Atari 2600+ im Test: Angepasstes Design und neue Technik
2/4Der Moderne geschuldete Änderungen
Gegenüber dem Original neu hinzugekommen sind dagegen der USB-C- und der HDMI-Anschluss sowie der Wahlschalter, um das Seitenverhältnis von 4:3 (beim Original eher 5:4) auf 16:9 umzustellen. Für letzteres wird jedoch lediglich der Bildschirminhalt in die Breite gezogen.
Über den beschriebenen USB-C-Port wird die Konsole mit Strom versorgt. Zudem sollen auch beim 2600+ künftig Firmware-Updates für Verbesserungen und Fehlerbereinigungen sorgen, ein erster größerer Patch soll noch in diesem Jahr erscheinen. Wie das praktisch umgesetzt werden soll, ist bis dato aber unbekannt. Möglich wäre, die Stromversorgung über einen USB-Hub sicherzustellen und dadurch gleichzeitig einen USB-Stick anschließen zu können.
Einen separaten Audio-Ausgang besitzt die Konsole, wie viele andere Retro-Geräte, nicht. An einem TV-Gerät angeschlossen, dürfte das Fehlen nicht auffallen, mit einem normalen Monitor ohne Lautsprecher verbunden dagegen umso mehr. Besitzt dieser keine Möglichkeit, den Ton durchzuschleifen und wieder auszugeben, kann nur noch ein HDMI-Splitter helfen.
Zum Lieferumfang gehören neben den beiden beschriebenen Controllern eine Cartridge mit Spielen, auf die im späteren Verlauf des Tests noch genauer eingegangen wird, sowie ein USB-C- und ein mit 1,5 m deutlich zu kurzes HDMI-Kabel. In den meisten Fällen dürfte der Atari 2600+ auf dem Wohnzimmertisch vor dem TV-Gerät stehen, womit es mit der Kabellänge recht knapp werden kann. Ein Netzteil liegt dem Paket nicht bei, hier kann aber jedes für ein Smartphone oder Tablet taugliches Exemplar mit entsprechendem Anschluss genutzt werden. Wird die Konsole mit Strom versorgt, beginnt das kleine in der Holzblende eingearbeitete Atari-Logo zu leuchten und signalisiert dadurch seinen aktiven Zustand.
Neue Technik für alte Funktionen
Wurde das Original noch von einem Mikroprozessor vom Typ MOS 6507 (eine speziell für Atari gefertigte preisgünstigere Variante des MOS 6502 mit nur 28 der ansonsten 40 Anschluss-Pins) befeuert, setzt Atari bei seiner neuen Retro-Konsole auf einen Rockchip 3128, der über 256 MB DDR3-RAM verfügt. Neben Spielen für das Atari-2600-System werden auch Inhalte des eigentlichen Nachfolgers Atari 7800 unterstützt. Der Atari 5200 wird hingegen in den Informationen nicht aufgeführt – ob Spiele dieses Systems künftig unterstützt werden, ist unbekannt. Die Inkompatibilität des Systems aufgrund des vom Atari 400 und 800 stammenden Unterbaus zum Atari VCS dürfte zumindest bei der Emulation keine große Rolle spielen.
Offiziell begann die Geschichte des Atari „Video Computer System“ (VCS) vor mehr als 45 Jahren, konkret 1977. Die Planung für einen der bedeutsamsten Teile der Computerspiel-Geschichte begann jedoch bereits zwei Jahre davor.
Beflügelt durch den Erfolg der Odyssey-Konsole und ersten Pong-Versionen für den heimischen TV, wollte Nolan die immer populärer werdenden Videospielautomaten ebenso aus den Spielhallen in die Wohnzimmer der Konsumenten bringen. Doch wie transformiert man einen damals rund 3.000 US-Dollar teuren Automaten in eine Konsole, die nicht mehr als 200 US-Dollar kosten darf?
Dafür konnte Atari einige Mitarbeiter von National Semiconductor abwerben. Dieses Unternehmen ist in IT-Kreisen kein unbeschriebenes Blatt, gehörte doch später auch Fairchild Semiconductor dazu, deren als „The Traitorous Eight“ („Die verräterischen Acht“) oder an anderen Stellen als „The Fairchild Eight“ benannten Gründungsmitglieder unter anderem 1958 (manche Quellen nennen auch das Jahr 1959) den ersten monolithisch gefertigten integrierten Schaltkreis entwickelten und dessen Patent 1961 zugesprochen bekamen. An dieser Entwicklung war mit Robert Noyce ein Mann beteiligt, der 1969 nicht nur Gründungsanleger von AMD war, sondern bereits ein Jahr zuvor am 18. Juli 1968 zusammen mit Gordon E. Moore zunächst unter dem Namen Moore-Noyce Electronics eines der später wichtigsten Schwergewichte der IT-Branche gründete: Intel.
Zur Darstellung von Inhalten des Atari 2600+ setzen die Entwickler auf die nach dem Code-Namen des Originals benannte Emulationssoftware „Stella“, die mittlerweile eine feste Größe in der Retro-Szene darstellt und für viele Systeme zur Verfügung steht. Für die Emulation des Atari 7800 wird dagegen auf „ProSystem“ zurückgegriffen. Beide Programme sind quelloffen und über GitHub erhältlich.
Der Arbeitsspeicher des verwendeten Systems mag aus heutiger Sicht vielleicht gering bemessen sein, die meiste Zeit dürfte aber auch dieser sich langweilen: Lange Zeit besaßen die Module für den Atari VCS lediglich eine Größe von 4 KB, nur wenige Spiele nutzten später die bei den Modulen möglichen 64 KB, auch wenn der Prozessor weiterhin lediglich bis zu 4 KB adressieren konnte. Die Verarbeitung der größeren Datenmengen ließ sich durch Bankumschaltung bewerkstelligen. Die Konsole selbst verfügte hingegen nur über einen Arbeitsspeicher von 128 Byte. Der ebenfalls unterstützte Atari 7800 konnte dagegen Modulgrößen von bis zu 128 KB verarbeiten, wobei sie meist unter dem Maximum blieben. Dies alles sollte jedoch die im 2600+ verbaute Technik vor keine Probleme stellen.
Das unter dem Code-Namen „Stella“ geführte Unterfangen war zunächst zwar als kompletter Heimcomputer gestartet (daher auch die Bezeichnung VCS, „Video Computer System“), wurde aus Kostengründen jedoch schnell zu einer reinen Spielekonsole zusammengeschrumpft. Eines der größten Probleme der Entwicklung bestand darin, die große Testplatine des Prototyps auf einen einzigen Chip zu reduzieren, um das Projekt von den Kosten her überhaupt für die Masse umsetzen zu können. Dafür entwickelte Atari den Television Interface Adapter, kurz TIA, der mehr als 150 Chips eines damals typischen Spielhallenautomaten und damit die wichtigsten Funktionen wie Grafik- und Tonausgabe in einem einzigen Bauteil vereinen konnte. Da die Entwickler nur von einer kurzen Verweildauer der Konsole am Markt ausgingen, waren die technischen Möglichkeiten lediglich darauf ausgelegt, die damaligen Automatenspiele von Atari ausführen zu können.
Bushnell wurde schnell klar, dass dieses Vorhaben nicht ohne Finanzierung von außen umgesetzt werden kann. Daher verkaufte er das von ihm bis dahin alleine geführte Unternehmen Atari für 28 Millionen US-Dollar an Warner – eine Entscheidung, die Bushnell später noch bedauern sollte. Der neue Eigentümer stellte hingegen mehr als 100 Millionen US-Dollar für die Fortführung des Projektes bereit.
Kurz nach der Vorstellung der Neuauflage wurde von vielen Retro-Fans kritisiert, dass das 2600+ die genutzten Module nicht nativ wiedergibt, sondern die Inhalte zunächst per ROM-Dump in den internen Speicher lädt und von dort aus ausführt. Diese Kritik scheint ein wenig überzogen, denn kaum eine Neuauflage alter Konsolen oder Computer dürfte noch die originale Technik nutzen, um entsprechende Inhalte darzustellen – meist schon alleine aus dem Grund, das diese Teile kaum noch verfügbar sein dürften. Selbst spezielle Retroprodukte, welche die damalige Technik nicht einfach emulieren, sondern dem Original durch eigene Hardware-Bauteile so nahe wie möglich kommen wollen, müssen oftmals auf neue Technik ausweichen.