nicht einer Dachorganisation unterstellt war.
 
Mord ist Mord, egal ob ideologisch unterlegt oder aus niederen Beweggründen.

Gerade bei politisch verblendeten Gewalttätern wäre ich jedoch mit einer Begnadigung etwas vorsichtiger.

Bauchschmerzen verspüre ich allerdings bei der Tatsache, dass ein einzelner Mensch, auch wenn es der Bundespräsident ist, eine solch losgelöste Entscheidungsmacht besitzt.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass er diese missbraucht, doch eher gering ist.

Über eine Begnadigung sollte dann doch lieber ein ordentliches Gericht entscheiden.


MFG
 
Aber würde gerade in der heutigen Zeit, die mit Terrorangst und allgegenwärtiger Informationsflut über den War on Terror, eine Begnadigung von Terroristen, die Menschen ermordet haben, nicht genau das falsche Zeichen setzen? Oder wäre es ein richtiges Zeichen? Ich bin mir da nicht sicher.
Auf der einen Seite werden unsere Gesetze immer rigider (strenger, härter), die Überwachung nimmt zu und die Grundrechte der Menschen werden ausgehölt und genau in der Zeit begnadigt man Terroristen.

Wirklich ein schweres Thema. Und sollte man hier den Terroristen vom Mörder trennen? Kann man das überhaupt?
 
Ich will nochmal daran erinnern, dass in den USA die Gouverneure der jeweiligen Staaten ebenfalls diese Möglichkeit besitzen als letzte Instanz zB Todesstrafen (in den Bundesstaaten wo es das noch gibt) aufzuheben und auch wenn sie davon leider nicht oft gebrauch machen, so fühle ich mich zumindest besser, wenn ich weiß, dass jemand über diese ganze Apparatur hinaus auch noch eine gewichtige Stimme im Notfall einbringen kann...

Also meine Meinung: Eindeutig pro Begnadigungsmöglichkeit.

Und Mord ist nicht gleich Mord, das ist eine verkürzte Sichtweise. Denn dann waren auch alle bisherigen Freiheitskämpfer auf deren Blut heutige Verhältnisse erst aufgebaut werden konnten auch nur Blutrünstige Monster deren Morde und Kämpfe mit heutigem Maßstab betrachtet werden müssten...
 
th3o schrieb:
...Todesstrafen (in den Bundesstaaten wo es das noch gibt) aufzuheben ...

Diese werden dann aber in lebenslängliche Hatstrafen umgewandelt. In dieser Hinsicht eher eine Umwandlung der Strafe, aber keine Aufhebung/Beendigung der Strafe.
 
Ist es wirklich besser, wenn eine einzige Person soviel Entscheidungsgewalt hat? Da bin ich unsicher.
 
th3o schrieb:
...
Und Mord ist nicht gleich Mord, das ist eine verkürzte Sichtweise. Denn dann waren auch alle bisherigen Freiheitskämpfer auf deren Blut heutige Verhältnisse erst aufgebaut werden konnten auch nur Blutrünstige Monster deren Morde und Kämpfe mit heutigem Maßstab betrachtet werden müssten...

Wenn eine Tat aber von einem Gericht als Mord eingestuft wurde so sollte jeder Mord als gleich angesehen werden, denn sonst wäre es Totschlag oder Notwehr, aber kein Mord mehr. Von daher sollte man von Mord=Mod ausgehen ohne das Motiv zu unterscheiden, denn das wird vorher schon untersucht, um überhaupt den Tatbestand des Mordes herauszustellen. Ich sehe Mord=Mord und mache da keine Unterschiede, wenn ein Gericht den Mord erkannt hat. Wobei dieses nicht die Frage einer Begnadigung beantwortet.
 
Naja, da sehe ichschon noch kleine Unterschiede. Sicherlich ist in erster Linie ein Mord=Mord.
Aber ich stelle mir vor eine bis dahin unbescholtene Frau, die unter einem Martyrium ihres Ehemannes lebte und diesen ermordet, aus hilflosigkeit. Das soll jetzt hier nichts entschuldigen.
Oder aber eines wirklich eiskalten Killer, der aus niederen Beweggründen Menschen getötet hat und vielleicht auch wenig einsichtig ist.
Beides Mord, aber dennoch nicht gleich, wie ich finde.

Ich tendiere nach wie vor eher dazu, diese "Macht" keinem einzelnen Menschen zuzuschreiben.
 
BlackSavage schrieb:
Naja, da sehe ichschon noch kleine Unterschiede. Sicherlich ist in erster Linie ein Mord=Mord.
Aber ich stelle mir vor eine bis dahin unbescholtene Frau, die unter einem Martyrium ihres Ehemannes lebte und diesen ermordet, aus hilflosigkeit. ....

Hier würde ein Gericht (bei hilflosigkeit, also Ausweglosigkeit) eher auf Totschlag oder sogar Notwehr urteilen, also kein Mord, weil hier in D auch die Umstände genau berücksichtigt werden.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Notwehr muss ein unmittelbarer Angriff bevorstehen. Fällt hier also weg. Totschlag kann aber in besonders schweren Fällen auch eine lebenslange Haftstrafe nach sich ziehen.

Aber darüber will ich mich jetzt nicht "Streiten". Erstens wäre das aus meiner Sicht nur gefährliches Halbwissen und zweitens geht das ein wenig vom Thema weg. :)
 
Ich sage ja auch nur, dass die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, den Zeitstrang vom Begehen der Strafe bis heute angemessen zu beurteilen. Dass keine Willkürentscheidung getroffen werden sollte, das sehe ich auch so, aber auf der anderen Seite sollte man meiner Ansicht nach nicht so tun als ob es den Zeitraum von zB 20 Jahren niemals gegeben hat. Und ich persönlich finde es gut, dass es über dem Apparat der Gewaltenteilung noch eine "menschliche" Instanz geben kann, die im äußersten Notfall und wirklich mit sehr kontrollierter Handlungsmöglichkeit eben eine Begnadigung erwirken kann. Ich sehe da nichts schlimmes dran sondern eben den kleinen Lichtblick, dass wir uns alle als Menschengattung nicht eines riesigen Apparates einfach mal so unterordnen müssen, gegen den wir ab einem bestimmten Zeitpunkt rein gar nichts mehr tun können. Da stellt sich für mich halt wieder die altbekannte Frage: Inwieweit kontrolliert der Mensch dann noch den Apparat den er sich selber zulegt wenn es nicht die Möglichkeit gibt dass der Mensch selbst eben über den Apparat noch eine Entscheidungsgewalt hat.
 
Was meinst du mit "kontrollierter Handlungsmöglichkeit"? *grübel* Weiß es wirklich nicht.
 
Nun gut, die Frage ist ja, ob eine Person (die richtige) eine Begnadigung ausprechen darf oder nicht.
Auf der anderen Seite wird die Strafe ja auch nur von einer Person, dem Richter, ausgesprochen. Es wird geprüft und nach dem Gesetz gehandelt, aber das kann bei einer Begnadigung ja auch gemacht werden.

Was ich mich frage ist, wie kommt man gerade auf diese Leute die jetzt namentlich genannt sind? Ist ihre Schuld, weil sie politisch gehandelt haben anders als die von Mördern aus Lust oder Habgier? Sind sie prominent genug um begnadigt zu werden?

Hätte die RAF ihre Ziele durchgesetzt wären sie die Sieger in einem Konflikt gewesen, der die Morde legitimiert hätte.
 
Das frage ich mich allerdings auch, wie man jetzt auf genau diese Personen kommt?
 
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