Spotify vs. App Store: EU bereitet Kartellverfahren gegen Apple vor

Update Michael Schäfer (+1)
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Spotify vs. App Store: EU bereitet Kartellverfahren gegen Apple vor
Bild: dimitrisvetsikas1969 | CC0 1.0

Laut übereinstimmenden Medienberichten bereitet die EU-Kommission ein Kartellverfahren gegen Apple vor, welches noch diese Woche offiziell gemacht werden könnte. Doch nicht nur die EU beleuchtet das Unternehmen aus Kalifornien genauer, auch in Russland droht Ungemach.

Über das anstehende Verfahren berichten unter anderem die Financial Times und das Handelsblatt. Zwar hat die EU-Kommission bisher keine offizielle Stellungnahme zu den Plänen abgegeben, zahlreiche andere Quellen sollen das bevorstehende Vorgehen mittlerweile aber bestätigt haben.

Spotify vs. Apple

Ausgelöst wurde die aktuelle Auseinandersetzung vor mehr als zwei Jahren durch den Streaming-Dienst Spotify, der im Verhalten von Apple das Wettbewerbsrecht verletzt sah. Spotify hat mit der Kombination aus Apples Musik-Streaming-Service Apple Music und den Bezahlvorgaben im App-Store ein Problem, das einmal mehr auf Apples Gebühren im App Store fußt. Für jedes über die iOS-App abgeschlossene Abonnement kann nämlich nur der hauseigene Bezahldienst von Apple für die monatlichen Gebühren herangezogen werden, eine andere Möglichkeit verbietet der iPhone-Hersteller. Und Apples Weg kostet mindestens 15 (früher mindestens 30) Prozent Provision. Für den eigenen Streaming-Dienst gelten die Gebühren effektiv nicht, womit Apple seinen Dienst entweder günstiger anbieten kann oder einen höheren Reingewinn erhält. Auch der Vorwurf von künstlichen Beschränkungen und Behinderung der Konkurrenz, um den eigenen Dienst in eine bessere Position zu bringen, steht im Raum.

Die Vorwürfe sahen auch die EU-Wettbewerbshüter als berechtigt an und eröffneten im Juni 2020 eine offizielle Wettbewerbsuntersuchung. Für EU-Kommissarin Margrethe Vestager tritt Apple zudem als „Gatekeeper“ auf, „wenn es um den Vertrieb von Apps und Inhalten an Nutzer von Apples beliebten Geräten geht“. Sie nehme die Vorwürfe sehr ernst, so Vestager weiter, da sie Kernfragen des Wettbewerbsrechts berühren würden.

Anklage könnte in den nächsten Tagen verkündet werden

Nun scheint es, als würde in der nächsten Woche aus der Untersuchung eine formale Anklage werden, in der Sache involvierte Personen äußerten gegenüber der „Financial Times“ jedoch, dass der Zeitpunkt unter Umständen auch noch einmal nach hinten rutschen könnte.

Apple gibt sich wie gewohnt wortkarg und äußerte sich trotz mehrerer Anfragen unterschiedlicher Medien nicht zur aktuellen Sache. Zu den Beschwerden von Spotify äußerte das Unternehmen seinerzeit, dass der Dienst „alle Vorteile“ des App Stores behalten wolle, „ohne irgendwelche Beiträge zu diesem Marktplatz zu leisten“ – Gebühren für „In-App-Käufe“ ohne eine Alternative wären daher gerechtfertigt. Die Anschuldigungen sind von Apple dagegen stets bestritten worden. Dennoch wurde die Kritik an Apples Vorgehen bezüglich seiner Provision in der Vergangenheit immer lauter, die Auseinandersetzung mit Epic bezüglich der iOS-Variante von „Fortnite“ ist nur einer der Höhepunkte in dem schon länger schwelenden Streit.

Apple geht auf Kritik ein – zumindest ein wenig

Dennoch kann Apple nicht vorgeworfen werden, nicht auf die Kritik reagiert zu haben: So hatte das Unternehmen ab dem 1. Januar 2021 die Provisionen im App Store auf 15 Prozent gesenkt – jedoch nur für Entwickler, deren Einnahmen durch Apps unter eine Million US-Dollar im vorangegangenen Jahr liegen, was Abonnementgebühren mit einschließt. Im Juli des vergangenen Jahres zog Google mit dem eigenen Play Store gleich – zu gleichen Bedingungen. Aufgrund seiner Größe kann Spotify jedoch nicht von den Senkungen profitieren.

EU ermittelt auch wegen E-Books und Bezahldienst

Das ist jedoch derzeit nicht das einzige Verfahren, dem sich Apple gegenüber sieht. Neben der Kartellbeschwerde ermittelt Brüssel auch wegen Verstöße gegen EU-Gesetze, weil der Tech-Gigant im Verdacht steht, seine eigenen E-Books im App Store zum Schaden der Konkurrenten zu bewerben und zudem den Wettbewerb im mobilen Zahlungsverkehr zu untergraben, indem er den Zugang zu den Nahfeldkommunikations-Chips in den iPhones für Konkurrenten von Apple Pay beschränkt. Sollte Apple am Ende des langjährigen Rechtsstreites für schuldig befunden werden, würde dem Unternehmen eine Geldstrafe von bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes drohen – auch für Apple wäre das Umsetzen des Höchstmaß kein Pappenstiel.

Strafzahlung auch in Russland

Um Kartellrechtsverletzungen seitens Apple ging es ebenso in einem Rechtsstreit, bei welchem das Unternehmen in Russland zu einer Strafzahlung von rund 10 Millionen Euro verurteilt wurde. Die Wettbewerbsbehörde FAS sah als erwiesen an, dass Apple seine „beherrschende Position missbraucht“, um Apps anderer Entwickler auszugrenzen. Konkret ging es um eine Beschwerde von Kaspersky Lab, in der Apple vorgeworfen wurde, bei der mit iOS 12 eingeführten Bildschirmzeitfunktion mit Einführung einer eigenen Kindersicherheit-Funktion die Apps anderer Anbieter in ihrem Funktionsumfang beschnitten zu haben. Der Sicherheitsspezialist musste aufgrund der neuen Vorgaben kurzfristig für ihn wichtige Funktionen aus der eigenen „Safe Kids“-App entfernen, welche Apple für ihn plötzlich als „regelwidrig“ ansah.

Daraufhin forderten die russischen Wettbewerbshüter Apple auf, die neuen Vertragsregeln wieder zu ändern. Dem scheint Apple nicht in der geforderten Form nachgekommen zu sein, womit die Kartellbehörde in dieser Woche das Strafmaß festlegte. Apple sieht die Strafe als nicht gerechtfertigt an und hat bereits Berufung angekündigt. Das Tech-Unternehmen gab ferner an, mit Kaspersky Lab zusammen an dem Problem gearbeitet zu haben. Darüber hinaus würde der Entwickler mittlerweile 13 Applikationen im Store anbieten, für die der App-Store-Betreiber „Hunderte von Updates“ bearbeiten würde.

Weiteres Vorgehen nicht ausgeschlossen

Ob es bei der jetzt ausgesprochenen Strafe bleibt, ist unklar. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Wettbewerbsbehörde Apple dazu zwingt, zumindest auf dem russischen Markt einzelne Regelungen zu lockern oder den App Store komplett zu öffnen. Bereits in der Vergangenheit wurde Apple durch ein lokales Gesetz in Russland dazu verpflichtet, Nutzern russische Apps vorzuschlagen.

Update

Die EU Kommission hat heute das Ergebnis ihrer ersten Prüfung der von Spotify gegen Apple erhobenen Vorwürfe bekanntgegeben. Die EU Kommission kommt zu dem Schluss, dass Apple den Wettbewerb auf dem Markt für Music-Streaming-Dienstleister verzerrt, indem der Hersteller seine marktbeherrschende Stellung als Vertriebsplattform für derartige Apps im App Store missbraucht. Die EU Kommission nennt dafür zwei wesentliche Punkte:

  1. Apple schreibt für über den App Store vertriebene Apps vor, dass über die App abgewickelte Zahlungen ausschließlich über Apples eigenes Zahlungssystem abgewickelt werden. Die von Apple einbehaltene Provision beträgt dabei 15 Prozent bei Jahresumsätzen unter 1 Mio. USD und 30 Prozent bei Jahresumsätzen darüber. Für den Kunden sei das von Nachteil, weil Anbieter die von Apple erhobene Provision an den Kunden weiterreichen.
  2. Apple verbietet es den Anbietern der Apps darüber hinaus, in der App auf eine alternative Zahlungsmöglichkeit z.B. auf der Webseite des Anbieters, die potentiell weniger kostet, hinzuweisen. iOS-Nutzer würden daher in der Regel einen zu hohen Preis für die Dienstleistung zahlen.

Die EU Kommission hat sowohl Apple als auch Spotify über die Ergebnisse in Kenntnis gesetzt („Statement of Objections“) und zur Stellungnahme aufgefordert. Der erste Schritt in einem Antitrust-Verfahren nach Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist damit getan.