Einleitende Worte
Diablo 3 ist seit einigen Wochen erhältlich und – vom Kaufpreis einmal abgesehen – kostenlos spielbar. Dennoch kann man viel Geld (vorerst nur Gold) dafür ausgeben, dem Fürsten der Hölle etwas auf seine Hörner zu geben. Und es zeichnet sich ab, dass entgegen bisheriger Versprechungen mittel- bis langfristig das „Pay to Win“-Prinzip greift und nur ein zahlender Kunde das Spiel wirklich komplett spielen kann. Eine persönliche Analyse.
Der „Mehr als casual“-Gamer – ein Opfer?
Zugegeben: Ich habe schon viel zu viele Stunden in der Welt von Sanktuario verbracht. Allein oder mit Freunden, immer wieder zog sie mich in den Bann. So simpel das Spielprinzip auch ist, in mir scheint doch noch zu viel eines „Jägers und Sammlers“ zu stecken. Jedenfalls reicht die Stimulation dieser zwei ureigenen Triebe, damit mich Diablo 3 seit Wochen an den Bildschirm bannt – auch ohne eine faszinierende Geschichte oder ein tiefgründiges Spielerlebnis. Wäre es dabei geblieben, ich wäre wohl auch weitere Wochen, Monate oder sogar Jahre mit Blizzards jüngster Droge beschäftigt gewesen. Es kam dann aber doch anders und ich wurde von der Notwendigkeit überrascht, nicht einfach nur dem dumpfen, seit Jahrtausenden genetisch bedingten Jagdtrieb nachzugehen, sondern mich auch mit einem modernen Finanzwesen auseinanderzusetzen.
Schnell ist das Übel benannt, das ich meine und das mich zum Umdenken zwang. Das womöglich „größte Übel“ noch vor Diablo selbst: Es ist das Auktionshaus, welches für sich genommen eigentlich eine sinnvolle Einrichtung sein könnte, derzeit aber eine Entwicklung einschlägt, die dem ambitionierten wie auch dem Durchschnittsspieler viel abverlangt. Die Ursachen für die in meinen Augen falsche Entwicklung sind vielfältig und nicht bündig auf den Punkt zu bringen. Zum einen steht hinter allem der dominante Trieb, den eigenen Spielcharakter im Laufe des Spiels immer weiter zu verbessern, was durch die geringe Levelgrenze (aber bei jeder anderen Grenze auch) irgendwann nur noch über „Items“ geht. An Vielfalt mangelt es dabei in Diablo 3 nicht – im Gegenteil. Der Zufallsgenerator wirft zig Millionen Gegenstände aus, die der suchende Spieler finden kann. Einige sind gut, andere nicht. Das allein wäre nicht von Belang, stünde doch hinter allem immer noch der Antrieb, seine ganz persönlichen Helden zu verbessern und die Spielcharaktere sukzessive aufzuwerten. Es war hierbei abzusehen, dass einige Spieler den leichteren Weg wählen würden und sich passende Gegenstände im Auktionshaus kaufen, um sie nicht selbst finden zu müssen. Auch das ist okay.
Mondpreise im AuktionshausMondpreise im Auktionshaus
Die Crux an der Sache wird dann deutlich, wenn man nicht mehr nur „ein bisschen Diablo 3“ spielt, sondern hoch hinaus, mindestens aber durch den höchsten Schwierigkeitsgrad hindurch will. Dann nämlich offenbart sich ein Dilemma: War es zuvor einfach nur „unbequem“, nicht die richtige Ausrüstung zu besitzen, macht es Blizzard im höchsten Schwierigkeitsgrad geradezu unmöglich, ohne sie weiterzukommen. Mit jedem Akt wird das Spielen unmöglicher, wenn man nicht wirklich passendes Equipment sein Eigen nennt. Auch das wäre für sich genommen okay, schließlich soll Inferno auch ambitionierte Spieler fordern und niemals ein Spaziergang werden. Problematisch ist allerdings, dass man diese Ausrüstung aus eigenem Antrieb kaum erspielen kann. Ab hier treffen den Spieler vor allem drei Dinge mit voller Wucht:
1. Der oben schon erwähnte Zufallsgenerator scheint ohne jede Einschränkung alles miteinander zu verwürfeln, was in der Diablo-3-Datenbank eingetragen wurde. Es ist nicht nur einfach selten, einen passenden Gegenstand – etwa eine Einhandwaffe – zu bekommen, die von den Grundwerten (Schaden und Angriffsgeschwindigkeit etwa) überhaupt besser ist als das, was man schon besitzt. Es ist bei diesen gefundenen Items obendrein noch selten, dass die weiteren Attribute zur Charakterklasse passen. Veranschaulicht heißt das: Wäre jedes 100ste Item eines, das mir im Ansatz weiterhelfen würde, so verfügt jedes einhundertste davon auch tatsächlich über brauchbare Werte. „Das ist eben Diablo!“, würde man hier sagen. Stimmt auch – für sich genommen. Aber es geht ja weiter:
2. In jedem Akt von Diablo 3 – vom ersten bis zum vierten – findet man unterschiedlich brauchbare Items. Das ist zuerst einmal logisch, soll man doch im Spielfortschritt immer bessere Ausrüstung finden können. Blizzard realisiert dieses Spielprinzip aber nicht einfach nur durch Drop-Wahrscheinlichkeiten. Es ist also im ersten Akt nicht einfach nur unwahrscheinlicher als im vierten, einen Gegenstand zu finden, der ein bestimmtes Level besitzt. Es ist schlicht unmöglich. Das höchste Itemlevel gibt es nur im vierten Akt im Schwierigkeitsgrad Inferno überhaupt zu finden. Obwohl der Spieler – seit er den Schwierigkeitsgrad betreten hat – hinsichtlich seiner Charakterfähigkeiten das höchste Level erreicht hat, kann er sich kaum auf das vorbereiten, was ihn erwartet, weil die entsprechenden Items erst später zu finden sind. Umgekehrt findet man im höchsten Schwierigkeitsgrad massenweise Items, die nicht einmal in „Hölle“ oder gar „Alptraum“ interessant gewesen wären. Das frustriert einfach nur.
3. Der „Schwierigkeitsgrad“ von Diablo 3 wird im Wesentlichen durch den Schaden und die Hitpoints von Monstern erzeugt. Zwar besitzen Elite-Gegner Spezialfähigkeiten, die den Kampf interessanter machen – etwa arkane Laser, Lebensraub, Mauerbau, Knockbacks oder Unverwundbarkeiten – und Blizzard hebt diese Eigenheiten auch gerne hervor. Die Fähigkeiten allein sind aber nicht das Problem. Es würde mich nicht stören, Lasern ausweichen oder trickreich die Mauern umgehen zu müssen, die in der Landschaft platziert werden. Problematisch ist es, wenn man sich einen kleinen Fehler leistet und nach einem Schlag des Mobs stirbt – egal, wie gut man in den 99 Angriffsversuchen zuvor alle Fallen umging. Hier hilft einem nur pure Gewalt weiter – mehr Schaden oder eben mehr Resistenzen/Leben/Rüstungen, damit man einen Fehler überlebt. Das hat nicht viel mit Können zu tun.
Vor- und Nachteile des Auktionshauses
Das Auktionshaus wird hier zu einem Lebensretter, ist dabei im Kern aber einfach nur eine bittere Pille: Wer will – und kann –, der kauft sich passendes Equipment eben von anderen Spielern, die weiter sind. Das war auch früher schon so, nur nicht durch Blizzard selbst befördert. Im neuesten Diablo-Teil drängt sich aber der Verdacht auf, dass das Auktionshaus vor allem dadurch lebt, dass wahnsinnig viele unpassende Items vom Himmel fallen und man zum Tausch quasi gezwungen wird um weiterzukommen. Nur, weil es so viele schlechte Items gibt, die man findet, kauft man sich die guten. Oder andersherum formuliert: Hätte Blizzard seltene (oder gar legendäre Gegenstände und Setitems) wirklich gut gemacht und zwar (fast) immer, wenn man sie findet; dafür aber die Wahrscheinlichkeit, sie zu finden, verringert – das Auktionshaus wäre nicht so überlaufen und das Finden der Items spannender.
Noch hat diese Entwicklung ihren Höhepunkt nicht erreicht. Zwar ringt einem das Gold-Auktionshaus ein Kopfschütteln angesichts der Mondpreise ab, die für gute Gegenstände abgerufen werden. Teils zahlen und kassieren Spieler hier Beträge im Hunderte-Millionen-Bereich – Werte, die man seit dem Erscheinen von Diablo 3 nicht einmal durch 24/7-Zocken hätte erfarmen können. Richtig schlimm wird es aber erst noch. Wenn das Echtgeld-Auktionshaus kommt und daraufhin in einiger Ferne auch noch der PvP-Modus veröffentlicht wird. Dann kann vermutlich nur noch „ernsthaft“ zocken, wer viel Geld in Diablo 3 investiert. Schon jetzt sind Auktionsplattformen wie Ebay voll mit Diablo-3-Gegenständen, die für richtig viel echtes Geld verschachert werden. Es ist nicht anzunehmen, dass sich das ändern würde, wenn Blizzard dann doch endlich das Echtgeld-Auktionshaus „einpatcht“. Wenn dann erst Spieler gegen Spieler spielen, wird mit absehbarer hoher Wahrscheinlichkeit das bessere Equipment siegen und nicht einfach nur der bessere Spieler. Es wird also noch einen weiteren Grund geben, für den Sieg zu zahlen.
Obwohl Diablo 3 also, vom initialen Kauf einmal abgesehen, völlig kostenlos spielbar ist, riecht das System nach „Pay to Win“ durch die Hintertür. Wenn es mehr Sinn macht, in einem Hack'n'Slay Gold zu farmen (oder gar echtes Geld zu investieren) statt auf Itemjagd zu gehen, dann wird das ohnehin nicht anspruchsvolle Spielprinzip einfach nur stupide. Es müsste wieder einen Anreiz geben, sich durch die Monster zu schnetzeln statt sich durch die Auktionshausseiten zu klicken. Einige Änderungen in dieser Richtung hat Blizzard bereits angekündigt – etwa die Aufwertung legendärer Items oder die Anpassung des Schadens von Elite-Gegnern –, es wird sich aber zeigen müssen, ob hier nur Kosmetik betrieben werden wird, oder doch eine generelle Abkehr vom virtuellen Einkaufswagen hin zur individuellen Itemjagd gewollt ist.
Andererseits: Wer kann mir eigentlich versichern, dass Blizzard es nicht gerade darauf abgesehen hat und die Dropraten tatsächlich so angelegt sind, dass das Auktionshaus genutzt werden muss? Ja, wer könnte belegen, dass Blizzard am Ende nicht selbst Items über das Auktionshaus verkauft und mit dem Echtgeld-Auktionshaus so Einnahmen über die Transaktionsgebühr hinaus generiert? Der Gedanke ist beklemmend, weil dahinter ein System stünde, das jeden Spieler – ob er nun tatsächlich zahlt oder nicht – einschränken würde. Ich hoffe, Blizzard belehrt mich hier durch Taten eines besseren.