Die Ukraine ist ein international anerkannter und souveräner Staat mit klar definierten Grenzen und Russland hat ukrainisches Gebiet völkerrechtswidrig annektiert.
Also mit der Verwendung des Begriffs "Annexion" wäre ich vorsichtig. So hat das Auswärtige Amt bei seiner
Handreichung für seine Mitarbeiter zum Thema Russland nicht von einer Annektierung, sondern von einer Sezession gesprochen. Wenn von den Mainstreammedien immer nur das Mantra von "Annexion der Krim" wiederholt wird, wird es damit faktisch nicht richtiger. Das Völkerrecht ist eben nicht schwarz und weiß, sondern grau. Wenn dieser Sachverhalt im Völkerrecht eindeutig definiert wäre, würde in dieser Handreichung die Begriffswahl auch anders ausfallen. Ist die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung der Völker völkerrechtswidrig, wenn es zu einer Sezession führt? Die Frage ist, ob wir im Falle der Krim von einer
pouvoir constituant sprechen können, oder nicht? Was ist die Bezugsgröße beim Begriff "Volk", was dann als "Volk" gelten darf?
Reinhard Merkel hat in seinem Artikel "Die Krim und das Völkerrecht" in der FAZ im April 2014 ebenfalls diesen Graubereich sehr schön und vor allem auf die Unterschiede der Begrifflichkeiten aufmerksam gemacht und welche Konsequenzen damit einhergehen. Wer schon hemdsärmelig den Begriff benutzt sollte, die Konsequenzen im Auge behalten. " Annexionen verletzen das zwischenstaatliche Gewaltverbot, die Grundnorm der rechtlichen Weltordnung. Regelmäßig geschehen sie im Modus eines „bewaffneten Angriffs“, der schwersten Form zwischenstaatlicher Rechtsverletzungen. [...]
Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm.
Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten".
Das Urteil des Internationalen Gerichtshof zur Unabhängigkeit des Kosovo ist in diesem Fall eindeutig. Joffe hatte dies im Tagesspiegel folgendermaßen ausgeführt:"Die Richter waren allerdings schlau. Sie haben nur gesagt, das Völkerrecht kenne kein 'Verbot von Unabhängigkeitserklärungen'."
Das die USA das auch schon gemacht haben steht hier aber nicht zur Debatte. Hier geht es um den Ukraine Konflikt. Was nicht heißen soll das ich dies befürworte.
Hier wird versucht Unrecht mit Unrecht aufzuwiegen, und versucht Russlands Aktionen damit zu legitimieren.
Ich glaube, es geht hier nicht darum Unrecht mit Unrecht aufzuwiegen.
In einem
Artikel der Zeit, der das neue Werk von Henry Kissinger "Weltordnung" bespricht, lernen wir. "Amerika bleibt die
"unverzichtbare Nation" (Madeleine Albright), weil keine andere Macht seine Gestaltungskraft und seinen Gestaltungswillen hat. Die Europäer handeln außenpolitisch bis heute nicht gemeinsam,
Russland ist zur revisionistischen, ja zerstörerischen Macht geworden. " Ist diese Selbstwahrnehmung des Imperiums nicht wunderbar? Sehen wir es mal wieder in Reinkultur, die Deutungshoheit des Imperium, wie wird das eigene Narrativ eingerahmt? Bei einer kurzen Schnellanalyse kommt eher das Gegenteil heraus: Kosovo = Mafiastaat = failed state, Afghanistan = Mafiastaat=failed state, Irak = Bürgerkrieg = failed state, Libyen = Bürgerkrieg = failed state, Syrien = Bürgerkrieg = failed state, Ukraine = Bürgerkrieg = failed state => So wirklich erfolgreich scheint die "unverzichtbare Nation" gerade zu sein, wenn sie irgendwo "Ordnung" schaffen möchte.
Es soll vielmehr darauf hingewiesen werden, dass die USA durch ihre völkerrechtswidrigen Interventionen seit 1999 nicht unbedingt die besten Vertreter sind, sich hier als Verfechter des Völkerrechts aufzuspielen, das sie maßgeblich aufgrund ihres
amerikanischen Exzeptionalismus über Bord geworfen haben. Die Hauptfrage ist doch,
wie aber vor allem wer soll international Recht durchgesetzt werden, wenn es andauernd vorrangig von Washington sabotiert wird? Das ist gerade jene Doppelmoral, die man dem Westen anprangern muss.
Lafontaine hat diese Sache mal sehr gut auf den Punkt gebracht.