So, ich versuche jetzt einfach mal mein Abstraktionsvermögen auszuschöpfen und diese Diskussion zu einem logischen Schluss - im Rahmen des Gesprächsthemas - zu führen.
(Soll heißen,
nicht bezüglich der Korrelation von virtueller Gewaltausübung und Amok-Potential oder ähnlichen Themen. Ich beschränke mich hier einzig und allein auf die Ablehnung der Bannerwerbung und deren Begründung.)
Vorweg:
Ich fühle mich persönlich nicht angegriffen oder in irgendeiner Weise diskriminiert durch das Statement des Vertreters vom SOS-Kinderdorf.
Dennoch habe ich eine kritische Haltung zu dessen Einschätzung.
Schritt 1:
Alle Teilaussagen der Gesamtstellungnahme explizit benennen
(NICHT implizit oder "zwischen den Zeilen"; wenn möglich abstrahieren)
Schritt 2:
Problematische Aussagen herausfiltern
(Eindeutig unstrittige Aussagen sind für die Diskussion irrelevant)
Schritt 3:
Jede problematische Aussage für sich kritisch aber unvoreingenommen analysieren
(unter Berücksichtigung möglichst aller Faktoren)
Schritt 4:
Die problematischen Aussagen in Verbindung setzten und als Ganzes beurteilen
1. Zusammenfassung
a) "Tatsache ist, dass über Spielekonsolen, am PC oder online Spiele gespielt werden können, die dem Nutzer Gelegenheit geben, virtuelle Gewalt gegenüber realistischen Abbildern von Menschen auszuüben."
Kondensiert:
Es sind Spiele im Umlauf, die sehr realitätsnahe Gewaltdarstellungen enthalten bzw. deren Ausübung ermöglichen.
b) "Diese Spiele enthalten massive und wirklichkeitsnahe Gewaltdarstellungen, die wir als unethisch ablehnen."
Kondensiert: *Wiederholung* +
O.g. Darstellungen werden als unethisch abgelehnt.
c) "Wir sind besorgt, dass auch junge User über diese Spiele – getarnt als harmlose Unterhaltung – auf vielfältige Weise mit Gewalt in Kontakt kommen können."
Kondensiert:
Kinder können diese Darstellungen unbewusst aufnehmen.
d) "Deshalb nehmen wir in besonderer Verantwortung für die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen eine kritische und distanzierende Haltung zu den Inhalten von so genannten Shooterspielen beziehungsweise Online- oder PC-Kriegsspielen ein."
Kondensiert:
Shooter und Kriegsspiele werden negativ gesehen.
2. Filterung
Unbestreitbare Aussagen:
a), c) - Faktisch und in der Praxis bewiesen bzw. zu beobachten.
d) - Ist ebenfalls nicht anzufechten, da es eine persönliche Meinung darstellt. Es kann und muss natürlich
dagegen argumentiert werden.
Problematische Aussage:
b) - Hier wird die Begründung gegeben, warum die Ablehnung der genannten Spiele stattfand.
Ergo:
Um a) und c) brauchen wir nicht zu streiten.
Die Haltung in Aussage d) kann man begründet kritisieren, wurde aber auch schon mehrfach in diesem Thread getan, muss also nicht weiter ausgeführt werden.
Aussage b) ist zu analysieren.
3. Analyse
In Aussage b) liegt meines Erachtens der Casus Knacksus, wie man so schön sagt.
Ich sage nochmal: Ich bringe jetzt hier nichts wirklich neues, da all das schon in etwas emotionalerer oder ausschweifender Form gesagt wurde.
...Gewaltdarstellungen, die wir als unethisch ablehnen...
An dieser Stelle ist wohl den meisten Lesern zumindest eine Augenbraue etwas weiter die Stirn hochgewandert. (leichter Euphemismus...)
Ich spreche jetzt mal Kopi80 persönlich an, da du ja hier scheinbar der einzige ernstzunehmende Verfechter des Statements bist.
Offenbar hast du eine etwas inkorrekte Vorstellung vom Begriff der Ethik. (Diese Argumentation habe ich bereits zuvor in diesem Thread geliefert)
Ethik ist
objektiv.
Sie ist
nicht zu verwechseln mit persönlichen Moralvorstellungen, Handelnsmaximen oder Prinzipien, rechtsstaatlichen Grundlagen, religiösen Geboten oder dergleichen.
Ethisches Handeln wird bis dato durch Immanuel Kants
Kategorischen Imperativ definiert, der (hier sehr vereinfacht) besagt,
so zu handeln, dass das eigene Handeln als Norm/Gesetz von der Gesellschaft akzeptiert werden könnte und wenn alle auch so handeln würden, die Gesellschaft weiterhin auf lange Sicht existieren könnte. (Siehe: Kritik der praktischen Vernunft)
Objektiv ist die Ethik deshalb, weil sie von den Menschen mit der Intention konstruiert wurde, ein Fortbestehen der gesamten Gesellschaft zu sichern. Früher war es die Goldene Regel ("Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden willst."), heute bzw. schon seit der Aufklärung ist es eben der KI.
Nun zum konkreten Thema:
Sind diese Gewaltdarstellungen unethisch?
Nein, sie sind es nicht.
Selbst (rein hypothetisch), wenn jeder Mensch auf diesem Planeten diese Gewaltspiele spielen würde, hätte das keinen direkten Einfluss auf das Fortbestehen der Gesellschaft.
Im Gegensatz dazu zwei Beispiele:
Töten ist offensichtlich unethisch. Wenn alle jemanden umbringen würden, wär die Gesellschaft weg.
Klauen ist unethisch. Wenn alle klauen würden, würde Chaos über unsere Gesellschaft hereinbrechen.
Ergo: Virtuelle Handlungen, VOLLKOMMEN EGAL wie brutal/abscheulich/menschenverachtend sind per se
vom rein ethischen Gesichtspunkt OBJEKTIV nicht als schlecht zu bewerten.
* Hier kann man natürlich einwenden, dass diese Spiele einen schlechten Einfluss auf die Psyche der Kinder haben könnten und sie so nachhaltig schädigen bzw. zu potentiellen Amokläufern machen könnten. Dies ist allerdings nicht bewiesen und daher unerheblich.
Meines Erachtens hängt sowieso alles von der elterlichen Erziehung ab. Bei hinreichender Kommunikation könnte jedes Kind schon ab 8 Jahren indizierte Spiele spielen, ohne psychischen Schaden davonzutragen (mein persönliches Beispiel).
Aber auch das ist nur meine Meinung und steht (
HIER zumindest) nicht zur Debatte.
Die Tatsache, dass die virtuellen Gewaltdarstellungen als unethisch bewertet werden, lässt den Schluss zu, dass
auch die Spiele, die solche Darstellungen enthalten als unethisch bewertet werden.
Sie lässt jedoch NICHT den Schluss zu, dass
diejenigen, die diese Spiele spielen als schlechte Menschen bezeichnet werden.
Verständlich, dass es uns im ersten Moment aufregt mit "unethischen Handlungen" in Verbindung gebracht zu werden. Es mag auch sein, dass viele Menschen hier in Deutschland uns als potentielle Amokläufer sehen. Das SOS-Kinderdorf hat eine solche Aussage jedoch nicht gemacht.
Und es wäre auch nicht in ihrem Interesse solches zu behaupten, da
ihr wichtigstes Ziel die
Eintreibung möglichst vieler Spenden ist.
* Dies dort hineinzuinterpritieren, weil es "zwischen den Zeilen" stehe, ist sehr vage, unbegründet und vor allem
bringt es nichts.
Unser Ziel sollte es sein den Dialog weiter zu fördern und unsere Meinung weiterhin niveauvoll politisch kund zu tun.
4. Gesamturteil
Die Vertreter des SOS-Kinderdorf waren offenbar der Ansicht, dass sie ihr Image gefährden würden und so potentielle oder regelmäßige Spender aus den
konservativen Reihen
einbüßen würden. Daher haben sie die Bannerwerbung auf der Gamer-Seite abgelehnt.
Dieser Standpunkt ist verständlich, auch wenn es schwer fallen sollte ihn zu beweisen oder zu wiederlegen.
Die Begründung war allerdings auf Grund von Aussage b)
unpassend bzw. einfach falsch und auch etwas ungeschickt, da sie den absehbaren Skandal entfacht hat, den wir jetzt hier sehen. Scheinbar war jedoch
die Einschätzung der Vertreter des Kinderdorfes anders.
Z.B.: "Wir werden zwar aus den Gamer-Kreisen Spender einbüßen, aber davon weniger, als wir dadurch in den konservativen Reihen behalten."
Aber das ist nur eine exemplarische persönliche Vermutung.
Ich hoffe ich konnte damit der allgemeinen Disskussion in diesem Thread gerecht werden und habe die haltbaren Argumente meiner Vorgänger hier würdig abstrahiert. Mein Ziel war es in erster Linie das Geflame etwas einzudämmen und zu verhindern, dass hier weiterhin aneinander vorbeigepostet wird.
Ich würde gerne an alle appellieren aus o.g. Gründen etwas mehr Verständnis für die Entscheidung des SOS Kinderdorf zu haben und
auf keinen Fall mit dem Spenden aufzuhören.
Allerdings möchte ich AUCH an alle appellieren, die Disskussion, um die sog. "Killerspiele" weiterzuführen, unseren Standpunkt würdig zu vertreten und der Gesellschaft die Augen zu öffnen, die ihr unsere geschätzten Volksabtreter und "ZensUrmütter der Nation" hartnäckig zu schließen versuchen.
Damit vielleicht in absehbarer Zeit derartige traurige Handlungen, wie das Ablehnen von Werbung auf Gamer-Seiten, nicht mehr notwendig sind.
In diesem Sinne
MfG,
ForceWare