Früher (also ganz früher
) habe ich eine Träne rausgedrückt, als ich mich mit einem Küchenmesser verletzt habe, ich hingefallen bin oder mir den Ellbogen aufgeschrammt habe. Heute tue ich das nicht mehr. Früher habe ich Angst vor heißen Sachen gehabt, habe meine Hand weggezogen, heute muss ich Lasagnen und Pizza mit der Hand aus dem Ofen holen und heiß verpacken.
Es muss mir in allen Lebenslagen mehr Schmerz zugefügt werden, ehe ich eine Regung zeige.
Früher hatte ich Angst vor meinem Stuhl im Zimmer wenn es Dunkel war, weil er wie ein Monster aussah. Ich hatte Angst vor den Bösewichten in "SaberRider" und Hitchcocks "Vögel" wollte ich nie und nimmer im Dunkeln ansehen.
Heute gehe ich mit Vorliebe in Filme, die mindestens ab 16 Jahren freigegeben sind, weil mich Kinder im Kino stören, sofern sie nicht ruhig sein können. Da ich das schon seit Jahren mache und auch entsprechende Filme dabei waren, bin ich wohl auch abgespumpft.
Ich bin also schmerzunempfindlicher und gewalthaltigen Inhalten gegenüber resistenter. Und? Das muss so sein. Das ist der Anspruch unserer Gesellschaft. Wenn ich jedes Mal, wenn ich mich an Papier schneide oder mir beim Sportunterricht nen Finger verbiege, rumheule, isoliere ich mich selber. Schmerzunempfindlichkeit und das damit einhergehende Verhalten ist, bis zu einem gewissen Grat, Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration.
Wenn ich jedes Mal, wenn mich jemand erschrecken will oder ich einen Film gucke, der nicht ab 6 Jahren freigegeben ist, zusammenzucke und vor Schreck 'ne Träne rausdrücke, sieht es mit der gesellschaftlichen Akzeptanz auch schlecht aus. Ich will immerhin als Mann akzeptiert werden, will meiner Freundin Schutz bieten und dem Alltagsstress widerstehen, ohne Schwäche zu zeigen, wo sie für mich von Nachteil wäre.
Das alles geht nicht ohne Abstumpfung, das Herunterschlucken von Schmerz und Gefühlen. Bis zu einem gewissen Level sehe ich das als normal und nicht zwingend mit dem Konsum von Spielen verbunden an. Und wenn, dann unterstützen die Spiele nur einen natürlichen Prozess des "Erwachsenwerdens", mal mehr und mal weniger stark als es gewöhnlich der Fall wäre, das ist aber von der Persönlichkeit abhängig.
Natürlich habe auch ich mir mal interessiert Unfallopfer angesehen (Mutter eines Freundes ist Ausbilderin bei der Feuerwehr und mit entsprechendem Fotomaterial ausgestattet). Nicht jedoch, um meinen Drang nach blutigen Bildern zu befriedigen sondern, um eine neue Erfahrung zu machen. Niemand mit etwas Neugier kann abstreiten, dass er Unbekanntes nie und nimmer erblicken will. Natürlich war ich auch geschockt davon, nur nicht offensichtlich. Ich habe mich nicht zurückgeworfen und meinen Kopf in den Händen vergraben und das Opfer bedauert. Das ist aber Folge der äußerlichen Unantastbarkeit meiner selbst, die ich aufrechterhalten will.
Dem folgend kann ich durchaus nachvollziehen, wenn man von der Abstumpfung durch Gewaltspiele spricht. Ich kann nachvollziehen, wenn einige berichten, sie seien weniger von etwas geschockt, als sie es erwartet hätten. Dennoch stellt sich die Frage: Könnte man selbst andere verletzen und töten? Das bloße Betrachten geht, trotz allem, mit der inneren Gewissheit einher, nicht daran Schuld zu sein. Das ist in meinen Augen ein entscheidender Punkt, den auch der Konsum von Killerspielen nicht ändern kann.
Im Übrigen sollte man den Kontext bei der Diskussion nicht aus den Augen verlieren: Es geht um ein Verbot von Killerspielen. Sollte man etwas verbieten, weil mindestens 16jährige Personen mit Gewaltbildern konfrontiert werden und abgestumpft werden können?
Wenn das Gehirn nicht zwischen realen Bildern und jenen auf den PC unterscheiden kann, unterscheidet es dann zwischen Computerspielen und Filmen? Zwischen optischen und akkustischen Reizen? Was unterscheidet folglich das Spiel von dem Film, der Musik, den Heften oder Büchern? Wieso sollen Spiele verboten werden, wenn in Nachrichten Stunde für Stunde geschockt wird - für jedermann frei erhältlich? Wenn man nur lange genug aufbleiben muss, um Gewalt im Fernsehen zu sehen? Wenn man ab 16 zur 2-Stunden-Berieselung in brutalere Kinofilme gehen kann, als man ab 16 auf dem PC Spiele finden kann? (Schonmal 300 gesehen? In meinen Augen wesentlich gewalthaltiger als jede CS/GTA: SA-Runde)
Sicher, es kommt der Faktor des "selbst Akteur seins" hinzu. Doch setzt spätestens hier der Unterschied zwischen Realität und Virtualität, zwischen Maus und Handfeuerwaffe ein. Zu sehen, wie man andere erschießt, kann ich als Argument für eine Abstumpfung akzeptieren, nicht zu wissen, dass eine Maus keine Pistole ist, stufe ich jedoch als grobe Unzurechnungsfähigkeit ein, die eben nicht mit dem Konsum von Killerspielen zu erklären ist.
In dem Fall halte ich das Räuber-und Gendarm-Spiel meines Vaters/Onkels/Opas für gefährlicher. Sie hatten Plastikpistolen und Pfeil und Bogen (mit letzteren konnte man sogar schießen) und sind trotzdem weder gefühlslos noch waffenbegeistert.
(PS: Ich finde diese Diskussion erstaunlich... gut, selbst wenn ich einem Verbot von Killerspielen wohl ewig weiter entgegenstehen werde, habe ich über einige Aspekte in diesem Umfang noch nicht nachgedacht. Sehr schön und danke bisher dafür.
)