Der Deutsche Bürger und die Politik

Ich denke, dass ein Wahlprogramm schon halbwegs verbindlich sein sollte. Sicher kann eine Partei nicht alles umsetzen, was sie verspricht, aber wenn sie so wie die SPD 2005 eine 180°-Wendung macht, verspielt sie damit schlicht ihre Glaubwürdigkeit.
Da fragen sich die Bürger dann auch zu recht, warum sie überhaupt wählen gehen sollen, wenn die Politiker danach offensichtlich nicht so handeln, wie sie es versprochen haben sondern sich von für den Bürger nicht ersichtlichen Motiven leiten lassen.

Was meiner Meinung nach ein großer Schritt nach vorne wäre, wäre eine Wahlrechtsänderung hin zum reinen Verhältniswahlrecht (wie in GB).
Das hat zwar auch seine Nachteile, aber imho dennoch mehr Vorteile, die da wären:

- Der Bürger wählt seine Kandidaten direkt, es gibt keine undurchsichtige Listenwahl mehr, bei der man kaum Einfluss auf die Listenzusammensetzung nehmen kann.
- Der Kandidat hat dadurch eine stärkere Rückbindung an seinen Wahlkreis, er wird dadurch unabhängiger. Damit könnte man dann auch das Phänomen der Fraktionsdisziplin (bzw. Fraktionszwang) überwinden.
- Es würden bei den wahlen stabile Mehrheiten zu Stande kommen, bei denen höchstwahrscheinlich eine Partei ohne Koalitionspartner regieren kann (siehe GB).
Dadurch würde die Effizienz des Systems massiv gesteigert, den quälende Machtkämpfe wie in der GroKO heutzutage wären dann Vergangenheit.

Nachteile wären sicher die disproportionale Sitzverteilung (sprich die Partei mit weniger stimmen kann trotzdem die meisten Abgeordneten stellen) und das Verschwinden der kleinen Parteien. Aber ich denke, es wäre dennoch besser wie unser bisheriges system, dass jetzt nach der Etablierung der Linken auf eine längerfristige Erstarrung zudriftet.
Die Demokratie würde wie gesagt auch gestärkt werden. Meiner Meinung nach wäre das also eine doch recht potente Lösung.
 
manu` schrieb:
@Jan1985nov:
Du und offensichtlich auch dein VBWL Lehrer scheinen dabei zu übersehen, dass "Parteienoligarchie" die Folge dessen ist, dass sich Leute nicht durch eben Nachrichten und Tageszeitungen hinreichend informieren. Ganz im Gegenteil sollten sie viel mehr Nachrichten und politische Runden im Fernsehen und Radio hören und dafür lieber mal auf ein oder zwei Talkshows und so einen Schwachsinn wie das "Dschungelcamp" verzichten. Ich möchte dir und deinem Lehrer nichts Böses unterstellen und auf gar keine Fall zu nahe treten - aber lass mich raten: Dein Lehrer ist um die 55 Jahre alt und war 1968 Student? Diese Äußerungen sind durchaus typisch für die 68er.


Grundsätzlich stimme ich dir zu, aber für diejenigen die sowieso Nachrichten gucken und Zeitung lesen ist es meiner Meinung nach gut wenn sie hin und wieder Distanz zu den Medien aufbauen um sich wirklich eine eigene Meinung zu Bilden. Das geht nicht so gut wennn man tagtäglich 4-5 mal Nachrichten liest oder guckt.
Denn die Meinungen die man hört und liest müssen bewertet und richtig eingeordnet werden, da kann es passieren, das die eigene auch mal zu kurz kommt beziehungsweise zu undetailiert bleibt.
Das ist meine persöhnliche Meinung. Mein VBWL Lehrer hat was meine Meinung über die Medien angeht sicher einen Einfluß auf mich gehabt, aber das man sich ab und zu zurückziehen sollte zum nachdenken stammt nicht von ihm. Er würde mir aber bestimmt zustimmen. ;)
 
Zuerst mal muss ich sagen, dass ich überrascht bin über diesen interessanten Fred und die Art der Diskussion - weitgehend frei von Polemik wie sonst üblich in vielen Freds :)
Persönlich kann ich DanMans letztem Abschnitt zustimmen: ich könnte mich mit keiner Partei zu 100% identifizieren. Deshalb gehe ich wählen, nach dem Motto "das kleinste Übel"...
Es kann keinen Konsens aller Menschen landesweit geben, zu einem bestimmten Thema oder gar einer Partei, deswegen wird bei jedem Thema ein Teil meckern, den meisten ist es egal, und ein Teil findets gut. Mich beruhigt es fast, zu sehen, dass dieses Land sich nicht (mehr) zu eExtremen verleiten lässt, und lieber eine Art "streitbare Mitte" über sich ergehen lässt, was sicher sehr unromantisch klingt. Aber lieber eine stabile Regierung, als z.B. italienische Verhältnisse, wo kaum eine Regierung bis ans Ende der Legislaturperiode durchhält.
Viele die ich kenne, und da nehme ich mich nicht mal aus, bestätigen das schon erwähnte: es geht einem relativ gut, verschlechternde Veränderungen treten peu-a-peu auf, so dass es bisher kein dermaßen einschneidendes Erlebnis gab, was einen veranlassen konnte auf die Straße zu ziehen mit "viva la revolución" Gedanken.
 
Naja wir haben halt keine lupenreine Demokratie, sondern eine Parlamentarische Demokratie.

Bedeutet: Du wählst Vertreter. Und die können für dich Entscheidungen treffen. Wenn du unzufrieden bist, dann wähl beim nächsten Mal intelligenter.

Unser Problem ist nur, daß die falschen Leute in der Politik sitzen. Diese sind mittlerweile leider immer weniger dem Deutschen Volke verpflichtet, sondern immer sich selbst.

Siehe die unzähligen Skandale wo sich Politiker bestechen lassen und sich selber gut bezahlte Jobs zuschanzen. (aktuell am Bundesumweltminister Gabriel zu sehen)


Das System ist in Ordnung, nur werden mittlerweile nur noch unfähige Leute in die politischen Ämter gehoben. Die fachliche Unwissenheit in unserer politischen Führungsebene ist erschreckend groß. Und daran krankt das System.

Gruß
 
Die argumentative Distanz zu den Medien ist schon wichtig, damit nicht nachgeplappert, sondern selbstständig argumentiert wird. Jedoch heißt das nicht, dass man die Nachrichten, etc. nicht mehr beachten sollte.
Im Gegenteil: Mehr Informationen holen und gleichzeitig seine Distanz halten, um eine eigene fundierte Meinung zu bilden.
Zu viele Themen werden hier in Deutschland dilettantisch diskutiert, weil sich die Leute nicht über die Zusammenhänge detailliert informieren.
Ein passendes Beispiel hierbei ist der Umweltschutz: Hier werden oft Maßnahmen beschlossen, die das eigentliche Problem nicht berühren, sondern oft sogar verstärken, einfach weil weder die entsprechenden Politiker noch die Wähler den Überblick über die Thematik haben.
Es wird auch so schon zu wenig mit den Leuten gesprochen, die sich mit den Themen tatsächlich auskennen (vor allem bei technischen Themen kommt das vor - Wirtschaftler und Juristen sind die Politiker meistens selber), da muss man die Anzahl dieser Leute nicht auch noch einschränken, indem man ihnen sagt: "Manchmal ist es nicht gut, sich schlau zu machen. Bilde Dir lieber eine unfundierte Meinung."

Ich glaube, Konfuzius hat gesagt (korrigiert mich bitte, falls es jemand Anderes war):
"Studieren, ohne zu denken, ist blind.
Denken, ohne zu studieren, ist gefährlich."

Also: Meinung durchaus aus eigenem Antrieb bilden. Aber bitte alle Argumente und Zusammenhänge vorher verstehen!

Edit:
@easy.2ci: Genau die von Dir angesprochene "fachliche Unwissenheit" meine ich.
 
Zuletzt bearbeitet: (Nachtrag)
Ich halte eine geringe Distanz zu den Medien nicht für gefährlich ...
Viel wichtiger ist es, sich mehrere "verschiedene" Meinungen und Argumentationen anzuhören um somit seine eigene Meinung zu stärken,vergleichen. Glücklicherweise haben wir im Deutschen Fernsehen mehrere gute Politsendungen die ich sogar als Pflichtprogramm im Fernsehen erachte. Bei den Zeitungen haben wir ebenfalls ein breites Spektrum Linke sowie Rechte. Personen die ohne eine Meinung, sprich mit Gleichgültigkeit an das Thema Politk heran gehn, sollten dies lieber gleich lassen. Was am Ende dabei heraus kommt, kann man sich ja vorstellen. Protestwähler die beispielsweise Linke oder NPD wählen verstehe ich nicht...
Dennoch, aber auch hier ist die Politik selbst Schuld. Wenn man nun schon mehrere Perioden unseres polit. System verfolgt und merkt da tut sich einfach nichts, zieht jeder sein eigenes Fazit. Man sieht es an der steigenden Zahl von Nichtwähler und wie weiter oben schon gesagt an Protestwählern. Beide Wege sind falsch - wobei letzteres, meiner Meinung nach, noch schlimmer ist. Man kann doch von einem wahlberechtigen Menschen ausgehen, dass er sich seiner Stimme bewusst ist und diese hoffentlich, für seine Ansichten, gut nutzt.

Zum Thema Politiker und Nebenjobs:
Ich halte Nebenjobs für Politiker fraglich - besonders wenn es um ein Thema geht in dem die Person zwischen 2 Einstellungen wählen muss. Meistens wird nämlich dann die Entscheidung gewählt die mehr Kohle einbringt...
 
Ausserdem sind SPD und CDU zwei Parteien die ihre Parteitaktik zum Hauptbestandteil ihrer Politik gemacht haben und das nervt ohne Ende. Den Auftrag zum Wohl des deutschen Volk zu handel haben die allermeisten Politiker längst vergessen. Das ist realität. Heute dienen sie zu ihrem eigenen Wohl, erst Politik und dann abdafür in die Wirtschaft. So einen wie den Clemens sollte man jede politische und gesellschaftliche Achtung entziehen, der macht für Geld alles. Der hat eine scheiss Persöhnlichkeit.

Und die Parteien positionieren sich jeden Tag neu ist doch kein wunder das keiner mehr weis was er nun Wählen will, wenn einem alle erzählen nur sie wären die Mitte und das alles was so positives passiert sei auf ihrem Mist gewachsen. Die gönnen sich gegenseitig nichtmal den Erfolg, auch nicht wenn Deutschland, wegen der Arbeitsmarktreform und Mehrwertsteuererhöhung, schwarze Zahlen schreibt. Jeder will alles alleine geschafft haben. Anderen Parteien etwas zugestehen , nein das wäre aus parteipolitischen Gründen unverantwortbar.*würg

So sieht die Mitte auch nicht aus. Viele Politker bräuchten selbst mal nen Bootcamp für das kleine einmal Eins im miteinander-klar-kommen.

bb
 
Zuletzt bearbeitet:
@ObServer88
Ich bin zwar kein Schweizer Bürger, aber lebe in der Schweiz.
Ich muss die Mitte eurer Meinung wählen, da die Schweizer Demokratie etwas anders funktioniert als ihr annehmt.
Ich habe mal nach einer Umfassenden Erklährung gesucht, da es schwer ist, den gesamten Zusammenhang darzustellen.
Schweizer Demokratie
Weiter
Allerdings sind die meisten Abstimmungen mit einer Wahlbeteiligung von 20 - 60 % geprägt, obwohl man in einem Athemzug erwähnen muss, dass es bei der Anzahl der Abstimmungen und der Tradition - hauptsächlich wählen Männer und werden Männer gewählt - doch noch sehr hoch erscheint.
Im allgemeinen sind Schweizer schon sehr politisch.
So etwas währe in Deutschland nie möglich.
Man stelle sich vor Frau Merkel ist Kanzlerkandidatin und, was weiss ich, Pofalla wird Kanzler, geht natürlich nicht, da er nicht zur Wahl aufgestellt ist - aber nur so daher gesponnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Salut Flo,

F!o schrieb:
Obwohl wir Bürger eigentlich direkten Einfluss auf die Politik nehmen könnten, tun wir es nicht.

sorry, aber das halte ich für das Gerücht des Jahrhunderts. Nicht mal ansatzweise und nicht mal auf niederster Eben in der Lokalpolitik kannst du als Bürger direkten Einfluss auf die Politik nehmen, weder eigentlich noch uneigentlich. Nur in der grauen Theorie! Du bist als Bürger eine Nullnummer, eine einzige Stimme. Stell dich mal mitten in ein mit 70.000 Leuten besetztes Stadion und fordere die Massen ohne Mikro und Lautsprecher zu irgendetwas auf. Das ist genau der selbe Einfluß, den du als Bürger mit deiner Stimme hast. Du bist nur ein einsamer Rufer in der Wüste.

Schon der gemeine Lokalpolitiker, auch gerne als Stadtrat tituliert, beugt sich so bald er gewählt wird nur noch seinem Parteien- oder Kolaitionszwang. Seine eigene Meinung zählt nichts mehr, nur noch die Meinung und Linie der Partei. Ausnahmen sind ganz wenige sogenannte Parteilose, aber ob der als Einzelstimme nun dagegen oder dafür stimmt, ist ähnlich relevant wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Und je höher die Ebene der Damen und Herren Politiker geht, Landes- oder Bundespolitik, desto weniger Einfluß des Einzelnen und desto mehr Linientreue wird gefordert und geleistet. Man will da seine Pfründe nicht verlieren. Dein Einfluß über deinen von dir gewählten Politiker ist also gleich Null. Und wenn er die hundertmal verspricht, er setzt sich für dich ein, wenn seine Partei eine andere Linie verfolgt, macht er immer das was die Partei will.

Winston Churchill meinte deshalb in einer Rede im Unterhaus am 11. November 1947 völlig zurecht: Democracy is the worst form of government – except for all those other forms, that have been tried from time to time. (Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.)
 
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