gaunt schrieb:
Nur verwendet nun mal spätestens seit der NS Zeit niemand mehr das Wort in der ursprünglichen Bedeutung.
Wir haben eine ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda im Kanzleramt sitzen. Nur weil man inzwischen lückenlos dazu übergegangen ist, in der Politik und Wirtschaft sämtliche negativ behafteten Begriffe durch Weichmalerei zu ersetzen, sind sie noch immer nicht falsch. Ein heutiger Artikel zu dem Thema, den man noch deutlich tiefgründiger ausarbeiten könnte, der aber durchaus anspricht, wo auch noch ein Problem liegt, das auch die Medien betrifft:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article160892353/Verschont-uns-bitte-mit-eurer-Plastiksprache.html
gaunt schrieb:
die alle einen ähnlichen Lebensstil pflegen, dann ist das eine eher ungeeignete Basis.
Die kannst du durch Bevormundung durch die Medien aber auch nicht verbessern, die Leute aus ihrer Blase holen, sie kritischer machen. Du kannst sie manipulieren und die werden es auch glauben. Aufklärung und (Fort-)Bildung ist das jedoch nicht, die wäre aber nötig um aus ihnen mündige und kritische Bürger zu machen, die nicht gleich Rattenfängern hinterherlaufen.
gaunt schrieb:
Früher waren Scholl-Latur oder Troller nicht selten die einzigen die vor Ort berichtet haben. Also hast du ihnen geglaubt und sie als Idole verehrt (keine Kritk, ich find die beiden auch gut!).
Beide haben etwas anders gemacht und wurden dadurch zu Vorbildern in der Branche. Wenn du eine alte Reportage von Troller ansiehst, legte der buchstäblich den Finger in die offensichtliche Wunde und musste dafür oft noch nicht einmal viel tun. Den Rest erzähltem ihm die Leute auf seine ehrlich offenen Fragestellungen. Siehst du heutige Reportagen, gehen viele immer mit einem klaren Plan heran: Ich muss das so darstellen, damit es ins Bild passt und das merkt man als Zuschauer. Das ist nicht echt, das ist im schlimmsten Schönfärberei dabei oft sogar Manipulation.
Jüngst erlebte ich übrigens ein völliges Gegenbeispiel. Kurz vor der letzten US Wahl sendete das ZDF eine Reportage mit M.Lanz (den ich aus unterschiedlichsten Gründen eigentlich nicht schätze), der dort frei nach Troller sich die Situation einmal anschaute und auf die normalen Leute jenseits der Boomregionen zuging. Als Zuschauer war mir nach dem Anschauen daraufhin schlagartig klar, was fast alle Medien in ihrer "Clinton muss und wird die Wahl gewinnen"-Strategie, die auch in Reportage gefahren wurde, völlig ignoriert haben: Wie es in den USA hinter der schönen Kulisse, dem neuen "Wirtschaftsboom" und abseits der liberalen Elite aussieht, daher wunderte mich auch der Wahlausgang nicht mehr.
Scholl-Latour war ein schwereres Kaliber, aber auch er ging nie voreingenommen sondern nüchtern an die Sachen heran, er versuchte immer neutral die Zusammenhänge darzustellen. Das klappt mit voreingenommenen Journalisten nicht. Wenn ich eine tiefe Abneigung gegenüber Putin habe, kann ich nicht objektiv über die Politik und die Zustände in Russland berichten. Wenn das dann noch so weit führt, dass man als Journalisten Personen wie Putin nicht in ihrem Handeln verstehen will (egal was man davon hält), hat man entweder den Beruf verfehlt oder ist Teil einer Propagandamaschinerie.
Scholl-Latour war derjenige, der die jüngsten Entwicklungen in Nahost genauso vorhersagte wie sie abliefen, weil er tiefer in der Materie steckte als heutige Journalisten, die eben auf Presseagenturen und das Pentagon vertrauen anstatt die Geschichteder Region, die Protagonsiten und die Entwicklungen im Detail zu betrachten.
gaunt schrieb:
Ich weiß das in der Medienwelt viel schief läuft und es auch massive Einflüsse von außen gibt. Aber diese Pauschalkritik "Alles Propaganda" und "Lügenpresse" trifft leider genau die falschen. Damit schlagt ihr denen ins Gesicht, die sich genau dafür einsetzen, was ihr euch wünscht und die gegen die ihr Kämpft lachen sich nen Ast ab.
Ich habe weder behauptet das alles Propaganda sei, noch dass es Lügenpresse wäre. Ich sehe es als wichtig an (bzgl. der ÖR) auf falsche Entwicklungen hinzuweisen. Die kannst du nicht stoppen, wenn du sie still und leise akzeptierst. Du kannst positive Beispiele öffentlich loben, keine Frage, den Rest musst du jedoch auch tadeln. Das führte im letzten Jahr zu interessanten Gesprächsrunden (der ÖR) bei dem die beteiligten Journalisten und Programmverantwortlichen eigentlich nie einen Fehler bei sich erkannt haben wollen, selbst wenn sie offensichtlich welche gemacht haben. Sehr groteske Vorstellungen zu diesem Problemfeld, in Zeiten in denen rechte Rattenfänger mit Lügenpresserufern erstaunliche Wahlergebnisse erzielen, müsste diesbezüglich mehr Selbstkritik und Hinterfragen der eigenen Arbeitsweise in den Redaktionen doch langsam angekommen sein.
gaunt schrieb:
Das bedeutet auch, dass man sich mal Sachen anhört, die einem nicht gefallen und womöglich nicht ins Weltbild passen.
Auch wenn du es nicht glaubst, aber genau das mache ich. Das führt jedoch mangels überzeugender Argumente und immer gleicher Mechanismen nicht mehr dazu, dass ich meine Meinung noch hinterfrage, sie festigt sich kontinuierlich. Das muss noch nicht einmal alleinige Schuld der Journalisten sein, ich glaube eher das eine Krankheit im System/der Ideologie dahinter steckt. Weil die Ideologie so beibehalten werden soll, mit allen möglichen Mitteln, gibt's die Verwerfungen und die Unglaubwürdigkeit in den Medien.