Abe81
Rear Admiral
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Mc_Luebke schrieb:Und warum ist [Game of Thrones] "objektiv besser"?
Ach, mir fiele da eine Myriade an Bestimmungen ein. Es seien nur ein paar genannt:
Gelungenes Epos, d.h. die Narration wird in dieser Form umgesetzt ohne dass dabei die Mannigfaltigkeit der Phänomene als ephemere Effekt-Schau eingesetzt wird (d.h. die gesellschaftlichen Sphären der Herrschaft, Religion, Stände, Ökonomie etc. haben alle ihre erzählerische 'Berechtigung', ergeben in ihr Sinn) und die laufende Geschichte der Welt hat eine Vergangenheit (sie selbst hat eine Geschichte aus Zerfall und Rekonstruktion, die sich dem Zuschauer in der Erzählung der aktuellen Geschichte eröffnet; eine Meta-Erzählung, ein Qualitätsmerkmal für epische Erzählung); die Erzählstruktur ist dennoch originell, d.h. die Serie ist kein Recycling anderer Ideen*; in sich kohärentes Drehbuch; Charakterzeichnung und Typenbildung ist in sich schlüssig und vielschichtig (~120 Figuren werden sinnvoll eingeführt*, viele von ihnen entwickeln sich enorm, niemand ist einfach nur gut oder böse), die Schauspieler verstehen ihr Handwerk, Produktionstechnik ist state of the art und wird sinnvoll eingesetzt, usw. usf.
*) Zitat aus dem oben von mir verlinkten Artikel:
Es ist, was wir in Game of Thrones erleben, der Zerfall der Zentrumsperspektive als populärer Mythos: Es zerfällt das Zentrum des Helden als Metasubjekt, es zerfällt das Zentrum des Autors [...], es zerfällt das Zentrum einer linearen Geschichte von Konflikt, Opfer und Erlösung, es zerfällt das Zentrum einer Ordnung im Raum und einer Historie als Leitlinie, und es zerfällt die Zentralperspektive auf eine Topografie mit eindeutigen Zuordnungen. Nicht nur die wilden Attraktionen von Sex und Gewalt, Magie und Spektakel machen diesen Zerfall so faszinierend: Weil niemand der Held von Game of Thrones ist, werden alle Figuren wichtig und interessant. Aus dem zentralen Subjekt ist ein vernetztes System der Subjektivitäten geworden, und „Fantasy“ ist nur eine Chiffre dafür, Geschichte und Politik in einer offenen Form zu behandeln, jenseits des Mythos von einer Einheit von Wirklichkeit und Sinn.
Wie bereits geschrieben: Auch nur ein kulturindustrielles Produkt, aber ein objektiv besseres als z.B. Sense8 allemal. Und auch ein besseres im Vergleich zu den meisten anderen Serien.
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btw.:
Von Orange is the new black und Hannibal hat jeweils die dritte Staffel angefangen. Bei Hannibal hatte ich nach der ersten Episode die Hoffnung, dass die Rolle des nervigen Will Graham gestrichen wurde und man nun mehr von Dr. Bedelia Du Maurier (gespielt von der brillanten Gillian Anderson) als 'konspirative Gegenspielerin' zu sehen bekommt; leider tauchte er in der zweiten Episode wieder auf. Aber das Konzept, im System dieses Sadismus gefangen zu sein, dass es einen fasziniert, obschon es einen als Mensch anwidern muss (das meine ich damit, dass die Figuren, die von Hannibal eingeweiht sind, 'konspirative Gegenspieler' darstellen), ist grandios originell. Das hat nicht mal David Lynch mit seinem esoterischem Twin Peaks besser hinbekommen.
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