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Dienste wie YouTube, Facebook und Twitter bieten beinahe jedem die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander und Filesharing-Börsen können auch heute schon den Hauch einer Vorstellung vermitteln, dass sich eine vom Zwang des Tausches befreite Gesellschaft realisieren liesse. Aber es gibt auch Verlierer dieses Fortschritts, namentlich die Kulturindustrie (hier auch als „Contentmafia“ bekannt), welche (vollkommen Folgerichtig) zur Wahrung ihrer Interessen ACTA in die Wege geleitet hat. Diese steht vor dem Problem, dass ihre Waren (Filme, Musik, Bücher usw.) immer schneller und leichter an die Konsument_innen gelangen, ohne dass diese dafür zahlen. Die Folge sind Umsatzrückgänge, geringere Profite und damit der Verlust der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt, was schlicht und einfach ein Todesurteil für sie wäre. Die Kulturindustrie zieht – nicht anders als ein Kaufhaus im Falle eines Raubes die Polizei alarmieren würde – sich deshalb die unterzeichnenden Staaten des Abkommens als Vermittler zwischen den Kapitalinteressen zur Unterstützung an die Seite, um die eigenen Interessen zu wahren. ACTA ist Teil einer Vergesellschaftung, die sich einen Scheißdreck um die Bedürfnisse ihrer Insassen kümmert und deren oberstes Gebot es ist, Güter als Waren zu Markte zu tragen und diese möglichst profitträchtig loszuwerden. Jeder Mensch unterliegt dabei den gleichen Zwängen, unabhängig seines (wie auch immer definierten) Geschlechts, seiner Religion, Nationalität oder Klassenherkunft.
Hier aber manifestiert sich der Fehler, den große Teile der Anti-ACTA-Bewegung machen. Anstatt ACTA als (eine) Konsequenz kapitalistischer Vergesellschaftung zu begreifen, reduziert mensch es auf die vermeintliche Gier einzelner Konzerne und deren Vorstandsmitglieder und bedient sich dabei einer Rhetorik und Metaphorik, welche antisemitische Ressentiments aufgreift und reproduziert. Die Rede ist dabei von der “Krake“[1] , welche ihren Arme über die Welt legt, alles zu umschlingen versucht und die Weltkugel mit Dunkelheit überzieht. (...)