Atari 2600+ im Test: Spiele-Auswahl und Nutzung
3/4Durchschnittliche Spiele-Auswahl
Der Konsole liegt ein Modul mit zehn Spielen bei, deren Auflistung jedoch mit Adventure (1980), Missile Commander (1981) und Yars' Revenge (1982) lediglich drei Toptitel beinhaltet. Des Weiteren können sich Retro-Fans über Combat (1977), Dodge 'Em (1980), Haunted House (1982), Maze Craze (1980), RealSports Volleyball (1982), Surround (1977) und Video Pinball (1980) freuen, deren Spielspaß jedoch unterschiedlich ausfällt. Eine weitere Sammlung mit vier Spielen (Breakout (1978), Canyon Bomber (1979), Night Driver (1980) und Video Olympics (1977)) ist für rund 40 Euro erhältlich. Als einzelnes Spiel ist zudem Berzerk (1982) und mit Mr. Run And Jump sogar ein neuer, 2023 erschienener Titel erhältlich. Beide Titel werden für 30 Euro angeboten.
Dass die bislang zur Verfügung gestellten Titel allesamt aus dem Atari-Katalog stammen, dürfte alleine aus lizenzrechtlichen Gründen nicht sonderlich verwundern, womit bekannte Titel wie Pitfall von Activision aus dem Jahr 1982 oder Demon Attack von Imagic auch in zukünftigen Spielesammlungen fehlen dürften. Das Atari aber zu Beginn auf bekannte Titel wie Asteroids (1981), Defender (1982) oder Pac-Man (1982) verzichtet, ist weniger verständlich. Selbst das als das schlechteste Spiel aller Zeiten gehandelte E.T. (1982) hätte mit einem Augenzwinkern dazugehören können. Es bleibt zu hoffen, dass sie in zukünftigen Sammlungen erscheinen werden, denn entsprechende Originalmodule sind meist nicht unbedingt günstig zu erstehen.
Durch die Berufung von Ray Kassar zum Geschäftsführer von Atari änderte sich die Firmenkultur zusehends, denn Kassar passte nicht so richtig in das, was das Unternehmen bis dahin verkörperte. Er trug lieber 3.000 US-Dollar teure Anzüge statt T-Shirt und Turnschuhe und fuhr mit einer Limousine samt Chauffeur vor. Schlimmer war jedoch, dass er von Videospielen keinerlei Ahnung hatte – Kassar kam aus der Textilbranche und war vorher als Vize-Chef von Berlington tätig, einem Unternehmen, das Socken und Handtücher herstellte.
Das hatte nicht nur Auswirkungen auf Nolans Abgang ein paar Jahre später, sondern auch auf die eigene Entwicklungsabteilung. Zu dieser Zeit war es unter anderem nicht nur unüblich, Spieleentwickler am Erfolg ihrer Kreationen zu beteiligen, denn selbst die Nennung ihrer Namen im Spiel wurde untersagt – Atari wollte somit seine Entwickler anonym halten. Kassar ging sogar einen Schritt weiter und sah in den Mitarbeitern nur „Dutzendware“. Überliefert ist eine Auseinandersetzung mit Mitarbeitern der Spieleabteilung, die Tantiemen für ihre Titel forderten. Kassar holte ein Handtuch hervor und meinte, er habe bei Berlington mit Designern zusammengearbeitet, die genau diese Muster für die Handtücher gestaltet haben. Abfällig solle er weiter ausgeführt haben, dass sie sich für Künstler gehalten hätten und der Meinung waren, dass sich die Textilien nur durch ihre Kunst verkaufen würden. Kassar war jedoch der Ansicht, dass jeder „Idiot“ solche Handtücher gestalten könne und nicht einmal Geld dafür verlangen würde. Die gleiche Einstellung vertrat der CEO nicht nur gegenüber den Spieleentwicklern, sondern auch bei den Ingenieuren des Unternehmens.
Gegenüber der Zeitschrift RetroGamer gab Warren Robinett, der für Atari das Spiel Adventure entwickelte und von dem mehr als eine Million Exemplare abgesetzt werden konnten, an, dass er für seine Leistung von Atari keinen Dank, nicht einmal ein Schulterklopfen oder zumindest eine Pizza bekommen hat. „Tantiemen? Vergiss es“, so Robinett später. Aus diesem Grund hat sich der Entwickler am Ende dennoch heimlich in Adventure verewigt: Mit blinkenden Buchstaben innerhalb eines geheimen Raumes. Damit dürfte Robinett das erste Easter-Egg in Computerspielen geschaffen haben.
Immer mehr Matrosen verlassen das Schiff
Das immer schlechter werdende Arbeitsklima führte dazu, dass viele talentierte und fähige Mitarbeiter den Konzern verließen und eigene Unternehmen starteten: Larry Kaplan, Al Miller, David Crane und Bob Whitehead gründeten mit Activision schließlich den ersten Dritthersteller der Spielebranche, mit Imagic folgte ein weiteres Unternehmen und auch Parker Brothers stieg mit eigenen Games in den Markt ein. Innerhalb kürzester Zeit verließ somit ein Großteil der Spieleentwickler das Unternehmen. Atari hatte sich durch sein Verhalten und mit seiner Art der Mitarbeiterführung schließlich eine Konkurrenz aus eigenem Hause geschaffen, der sie oftmals nichts entgegenzusetzen hatten. Auch wenn die neuen Firmen nicht wie Atari auf eigene Spielhallen-Titel zurückgreifen konnten und stattdessen neue Ideen entwickeln mussten, hatten sie die jahrelange Erfahrung auf ihrer Seite, wogegen Atari bald fast nur noch mit „Frischlingen“ besetzt war.
Am Ende kam auch Kassar nicht drum herum, seine Entwickler am Erfolg ihrer Spiele zu beteiligen. Auch wenn manch erfolgreicher Titel dadurch für Millionen US-Dollar an Bonus sorgte, konnte Atari den Abstand zu den anderen Entwicklern nicht mehr aufholen.
Spielen auf dem Atari 2600+
Dass Atari beim 2600+ das Original so weit wie möglich abbilden wollte, wird schon beim ersten Einschalten deutlich: Ohne Module geht nichts. Anders als unter anderem beim TheC64 (Test) oder beim TheA500 Mini (Test) besitzt der 2600+ keine vorinstallierten Spiele. Wird die Konsole ohne Cartridge gestartet, erscheint kurz nach dem Einschalten eine Fehlermeldung.
Trotz schnellerer Technik braucht das 2600+ gegenüber dem Original ein wenig länger für den Start: War die originale Konsole quasi direkt nach dem Einschalten für die Nutzung bereit, dauert es bei der Neuauflage ein paar Sekunden, bis der Inhalt des Modules, wie bereits beschrieben, in den internen Speicher geladen wurde. Danach verhält sich die Konsole jedoch wie gewohnt: Über den Spielwahlschalter kann entweder die Spielvariante oder der Schwierigkeitsgrad ausgewählt und je nach Titel selbiges entweder per Reset-Schalter rechts oder via Feuerknopf am Joystick gestartet werden.
Nichts für dicke Finger
Die Wahl der Spiele auf den Sammelmodulen macht Atari dem Nutzer dabei nicht unbedingt einfach. Da auch das Nutzungsgefühl dem Original entsprechen soll, haben die Entwickler dem Modul kein Menü verpasst, in dem die Titel leicht ausgewählt werden könnten. Die Auswahl erfolgt ausschließlich über vier kleine Schalter auf der Rückseite der Kassette, die jedoch mit den Fingern nur schwer in die jeweilige Position zu bringen sind. Daher sollte der geneigte Retro-Fan immer eine Pinzette, einen kleinen Schraubendreher oder Ähnliches neben der Konsole liegen haben. Auch wenn der Nutzer es schaffen würde, das Spiel über das eingesteckte Modul wechseln zu können, müsste die Konsole davor jedes Mal aus- und nach der Wahl wieder eingeschaltet werden.
Der Aufdruck „Atari 2600 Videogame Cartridge“ auf allen aktuell neu aufgelegten Modulen lässt zudem darauf schließen, dass es sich bei den gelieferten Titeln nur um solche für die Ur-Konsole Atari VCS beziehungsweise Atari 2600 handelt. Spiele, die vormals für das 7800er-System erschienen sind, führen die Module somit dem Anschein nach nicht.
Ist aber einmal der gewünschte Titel gewählt, lässt sich mit der Konsole gut spielen. Die Inhalte werden dabei von der vormals mit 200 × 160 Pixeln geringen Auflösung beim Atari VCS und 320 × 200 beim Atari 7800 auf 720p hochskaliert. Die Ausgabe erfolgt trotzdem gewohnt scharf – für manchen Retro-Fan vielleicht bereits zu scharf. Denn genau die Unschärfe, die vor allem durch den Zeilenraster der damaligen TV-Geräte entstanden ist, haben sich die Entwickler nicht selten für entsprechende Darstellungen zunutze gemacht. Hier findet sich auch das vielleicht größte Manko des 2600+, denn Einstellungen wie bei anderen Retro-Systemen, um ebendiese Ausgabe zu simulieren und das System weiter den eigenen Wünschen anpassen zu können, gibt es nicht. Lediglich das Auseinanderziehen der Inhalte zu einer Ausgabe in 16:9 ist wie bereits beschrieben per Schalter auf der Rückseite möglich.
Solide Steuerung
Die Controller vermitteln generell ein gutes Spielgefühl, wobei der CX40+ aufgrund des komplett anderen Aufbaus das Gefühl der alten Druckkontakte des Originals beim Auslösen vermissen lässt. Auch kommt dieser nicht an die Leichtläufigkeit anderer Weggefährten wie dem besagten Competition Pro heran, sodass sich je nach Spiel bereits nach kurzer Zeit die Handgelenke melden können – auch Retro-Fans werden schließlich nicht jünger. Besagter Joystick ließ sich zudem im Test ebenfalls ohne Probleme mit dem 2600+ verwenden.