Bericht C:\B_retro\Ausgabe_42\: Microsoft Windows 3.1

joshy337 schrieb:
Das sehe ich auch so. PC-Tools Desktop war zum Beispiel eine reine GUI bzw. TUI.
Windows 3.1, genauer WfW 3.11, war bereits mehr Betriebssystem als Oberfläche/graph. Erweiterung.
Es konnte unter bestimmten Umständen ohne DOS und BIOS Calls auskommen
und völlig autark mit seinen eigenen Treiber laufen - wie Win95.

Ja, das war spätestens mit Win32s sauber gelöst, Win32s-Programme waren auch unter Windows 3 saubere 32Bit-Programme. Ich meine daß mit Win32s auch die ersten 32Bit-Treiber für Massenspeicher und Ethernet verfügbar waren, sogar mit DMA-Unterstützung.

joshy337 schrieb:
DESQview und später DESQview/X waren Multitasker und konnten, im Falle von DESQview,
auf einem reinem 8088 Prozessor "echtes", preemtives Multitasking bieten (ohne V86!).
Windows und MacOS hingegen "nur" kooperatives Multitasking (was aber auch Vorteile hatte).

Also zumindestens die späteren Versionen von Desqview liefen nicht mehr auf 8088 und 80286 und liefen nur zufriedenstellen mit QEMM als Speicherverwaltung anstelle EMM.SYS.

Schön daß Du Desqview/X erwähnst, damit habe ich eine ganze Weile gearbeitet. Die Originalverpackungen für QEMM, Desqview und Desqview/X liegen noch auf dem Dachboden, das war am Ende eines Jobs übrig und sonst wollte das keiner. Das Gesamtpaket war damals irre teuer, ich meinte über 1000 Mark. Aber immerhin, man war mit TCP/IP im Netz und konnte grafisch auf Unix-Systemen arbeiten. Sogar die Nutzung vollständiger X11-Programme direkt auf DOS war brauchbar möglich und das sogar relativ resourcensparend - mit 4MB RAM konnte man durchaus komfortabel arbeiten. Das war aber ein schwacher Trost weil ein echtes BSD mit 8MB RAM immer noch günstiger war.

joshy337 schrieb:
Was an DESQview besonders war und leise überlebte, war die API. Zumindest teilweise.
Spätere Programme wie Windows 3.1/95 (und OS/2 ?) emulierten hinterrücks ein paar der alten
DESQview APIs um problemlos mit DOS-Programmen umgehen zu können.

Das war noch etwas komplexer, auch das ganze 32Bit-DOS-Extender-Geraffel wie DOS4GW und was es da alles gab spielte damals umfangreich mitrein. Den ersten rudimentären Multitasking-Support gab es mit MSDOS 5 und der war wirklich kaum mehr als ein Feigenblatt: Eine Funktion mit der ein DOS-Programm dem Multitasker sinngemäß mitteilen konnte "ich brauche die CPU für X Millisekunden nicht". Davor, z.B. zu MSDOS 3.3-Zeiten, war Time-Sharing noch eine echte Plage, zwei Prozesse die einfach nur einen DOS-Prompt mit blinkendem Cursor darstellten teilten sich die CPU brav 50 zu 50 und wenn dann ein echter Leistungsnutzer dazukam bekam der maximal 33%...
Das war ja auch der Grund warum es vorher DOS-ähnliche Multitasker/Multiuser-Systeme gab die sich intern so stark von DOS unterschieden daß man sie kaum als kompatibel sondern eher als Look-Alike bezeichnen mußte. Gruselig, sündhaft teuer aber immerhin konnte man so an einem PC mehrere VT100-Terminals anschliessend und mit mehreren Usern gleichzeitig arbeiten. Zumindestens wenn es sich um astreine DOS-kompatible Programme ohne Rückgriff auf das IBM-BIOS handelte. Also praktisch Zero.

joshy337 schrieb:
Für den Anwender sah das dann so aus, als ob Windows wahre Wunder vollbracht hatte.
Dabei waren die DOS-Programme es selbst, die die Kontrolle abgaben. Dank DesqView.

Nein, Desqview und auch Windows 3/95/98 nutzten innerhalb der DOS-Bos nie kooperatives Multitasking. Das hätten 99% der DOS-Programme sowieso nicht unterstützt. Das war ja das absurde, Windows-Programme konnten sich wegen kooperativem Multitasking blockieren aber die DOS-Programme liefen stur und stabil weiter.

joshy337 schrieb:
Edit: DESQVIew/X hatte auch spezielle Unterstützung für Windows 3.1.
Das heißt, Treiber und nahtlose Integration in DESQView (Windows lief im Fenster).
Auch die Maus wurde automatisch, "seamless", übernommen. Das Programm hieß "XWIN", glaube ich.
Im Grunde war das eine Art von VM, wie auch WIN-OS/2 bei OS/2.
Insofern war DESQView/X beinahe ein richtiges OS.
Man konnte sogar native Programme für den integrierten X11 Server kompilieren.
Wenn es nur nicht so teuer gewesen wäre. Es gab damals so richtig gutes Zeugs
das sich eben nur fast keiner leisten konnte.

Lustig, soherum habe ich das nie verwendet. Aber ja, machbar war das wohl. Als Win3.1 relevant wurde habe ich Desqview relativ schnell eingemottet ausser für meine eigene Mailbox und die Mailbox von ein paar Geschäftskunden wo es noch bis zur Jahrtausendwende und dem Y2K-Bug brav Dienst schob. Meistens habe ich dann direkt am Linux-Rechner gearbeitet oder mit einer oskuren kommerziellen Telnet-Variante unter Windows. Meine Güte, damals wars den Anbietern nichteinmal peinlich für einen Telnet-Client eine hohe zweistellige Summe zu verlangen. Gut das hat der Chef bezahlt...
Ab Windows 95 nutzte ich einen Windows-Spezifischen X11-Server der allerdings nur als Ausgabedisplay diente und für den man keine eigenen Programme erstellen konnte. Später mußte ich dann mit einem G4-Mac arbeiten - daher mein Haß auf Apple - dessen X11 komplett dysfunktional war und dessen Telnet/TERM so kaputt war daß ich selbst für Cursor-Links/Rechts eine CTRL-Sequenz eingeben mußte.

Ein 386sx16 mit 8MB RAM der problemlos acht Telefonleitungen bediente und auf dem im Hintergrund zahlreiche Dienstprogramme liefen, das ging nur mit Desqview. Nicht mit OS/2, nicht mit BSD und mit Windows schon garnicht. Immerhin, zwei Telefonleitungen über FOSSIL-Treiber liefen auf dem gleichen Rechner dann auch unter Windows 95 recht ordentlich solange man sonst nix drauf anstellte. Auf meinem 486dx2-66 mit 16MB RAM hingegen lief das unter Win95 genau so stabil wie unter OS/2 denn als reiner DOS-Multitasker war Windows 95 schlichtweg unschlagbar. Ich habe damals auf diesem Rechner zwei BBS-Telefonleitungen, eine lokale BBS-Leitung, Firefox fürs Internet und Railroad-Tycoon gleichzeitig genutzt ohne das kleinste Problem...

joshy337 schrieb:
Edit: Auch interessant: DESQView/X wurde sogar von einem Funkamateur verwendet,
um seine Bodenstation für Satelitten am Laufen zu halten. Find ich cool!
Anhang anzeigen 957152
Siehe https://www.qsl.net/xq2fod/Radiacti/Radiacti.html

Das hatte ich eine Weile fast genau so am Laufen bis ich nach der HAM-Prüfung auf ein reines Linux-System umgestiegen bin wo dann AX25 direkt als Netzwerk-Stack lief und ich die Soundkarte direkt programmierte um ein Baymodem zu emulieren. Und wenig später habe ich die gesamte Funkausrüstung eingemottet nachdem ich an einem sehr frühem DSL-Test teilnehmen durfte. Lediglich ein sehr gutes stationäres CB-Gerät sowie ein total zerlegtes HAM-Gerät liegen noch einsam in einer Ecke am Dach. Trotzdem, das hatte schon was wenn man 1992 mit 50-200bps effektiver Geschwindigkeit über 10 AX25-Gateways bis Kapstadt per telnet arbeiten konnte.

Vorher gab es ähnliche Software sogar für den C64 - das war vor meiner Zeit obwohl ich ernsthaft versucht habe damit anfang der 1990er zu arbeiten damit ich nicht meine teuren Amigas und PCs dafür verschwenden mußte. Mangels Doku und praktisch alleine auf weiter Flur habe ich kapituliert bis ich JNOS im Usenet entdeckte. JNOS oder einer der Vorgänger für den PC war dann die Lösung, lief auf einem 8088 mit 128kByte RAM mit einem Single-Sided 160kByte-Floppy. Sowas bekam man sogar 1988 schon für Lau nachgeschmissen und damit konnte man zielführend arbeiten. Oder zumindestens basteln.

Adobe Fonts unter Windows kannte ich garnicht. Ich besaß aber eine grosse Sammlung Vector-Fonts im Intellifont-Format von Agfa auf meinem Amiga und es gab damals ein paar gute Font-Converter. Wenn ich mich recht erinnerer habe ich damals ein paar Fonts zwischen Amiga und Windows konvertiert - primär nur in die Richtung Vektor-zu-Bitmap und Bitmap-zu-Bitmap. Jaja, wieder mal die alte Leier, AmigaOS im Jahr 1990 war Windows meilenweit überlegen.
 
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Reaktionen: joshy337 und konkretor
Gearbeitet habe ich erst auf einer MX300 (nicht Crucial, sondern SIEMENS) über ein Terminal mit UNIX.
Das war um 1985. Dann in der anderen Abteilung hatte wir Terminals mit BS2000 an einer Z2 Zentraleinheit.
Eigenständige PCs waren dann erst ab ca. 1992 mit DOS und Win2.0 in der Arbeit. Das schönste Arbeitstier war ein 200MHz Pentium Pro mit Win3.11. Das war so um 1996.
 
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