Da hier mal wieder die üblichen Mißverständnisse auftauchen wenn es um die CPU-Wahl für Musikproduktion geht mal ein paar Fakten:
- Grundvoraussetzung ist ein bezüglich der
DPC-Latenz gut optimiertes System. Will heißen, Hardware (vor allem Mainboard) deren Treiber und Firmware keine störenden CPU-Lastspitzen erzeugen. Zusätzlich keine Software installieren, die ähnliche Probleme verursacht. Die Leistung der CPU wirkt sich bei DPC-Problemen folgendermaßen aus: Je mehr Singlethread-Performance, desto kürzer die Lastspitzen, desto besser die DPC-Latenz. Je mehr Kerne, desto unwahrscheinlicher, dass sich eine Lastspitze negativ auswirkt. Das ganze wurde ja auch in dem Video von Heschel schon ganz gut erklärt. Wie gesagt, das es hier keine Probleme gibt ist die Grundvoraussetzung bevor man sich überhaupt Gedanken macht, wieviel CPU-Leistung für welche Projekte benötigt wird.
- DAWs wie Reaper und auch viele VST Plugins sind extrem gut optimiert für mehrere Threads. Prinzipiell kann jede Audiospur auf einem eigenen Thread berechnet werden. ABER: Baut man lange Signalflow-Ketten mit vielen leistungshungrigen Plugins oder verwendet komplexe Routings mit mehreren sich beeinflussenden Sidechain-Signalen, Bussen, FX-Kanälen usw. wird die Singlethread-Performance zum limitierenden Faktor.
Ich habe hier mal etwas ausfühlicher erklärt, warum das so ist. Es hängt also von der individuellen Arbeitsweise ab, ob Single- Multithreaded-Performance oder beides wichtig ist.
- Der nächste Punkt ist, ob man eher mit niedrigen oder höheren Latenzen arbeitet. Je niedriger die Latenzen, desto höher die Anforderungen an Cache und Memory-Anbindung.
Erklärung meinerseits dazu hier. Und desto schneller wirkt sich eine zu geringe Singlethread-Performance aus. Ryzen scheint hier tendenziell Federn gegenüber Intel zu lassen, wie man u.A. am zu Beginn dieses Threads geposteten Techreport Benchmark sieht. Es scheint sich immerhin seit Release einiges gebessert zu haben, wenn man dies mit
dem ersten Test von Scanproaudio vergleicht. Im Techreport Benchmark sticht der 6800K in den letzten beiden DAWBench Parcours raus, was aber keine Relevanz für den praktischen Einsatz haben dürfte. Vermutlich profitiert er dort von seinem im Vergleich riesigen 15MB großen Cache (Ryzens 16MB sind als 2x8MB zu sehen und wirken sich somit wie lediglich 8MB aus). Mit höheren Latenzen und größerer Vielfalt der eingesetzten Plugins (im Dawbench ists ja nur ein einziges), sollte sich dieser Ausreisser normalisieren.
Bei den Latenzen ist noch wichtig, dass es in Reaper auch sowas wie Cubase ASIO-Guard geben müsste. Dadurch wird der Datenstrom bei Spuren wo das möglich ist, mit größeren Audiopuffern berechnet was deutlich effizienter ist. Es klappt aber nicht auf Spuren, die auf Echtzeitinput warten, also wo z.B. Record oder Monitoring aktiv geschaltet ist. Diese Spuren werden inklusive aller Abhängigkeiten mit dem kleinen eingestellten Audiopuffer berechnet. Schafft es der Rechner mit einer 'scharf geschalteten' Spur nicht, ohne aktivierte Spur hingegen schon, den Track korrekt abzuspielen, liegt es fast immer an mangelnder Singlethread-Performance.
- Kurz zum Thema Overclocking: Benötigt man für seine Arbeitsweise sowohl hohe Single- als auch Multithread-Performance, ist OC der einzige Weg das Optimum rauszuholen. Das muß auch nicht auf Kosten der Stabilität gehen, wenn man das System ordentlich austestet und nicht bis ans allerletzte MHz geht. Ich kann von meinen übertakteten Systemen die ich über viele viel Jahre genutzt habe, behaupten dass ich niemals auch nur einen einzigen durch fehlerhaftes OC bedingten Bluescreen bzw. Kernel Panic unter MacOS im Betrieb hatte. Selbst Systemhäuser bieten entsprechend übertaktete Systeme an. Selbst wenn, im Grunde ist es gar nicht mal so dramatisch wenn der Rechner mal abstürzt, weil die meisten DAWs eine Autosave Funktion haben - auch wenn ich persönlich da echt pingelig bin was die Stabilität angeht.
- RAM: Einfache Projekte kommen mit 8GB aus, bei umfangreichen Projekten sollten min. 16GB vorhanden sein, bei vielfachem Einsatz von umfangreichen samplebasierten VIs kann der Bedarf fast nach oben hin offen werden, aber dann weiß man in der Regel was man tut und wieviel man braucht. Für den Normaluser würde ich zu 16-32GB raten, bei limitiertem Budget eben 8GB.
Gerade bei niedrigen Latenzen habe ich kürzlich selber getestet, wie sich die RAM-Speed beim 7700K auswirkt. Unterhalb von 2400MHz bricht die Performance deutlich ein, darüber kann man durchaus 5% Leistungsplus erwarten. Ab 3000Mhz tut sich dann nicht mehr viel. YMMV, je nach eingesetzter DAW und verwendetenn Plugins.
- Grafikkarte: Im Grunde reicht bei Intel die CPU interne aus. Ansonsten reicht quasi die günstigste, sofern sie die benötigten Ports bietet, saubere Treiber hat die nicht die DPC-Latenz stören und ím Betrieb leise arbeitet.
- CPU Kühler: Im grunde willst du bei ner Audioworkstation die maximale Kühlleistung die nicht mehr hörbar ist. Habe persönlich mit Noctua gute Erfahrung gemacht. NH-D15 ist top aber teuer. NH-D14 fast genauso stark, aber billiger zu bekommen, kompatibler mit RAM bei Verwendung beider Lüfter , aber in der PWM-Version nicht mehr erhältlich. Preislich attraktive Kompromisse wären Macho HR-02 und Mugen 5.
Die Frage ist, welche CPU ist jetzt die richtige für dich. Deswegen stelle ich mal ein paar allegmeine Optionen in den Raum:
- Du bist extrem Budget limitiert --> Pentium G4560 (trifft jetzt bei dir nicht zu, aber der vollständigkeit halber)
- Du bist Budget limitiert, arbeitest mit komplexen Routings und Signalflows und/oder niedrige Latenzen sind dir wichtig --> i5 7600K
- Du bist Budget limitiert, arbeitest mit vielen Spuren aber eher einfachem Signalflow und niedrige Latenzen sind dir nicht so wichtig --> Ryzen 1600 OC oder 1600X
- Du hast ein mittleres Budget, arbeitest mit komplexen Routings und Signalflows und/oder niedrige Latenzen sind dir wichtig --> i7 7700K (dürfte im Schnitt fast doppelt so hohe Plugin-Last stemmen wie der i5 2500K, bei gleichzeitig 1,6facher Singlethread Performance)
- Du hast ein mittleres Budget, arbeitest mit vielen Spuren aber eher einfachem Signalflow und niedrige Latenzen sind dir nicht so wichtig --> Ryzen 1700 OC oder 1700X, wenn übertakten nich in Frage kommt evtl auch der 1800X
- Bei gehobenem Budget, würde ich ehrlich gesagt auf Skylake-X warten, da man hier am ehesten die beste Kombination aus hoher Singlethread-Performance und hoher Kernazhl bekommt. Zählt nur letzteres könnte man auch auf AMDs Threadripper warten.
Die aktuellen Broadwell-E sind zwar als Alleskönner für Musikproduktion sehr gute CPUs, je nachdem sind 7700K und die Ryzens in manchen Fällen aber leistungsfähiger. Dazu kommt, dass Skylake-X aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich schneller bei gleichzeitig niedrigeren Preisen wird. Nachteil ist auch, dass man da nach Release 1-2 Monate warten sollte, vor allem wenn man die Kinderkrankheiten einer neuen Plattform vermeiden will.
Soweit mal...