BeBur schrieb:
Das Narrativ des egoistischen Autofahrers ist gewiss nicht gänzlich falsch, aber auch nicht die einzige wichtige Dimension.
Ob da wirklich Egoismus dabei ist, ist letztlich egal. Die Menschen halten es für normal, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren oder ihre Einkäufe eben alle 2 Wochen zu machen (Letzteres geht mit Rad nur mit einem Anhänger.
Dabei ist es egal, ob es auch anders ginge ... und zwar nicht nur objektiv möglich, sondern auch subjektiv machbar und gewollt).
Momentan sind unsere Städte so gestaltet, dass alles mit Auto geht. Daran haben Stadt- und Verkehrsplaner die letzten 70 Jahre nie wirklich gerüttelt (die haben allenfalls versucht, Unfälle vermeidbar zu machen).
Also gibt es die Infrastruktur fürs Auto ... und solange es die gibt, wird der Fokus auf die Individualmobilität auch weiterhin funktionieren.
Das ist ein Stück weit so ein Henne-Ei-Problem. Solange es diese Infrastruktur in dem Maß gibt, werden weder Privatleute noch Unternehmen darauf verzichten, sie auch zu nutzen (mal abgesehen von einem unpraktischen und wahrscheinlich auch teureren Willensakt).
Und das wird mMn auch so bleiben, bis man von Maintal nach Frankfurt a.M. mit dem Auto ca. 12 Stunden braucht, weil man auf der gesamten Strecke wegen Staus im Durchschnitt maximal mit Schritt-Tempo voran kommt.
Rückbauten können dabei helfen ... gehen dem Autofahrer aber größtenteils gegen den Strich ... wieder einmal nimby (not in my backyard). Viele sehen das hohe Verkehrsaufkommen ja bereits als Problem ... und denen kann man nur immer wieder einen Satz sagen, der schon vor 40 jahren richtig war.
"Liebe Autofahrer, ihr steckt nicht im Stau, ihr SEID der Stau".
Für eine Verkehrswende, die den Namen auch verdient hat, brauchen wir noch viel mehr von dem, gegen das die Stadt- und Verkehrsplaner die letzten 30 Jahre (ohne wirklich großen Erfolg) angeplant haben ... den Verkehrsinfarkt.
Erst wenn das Prinzip Individualmobilität nicht mehr funktioniert, werden die Menschen nach Alternativen suchen. Änderungen ergeben sich nur dann natürlich, wenn ein "weiter so" zu untragbaren Problemen führen würde bzw. bereits geführt hat.
Und natürlich ist dabei auch unsere Wirtschaft gefragt ... die Pendelei kostet die gesamte Gesellschaft Geld (Instandhaltung, Umweltbelastung, Flächenversiegelung), also sollte mMn die Pendlerpauschale zu mindestens 50% von den Unternehmen gezahlt werden, welche die Pendler beschäftigen.
Ein Umzug, durch den der Pendler für das Unternehmen teurer wird, könnte dann allerdings als Kündigungsgrund gelten. Aber ist das nicht irgendwie besser, als die Finanzierung der Anfahrt zum Arbeitsplatz komplett dem Angestellten und dem Staat zu überlassen? Zumindest wenn man sich als Gesellschaft überlegt, die Pendelei reduzieren zu wollen, dann sollte man die Kosten dafür bei dem holen, der sie hauptsächlich verursacht. Und das ist der Arbeitgeber, dem momentan einfach egal sein kann, ob seine Mitarbeiter nebenan wohnen, oder durch die halbe Republik kacheln müssen.