So gesehen muss ich zustimmen: Wie der zweite Weltkrieg beweist konnte durch Gewalt eine Ideologie zerstört und Europa befreit werden. Allerdings unterscheidet sich die Situation in Deutschland damals von der im Nahen Osten:
1. War es in Deutschland lediglich eine Ideologie, keine Religion, auch wenn der Führerkult durchaus auch religiöse Anstriche hatte. Die Frage, die hier beantwortet werden müsste ist, ob die radikalen islamischen Gruppen (bspw: Hamas) und ihre Führer von den nicht-radikalen Palästinänsern eher als weltliche Führer oder Religionskämpfer betrachtet werden und auch, wie der Rückhalt der Radikalen in der Bevölkerung ist.
Wenn die Mehrheit der Palästinenser dies als religiösen und nicht als weltlichen Konflikt betrachtet könnte es schwierig werden. Die Menschen neigen in Krisenzeiten dazu, sich der Religion zuzuwenden, d.h. durch Gewalt würden die Spannungen eher noch verstärkt.
2. Die Ausgangssituation der Palästinenser unterscheidet sich dramatisch von der Situation der Deutschen. Deutschland war ein großes Reich, welches seine Bevölkerung unterdrückte und als Aggressor gegenüber dem Rest der Welt auftrat. Palästina hingegen wird allen Grund haben - anders als Deutschland - sich in einer defensiven Rolle zu sehen. Sie sitzen auf einigen Quadratkilometern umzäuntem Gelände und haben weniger unter der Unterdrückung der eigenen Führer zu leiden als unter der Unterdrückung durch Israel (und anderer Islamischer Staaten, welche die Situation da unten Instrumentalisieren). Ohne zynisch oder verharmlosend sein zu wollen, aber die Situation der Palästinenser erinnert weniger an die Deutschen, als mehr an die europäischen Juden in den Ghettos und Lagern. Den Aufstand des Wahrschauer Ghettos im April '43 betrachten wir heute schliesslich auch nicht als Terrorismus, sondern als legitimen Versuch der Selbstverteidigung.
Das ganze führt dazu, dass die Bevölkerung Palästiners die Übergriffe Israels nicht als Befreiung wahrnimmt, sondern als Aggressionen. Fraglich, ob unter diesen Bedingungen Gewalt als 'Demokratie herbeibomben" betrachtet werden kann. Verschärft wird das ganze durch den nicht-rationalen Unterbau des ganzen Konfliktes mit der Religion, welcher den Zusammenhalt in der Bevölkerung Palästinas gegen Israel noch einmal verstärkt.
Und um historische Gegenbeispiele zu nennen, dass Demokratie und Menschenrechte auch anders erzeugt werden können als durch Bomben:
Südkorea und auch Taiwan haben sich 1987 ohne Gewalt und Druck von aussen gegen die Autokratie und für die Demokratie entschieden, genauso wie Spanien 1978.
Das Problem Palästinas ist also meiner Ansicht nach, dass es einen stärkeren, äusseren Freind gibt, gegen den sich die Bevölkerung zusammenschliessen
muss und so verhärten sich die Fronten. Damit schliesst sich der Kreis zum Anfang des Threads: Würden Aufklärung, Diplomatie, Kompromisse und Gesprächsbereitschaft diese verhärteten Fronten nicht eher auflösen als Säbelrasseln und eine Politik, die keinen Zentimeter auf den gegenüber zugeht ? Und würde eine Verbesserung der Situation Israel/Palästina nicht auch Leuten wie Ahmedinedschad den Boden unter den Füßen wegziehen, auf dem sie heute gegen Isreael hetzen und Stimmung machen ?
Was in diesem Thread nämlich nur nebenbei erwähnt wurde:
Iran will ebenfalls Hilfsflotten nach Gaza schicken. Mit militärischer Begleitung. Und auch wenn ich glaube, dass der Iran im Zweifelsfall keine Aggressionen zeigen wird, um Isreal/USA keinen Grund für einen Gegenschlag zu liefern, so kann Ahmedinedschad damit wieder punkten: In der eigenen Bevölkerung und im islamischen Umfeld. Uns allen ist klar, dass es sich hierbei um eine reine PR-Maßnahme handelt, (Ihr glaubt nicht ernsthaft, es ginge um Gaza, oder ?), aber in der arabischen Welt kommt sowas an und man kann Einigkeit demonstrieren.
Isreael hat sich mit seiner Null-Toleranz-Politik keinen Gefallen getan, weder seinen Erzfeinden, noch seinen Verbündeten gegenüber.