Afghanistans gegenwärtiger Vizepräsident Abdul Rashid Dostum ist ein großer, bulliger Mann. Orientalistisch angehauchte Journalisten aus dem Westen sehen in den stämmigen Usbeken einen Nachfahren Dschingis Khans: Wild, entschlossen, sympathisch und, wenn es sein muss, auch grausam.
Tatsächlich gehört Dostum zu den blutigsten Kriegsherren des Landes. Seine Laufbahn begann er unter der Regierung des letzten kommunistischen Führers Afghanistans, Mohammad Najibullah. Schon damals, Ende der 1980er, scharte Dostum treue Männer seiner Ethnie um sich. Sie stellten die ersten Strukturen seiner berühmt-berüchtigten Junbish-Miliz dar, die bis heute existiert. Unter Najibullah machte sich Dostum einen Namen als Mudschaheddin-Jäger. Regelmäßig schwirrte er mit seinen Milizen aus und machte Jagd auf sie. Nicht selten wurden Zivilisten, allen voran Angehörige der paschtunischen Ethnie, getötet.
Seine Glanzzeiten erlebt der Kriegsherr seit 2001. Als die US-Amerikaner gemeinsam mit ihren NATO-Partnern ins Land einmarschierten, verbündeten sie sich im Kampf gegen die Taliban mit jedem Warlord und Milizionär, der ihnen entgegenkam. Dostum befand sich damals in der ersten Reihe. Bereits in den ersten Monaten nach dem NATO-Einmarsch wurde seine Junbish-Miliz für eines der blutigsten Massaker in der jüngeren Geschichte Afghanistans verantwortlich gemacht.
Damals, im November 2001, hatten Dostum und seine Kämpfer eine größere Gruppe von Taliban-Kämpfern gefangen genommen und sie in mehrere Container eingesperrt. Die Container wurden anschließend in die Wüste Dasht-e Laili gefahren, wo man sie einige Tage stehen ließ. Von außen schossen die Junbish-Milizen immer wieder Löcher in die Container, während die Gefangenen schlimmste Qualen durchmachten und in der Hitze verdursteten.
Als die Container einige Tage später geöffnet wurden, entwich, so beschrieben es später anwesende Journalisten, ein bestialischer Gestank, eine Mischung aus Blut, Verwesung, Urin und Kot. Von den etwa 220 Männern pro Container überlebten durchschnittlich nur sechs Personen die Tortur. Die wenigen Überlebenden wurden danach umgehend hingerichtet.
Nun soll Dostums Miliz abermals weitere Verbrechen begangen haben. Dostum selbst, der sich in den letzten Jahren massiv bereichert hat – vor allem durch Sicherheitsverträge mit NATO-Truppen im Norden Landes –, ist mittlerweile nicht nur Kriegsfürst, sondern auch Vizepräsident des Landes. Als der damalige Präsidentschaftskandidat Ashraf Ghani Dostum zu seinem Stellvertreter ernannte, war die Empörung groß, dass der Paschtune ausgerechnet jenen Mann auserkoren hatte, dessen Milizen bekannt dafür waren, paschtunische Zivilisten zu jagen – und dies auch weiterhin tun.
Berichten zufolge wurden Ende Juni in der nördlichen Provinz Faryab Zivilisten gezielt von Angehörigen der Junbish-Miliz angegriffen. Mindestens 41 Menschen, allesamt Paschtunen, wurden von den Milizen, die zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam mit der afghanischen Armee eine Anti-Taliban-Operation in der Region ausführten, getötet und verletzt. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schossen die bewaffneten Männer wahllos in die Menge. "Sie trugen Kalaschnikows, schrien 'Ihr seid Taliban' und schossen auf jeden, der sein Haus verließ", meint etwa Hashmat, ein Dorfbewohner, der von Human Rights Watch zitiert wird.
Eine weitere Augenzeugin, Soraya, berichtet, wie die Milizen sie misshandelten und darauf hinwiesen, dass sie, wie alle anderen Dorfbewohner, als Paschtunin keine Rechte habe.