Einige Diskutanten hier im Thread scheinen mir eine eher nebulöse Vorstellung davon zu haben, was eigentlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ausmachen. Tatsächlich sind einige Äußerungen hier sogar bedenklich demokratiefeindlich. Um als Demokrat durchzugehen, gilt es erst mal, einige elementare Grundhaltungen einzunehmen. Eine der wichtigsten ist die Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Als politisch aktiver Mensch kann man für seinen eigenen Standpunkt werben und abgelehnte Ansichten argumentativ bekämpfen. Den Standpunkt wohlgemerkt, nicht den Menschen, der ihn äußert. Den Andersdenkenden "an die Laterne“ zu knüpfen oder "eine auf die Birne geben", wie man in diesem Thread lesen muss, gehört nicht zu den demokratischen Methoden.
Eine demokratische Gesellschaftsordnung zeichnet sich dadurch aus, dass alle Macht vom Volk ausgeht. Das kann sehr indirekt sein, wie in Deutschland, oder auch etwas direkter, wie in der Schweiz. Ein Rechtsstaat wiederum ist daran zu erkennen, dass die wichtigeren Regeln des Zusammenlebens verlässlich und für alle gleich sind.
Ob eine Gesellschaft sich selbst oder andere Gesellschaften bespitzelt, hat mit den Kategorien Rechtsstaat/Demokratie zunächst einmal wenig zu tun. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schließen Spionage nicht aus. Selbst die aus humanistischer Perspektive als äußerst inakzeptabel eingestuften Methoden der staatlichen Folter und der Todesstrafe widersprechen den Konzepten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich nicht.
Was aber eine Demokratie überhaupt nicht verträgt, ist die Unterdrückung abweichender Meinungen – beispielsweise einer Meinung, die zur Abschaffung der Todesstrafe aufruft. Eine Demokratie wird durch Meinungsunterdrückung zur Diktatur. Versuche, abweichende Ansichten zu unterdrücken, sind in unserer Gesellschaft häufig zu beobachten – auch hier im Forum – auch in diesem Thread. Manchmal gehen die Demokratiefeinde so weit, dem Andersdenkenden die geistigen Fähigkeiten abzusprechen, ihn also letztlich zu pathologisieren. Die letzte Steigerung ist dann der Versuch, dem Abweichler das Lebensrecht abzusprechen. Auch derartige Vorstellungen finden wir in diesem Thread.
Helmut Schmidt sagte vor Kurzem, dass die Qualität der Mitteilung im Öffentlichen Raum in den letzten Jahren stark abgenommen habe. Ich fürchte, er hat Recht.