Spahn versucht sich nun an höherer Mathematik oder war er nur ungeschickt beim Formulieren?
„Wenn sich das so weiter verdoppelt, alle zwölf Tage, dann werden wir im September die 400 überschreiten, im Oktober 800 – Inzidenz“
Ich meine, ok, dieses Extrapolieren mittels „wenn das so weitergeht“ kennt man ja. Es sagt genau
gar nichts aus, aber es hört sich wichtig an. Und dringlich! Im Dezember lägen wir dann bei einer Inzidenz von 3200 bzw 6400, im Januar knacken wir locker die 25000er Inzidenz, im Februar wird’s sechsstellig, im April liegen wir im Millionenbereich -
wenn das so weitergeht natürlich…
Als würde man sich bei einsetzender Flut an die Nordsee setzen, zwei Stunden beobachten, wie der Wasserpegel steigt und dann verkünden: „Wenn das so weitergeht, sind in 2 Tagen alle Menschen tot.“
Warum trifft man solche Aussagen, die zwar nicht falsch sind (ebenso wie die Nordsee-Aussage von mir), aber eben auch keine Aussagekraft haben, weil man eine halbwegs realistische Prognose nicht erstellt, indem man sie linear fortführt wie in der Grundschule..?
Mit „Wenn das so weitergeht“ lügt man nicht. Man prognostiziert aber auch nicht. Man schürt Angst - und Ablehnung auf Seiten derer, die sowieso schon wenig mit Impfungen anfangen können/wollen.
Wenn man mit „Wenn das so weitergeht“ was erreichen möchte, darf man nicht so offensichtlich billig vorgehen, dass es jeder Impfverweigerer sofort durchschaut. Da hätte sich Spahn bei Tante Neubauer, der OPEC, Bevölkerungsexperten und Bankern Rat holen müssen. Die sagen oft ebenfalls „Wenn das so weitergeht“, verschachteln das aber wenigstens geschickter. Ginge es nach „Wenn das so weitergeht.“ wären wir gar nicht (mehr) existent, es gäbe kein Öl mehr seit 50 Jahren, die Bevölkerung des Planeten hätte vor 30 Jahren bereits die 15 Milliarden geknackt, und der Kapitalismus wäre ebenfalls schon seit den 70ern Geschichte. Oh, und der Meeresspiegel hätte schon vor der Jahrtausendwende Norddeutschland überfluten müssen.
In den 70ern und 80ern ging man auch gerne auf die Straße und brüllte „Wenn das so weitergeht“ - genau wie Spahn, genau wie mein Nordsee-Beispiel.
Aber das Praktische an solchen substanzlosen Aussagen ist auch: Wenn es wider alle Vernunft doch so kommt, wird man gefeiert, denn man hat ja doch recht gehabt. Die Gegner sind in dem Fall ebenfalls mundtot, denn ihre Fakten zählen ob des eingetroffenen Ergebnisses nicht.
Kommt es nicht so, kann man stets argumentieren, man hätte das ja anders gemeint, man wollte nur etwas deutlich machen, die Menschen aufrütteln etc.
Wenn man nicht ganz blöd ist, kann man mit „Wenn das so weitergeht“ gar nicht verlieren.
Dennoch: muss man Menschen immer - mehr oder weniger offensichtlich - in Angst versetzen (wollen)? Es schafft kein Vertrauen und ist für
die Sache auf jeden Fall kontraproduktiv, zumindest wenn es um etwas Mittel- oder Langfristiges geht, bei dem alle mitmachen ist sollen/müssen.
Aber manchen gehts vielleicht weniger um die Sache, als vielmehr darum, ihren Kopf durchzusetzen. Um Emotionen.
Ist auch nichts Neues heutzutage… 😉