Corros1on schrieb:
Über (Kunst)Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
Es gab einen Artikel in
The Atlantic (eine amerikanische Zeitschrift) dieses Wochenende über Kafkas Nachlass. Der Autor Adam Kirsch bespricht darin ein Buch von Benjamin Balint, Kafka's
Last Trial, und stellt die Frage, ob Max Brod, der Herausgeber von Kafka's Werken, ethisch gehandelt habe, als er die Werke von Kafka nach dessen Tod veröffentlichte.
Preserving an author’s work against his or her will implies that art belongs more to its audience than to its creator. And in strictly utilitarian terms, Brod undoubtedly made the right choice. Publishing Kafka’s work has brought pleasure and enlightenment to countless readers (and employment to hundreds of Kafka experts); destroying it would have benefited only a dead man (Adam Kirsch, Who Gets to Claim Kafka?, The Atlantic, September 2018 issue).
Wer wird widersprechen wollen? Kafkas Werk beschert uns Freude, Einsicht und es wird wie der Hintergrund der Publikation zeigt, über Kunst, Literatur, Geschmack gestritten. Jedoch gilt auch, dass das
noch lange nicht bedeutet, dass alle dasselbe sehen (wie Du schreibst).
Max Brod hat in den Texten von Kafka einen Wert wahrgenommen, den der Autor so vielleicht noch nicht erkannte. Kafka hat sich bekanntlich dahin geäussert, dass sein Werk (zumindest die nicht veröffentlichten Texte) nach seinem Tode zerstört werde.
Ein Wert muss nicht jedem zugänglich sein, kann aber verallgemeinert werden, was das Wesen eines Wertes ist, oder wie es Adam Kirsch formuliert:
What counts is that we are all living in Kafka’s world. Zweifelsfrei, dies ist der Fall!
Ob der mathematisch-logische Automat (das Computerprogramm, das der Unterhaltung dient) zur Kunst gehört oder doch eher eine Art von Kaffeemaschine, wie einmal treffend über Computer festgestellt wurde, darstellt, ist nicht so wichtig, entscheidend ist unser Verhältnis zu Dingen und wie wir sie in Relation zueinander zu setzen vermögen, was wir darin sehen und ob wir dies zu verallgemeinern vermögen.
Die Frage ist dann, was heisst es etwas ästhetisch, literarisch zu verallgemeinern; das Werk
mehr dem Betrachter, Leser zu zuschreiben als dem Künstler, Autoren (
art belongs more to its audience than to its creator)? Wert und Werk sind nicht dasselbe. Der Wert setzt die Distanz der Interpretation voraus; ein Apriori, das seinerseits Fragen aufwirft.