Der Spiegel 38/2005 schrieb:
Hirntote sind in Wirklichkeit sterbende Menschen, denn der menschliche Körper stirbt langsam und Schritt für Schritt. "Unstrittig" ist dabei auch, "dass der Stoffwechsel in den Körperzellen noch eine Weile weiterläuft, wenn der Mensch eigentlich schon tot ist ..."
D.h. schon für tot erklärt wurde, während er aber immer noch stirbt, doch während dieses Prozesses bereits auf die technische Organentnahme hingearbeitet wird, nicht mehr auf Sterbebegleitung. (das Wort "Hilfe" habe ich jetzt bewusst nicht gewählt!)
Aus biologisch Toten werden nunmal keine toten Organe gespendet, sondern aus gesetzlich definierten Hirntoten, aufgrund derzeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und Ist-Stand. Die Organe müssen aus dem LEBENDEN Körper entnommen werden, wo lediglich ein Organ (Gehirn) - derzeit irreparabel - bereits versagt hat und weitere Gerätemedizin wohl wenig Sinn macht. Das damit manche Menschen ein Problem haben, kann ich nachvollziehen und respektiere es, konsequenterweise auch noch innerhalb deren Sterbevorganges. Genauso gilt das auch für auch für alle anderen Gründe. Auch eine Beisetzung ist für viele nicht nur ein symbolischer Akt, sondern auch u.v.a. ein religöser.
Aber das geht mir eigentlich ja auch nichts an und ich will und werde da auch nicht anmaßend sein. Der Gesetzgeber will dies nun aber.
Eigenverantwortung hin oder her, hier geht es um Einschnitte im Selbstbestimmungsrecht. Das Thema Tod ist nunmal in der Gesellschaft ein verdrängtes. Die wenigsten von uns werden schon ihre Bestattung organsiert und vertraglich festgelegt haben. Und umso jünger und gesünder die Menschen, umso seltener haben sie auch ihr Testament verfasst. Ansonsten entscheidet auch der Staat oder die Angehörigen (sofern vorhanden), wenn man nicht seinen Ar... rechtzeitig hebt. Habt ihr dies denn auch schon geregelt und euren Ar... dafür gehoben? Oder gar doch nicht pers. so vordergründig wichtig? Es ist immer einfach anderen was zu unterstellen.
Das Thema Tod ist auch politisch ein gern immer wieder angegangenes Thema. Eben weil viele es verdrängen und sich folglich weniger informieren, wird es viel zu schnell ausgenutzt. Hier kann man auch schnell mal ohne grösseren zu erwartenden Widerstand zb. die Erbschaftssteuer erhöhen oder Sterbegeld abschaffen. Und über die Kosten einer Bestattung brauchen wir ja garnicht erst sprechen. Selbst die Sterbebescheinigung/ Feststellung des Arztes ist nach Tod privat zu tragen, wie eben alles.
So und man könnte natürlich vermuten, dass die Mehrheit der Unentschiedenen der Organspende prinzipiell zustimmen würde. Aber warum tuen sie es dann nicht? Vielleicht auch, weil sie bisher zögerten, aus Unsicherheit und Uninformiertheit über die Durchführung bzw. diesen gesamten Themenkomplex? Klar Gleichgültigkeit kann man immer unterstellen, genauso wie die Schuld und Verantwortung anderen zuschieben.
Genauso könnte man auch Egoismus oder Verblendung unterstellen, doch oft lässt die Selbstreflexion und innere Uneinigkeit derjenigen darüber das Thema verdrängen und führte bisher nicht zur direkten pers. festen Widerspruchsentscheidung. Es bestand ja auch keine zwingende Notwendigkeit. ("meine Verwandten werden zur Not schon das richtige entscheiden")
Doch diese Änderung könnte nun auch genau nach hinten losgehen. Denn wer bisher zögerte und jetzt eine Entscheidung treffen MUSS, könnte sich genauso auch bis zu seiner Meinungfindung vorläufig oder im Zweifel endgültig dagegen entscheiden. Denn reagiert er garnicht, nimmt allen ja nun wiederum im Zweifel der Staat diese Entscheidung vorweg und ab. Also wird man indirekt gezwungen sich sofort zu entscheiden. Zu lange Bedenkzeit könnte da im ungünstigsten Falle ein womöglich ungewünschtes Resultat erzielen. Man weiss ja nie wie es noch im Leben kommt, Situationen und Meinungen können sich ja im Laufe eines Lebens noch mehrmals ändern.
Ob dieser verfassungsrechtliche Einschnitt mehr Organe fabriziert, bleibt auch noch abzuwarten, zumindest nicht mehr freiwillige Organe.
Ich denke die wirklichen Ursachen für Organmangel liegen an noch ganz anderen Stellen.
Und jeder mit ein bisschen Erfahrung kann doch erahnen, wie eine geplante und geforderte bessere Aufklärung in der Praxis (in beiden Wortbedeutungen) ablaufen wird. Keiner will mal wieder hohe Beratungskosten dafür tragen oder teure, aber nötige Zeit investieren.
Der Arzt oder die Praxishilfe fragt nebenbei mal nach Organspendeausweis und Ja oder Nein. (Hätten sie ja eigentlich auch schon bisher tun können!) Die Beratungszeit für dieses komplexe Thema ist wie immer viel zu knapp. Oft ist diese ja aus bekannten Ursachen nicht mal für die Behandlung selber angemessen, zumindest zunehmend in der gesetzl. KV.
Das Thema Organspende ist nunmal sehr komplex, eben nicht nur rein technisch und simpel zu betrachten. Doch genauso wichtig sind auch die Grundrechte eines jeden. Die Frage ist also der Kompromiss. Und da befand ich die bisherige Lösung als völlig ausreichend. An der konsequenten Durchsetzung hats doch wiedermal nur gemangelt. Wir brauchen nicht ständig neue Gesetze, Änderungen Erweiterungen, wenn die bisherigen nur mal endlich ausgeschöpft und angewendet würden. Aber das ist ja nicht nur bei diesem Thema so.
Klar kann man mit Organspende Leben retten. Eben ein Totschlagsargument, was scheinbar - auch für den Ethikrat - alles rechtfertigt, wäre er nur so engagiert und konsequent auch in allen anderen Dingen.
Aber es stimmt schon, wir (alle) drehen uns auch bei diesem Thema nur im Kreis. Doch wie auch immer, die endgültige Entscheidung über diese Änderung liegt sowieso kaum in unseren Händen.
Hier noch ein paar Pressestimmen:
thueringer-allgemeine schrieb:
"Wer bei ethischen Fragen die Freiheit des Menschen als oberstes Gebot der Menschenwürde zu Grunde lege, müsse im Zweifel auch damit leben können, dass jemand sich ausdrücklich nicht entscheide, erklärte der CDU-Politiker Volker Kauder."
Der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg warnte vor der Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts. Seine Kollegin Carola Reimann sah in dem Vorstoß hingegen einen "Impuls, den wir aufgreifen sollten". Es gehe darum, dass sich jeder für oder gegen Organspenden erkläre. Die FDP will weiter an der bislang geltenden Regelung festhalten, wonach der Betroffene oder seine Verwandten eine Entnahme ausdrücklich erlauben müssen. Jeder Eingriff in den Körper bedürfe der Zustimmung, so Michael Kauch (FDP).
Auch die Grünen kritisierten dieses Modell. Der Vorschlag des Ethikrates sei «ein Anschlag auf das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht des Menschen», erklärten die zuständigen Sprecherinnen Biggi Bender und Elisabeth Scharfenberg. Das Ziel, mehr Organspenden in Deutschland zu erhalten, könne auch auf anderem Wege erreicht werden.
Märkische-Oder Zeitung schrieb:
Akt auf dem Drahtseil
Es ist ein Akt auf dem Drahtseil, den der Ethikrat mit seiner Stellungnahme zu Organspenden da vollführt. Nach dem Grundgesetz ist die Würde des Menschen unantastbar - auch im Tod. Also hatte er abzuwägen: die Würde des potenziellen Organspenders gegen die Würde des vom Tode bedrohten Organempfängers. Der Gesetzgeber wird sich darauf einstellen müssen, dass es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen wird. Denn letztlich unterläuft er damit das Recht des Menschen am eigenen Körper.
Der Spiegel schrieb:
"Skandal" in Kliniken
Ein weiteres Problem sieht der Ethikrat in den Kliniken: Bei weitem nicht alle würden sämtliche möglichen Organspender angeben. Taupitz nannte es einen Skandal, dass nur 45 Prozent der Kliniken mit Intensivmedizin potentielle Spender meldeten, selbst wenn diese einen Spenderausweis besäßen. Sie scheuten den Aufwand oder fürchteten, ihre Kosten nicht ausreichend erstattet zu bekommen.